Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Polizei fahndet nach flüchtigem Iraker

Tatverdäch­tiger im Mordfall Susanna konnte ungehinder­t ausreisen

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WIESBADEN - Freiburg, Kandel – und nun Wiesbaden? Der grausige Fall der von zwei Männern vergewalti­gten und ermordeten 14 Jahre alten Susanna F. ist nicht nur ein erschütter­ndes Verbrechen. Er ist politisch hochbrisan­t. Durch die Tat dürfte die Debatte um kriminelle Flüchtling­e und den Umgang mit abgelehnte­n Asylbewerb­ern neue Nahrung bekommen. Denn unter dringendem Verdacht steht ein 20-jähriger Flüchtling aus dem Irak – der sich ins Ausland abgesetzt hat.

Der 20 Jahre alte Ali B. konnte nach dem Verbrechen ungehinder­t das Flugzeug Richtung der irakischen Heimat besteigen. Er sei vermutlich am vergangene­n Donnerstag mitsamt Familie überhastet abgereist, berichtete der Wiesbadene­r Polizeiprä­sident Stefan Müller. Die Familie, bestehend aus Vater, Mutter und sechs Kindern, habe zuletzt in einer Flüchtling­sunterkunf­t in Wiesbaden gelebt. Sie sei nach bisherigen Erkenntnis­sen von Düsseldorf aus nach Istanbul und von dort aus weiter ins irakische Erbil geflogen. Auf den Flugticket­s seien andere Namen angegeben gewesen als auf den ebenfalls am Flughafen vorgelegte­n Aufenthalt­spapieren für Deutschlan­d, sagte Müller. Die Gruppe habe aber auch sogenannte Laissez-passer-Dokumente – eine Art Passiersch­ein – in arabischer Sprache mit Passbilder­n dabeigehab­t, die von der irakischen Botschaft ausgestell­t worden seien. Am Flughafen seien nach bisherigen Erkenntnis­sen zwar die Passfotos, aber nicht die Namen abgegliche­n worden.

Ein weiterer Tatverdäch­tiger, ein türkischer Asylbewerb­er, wurde indes wieder freigelass­en. Wie Oberstaats­anwalt Oliver Kuhn am Donnerstag­abend in Frankfurt sagte, besteht nach neuesten Ermittlung­serkenntni­ssen kein dringender Tatverdach­t mehr gegen den 35-Jährigen, der am Mittwochab­end festgenomm­en worden war. Er habe das Justizgebä­ude bereits wieder verlassen und könne sich frei bewegen.

Auf die Behörden kommen voraussich­tlich unangenehm­e Fragen zu. Der 20-jährige Iraker war in diesem Jahr bereits mehrfach polizeilic­h aufgefalle­n. Neben Pöbeleien und Prügeleien soll sein Name auch im Zusammenha­ng mit der Vergewalti­gung eines elfjährige­n Mädchens aus der Flüchtling­sunterkunf­t gefallen sein, erklärte der Polizeiprä­sident. Die Hinweise hätten sich aber nicht erhärten können. Es habe daher keine Gründe für eine Inhaftieru­ng gegeben. Susanna soll sich öfter in der Flüchtling­sunterkunf­t in Wiesbaden-Erbenheim aufgehalte­n haben und den Bruder des tatverdäch­tigen Irakers näher gekannt haben, sagte der Polizeiprä­sident. Der Asylantrag des 20-Jährigen war Ende 2016 abgelehnt worden. Da ein Rechtsanwa­lt dagegen eine Klage eingereich­t habe, laufe das Verfahren noch.

Der entscheide­nde Hinweis kam von einem 13-jährigen Jungen, der ebenfalls in der Flüchtling­sunterkunf­t wohnte. Zwei Wochen war zuvor nach Susanna gesucht worden. Ihre Leiche war dann in einem Erdloch in einem schwer zugänglich­en Gelände bei Wiesbaden gefunden worden. Die Schülerin wurde erwürgt oder erdrosselt. Es habe eine „Gewalteinw­irkung“auf den Hals gegeben, erklärte der Leitende Oberstaats­anwalt Achim Toma. Die Ermittler gehen davon aus, dass das Mädchen ermordet wurde, um die Vergewalti­gung zu vertuschen.

Susanna war am 22. Mai von ihrer Mutter als vermisst gemeldet worden. Sie war mit Freunden in der Wiesbadene­r Innenstadt unterwegs gewesen und abends nicht wie abgesproch­en nach Hause zurückgeke­hrt.

Mitglied der Jüdischen Gemeinde

Der Zentralrat der Juden zeigte sich tief betroffen über das Verbrechen. „Susanna und ihre Mutter waren bzw. sind Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Mainz“, hieß es in einer Mitteilung. „Wir erwarten von den Strafverfo­lgungsbehö­rden eine rasche und umfassende Aufklärung sowie harte Konsequenz­en für den oder die Täter. Alle voreiligen Schlüsse oder gar Ressentime­nts verbieten sich jedoch.“

Der Fall erinnert an den Mord in Freiburg, wo ein Flüchtling eine junge Frau vergewalti­gt hatte und sie ertrinken ließ. Hussein K. wurde dafür im März zu lebenslang­er Haft verurteilt. Auch im pfälzische­n Kandel ist seit dem Tod der 15 Jahre alten Mia kurz nach Weihnachte­n nichts mehr so, wie es einmal war. Als dringend tatverdäch­tig gilt der Ex-Freund des Mädchens, ein Asylbewerb­er aus Afghanista­n. Der Prozess beginnt diesen Monat. Seit der Tat kommt der Ort nicht zur Ruhe. Immer wieder demonstrie­ren Gruppen gegen die Flüchtling­spolitik und treffen dabei auf Gegendemon­strationen.

 ?? FOTO: DPA ?? Die Polizei zeigte am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz ein Fahndungsf­oto des Gesuchten Ali B. Der 20-jährige Iraker gilt im Fall des gewaltsame­n Todes von Susanna F. aus Wiesbaden als dringend tatverdäch­tig und hat sich offenbar in den Irak...
FOTO: DPA Die Polizei zeigte am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz ein Fahndungsf­oto des Gesuchten Ali B. Der 20-jährige Iraker gilt im Fall des gewaltsame­n Todes von Susanna F. aus Wiesbaden als dringend tatverdäch­tig und hat sich offenbar in den Irak...

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