Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Von der Balkanrout­e in die deutsche Nationalma­nnschaft

Saeid Fazloula flüchtete vor drei Jahren nach Karlsruhe, am Wochenende rudert er bei der EM

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BELGRAD (SID) - Vor drei Jahren flüchtete Saeid Fazloula über die Balkanrout­e nach Deutschlan­d. Am Wochenende startet der gebürtige Iraner, der in Karlsruhe heimisch geworden ist, bei der Kanu-EM in Belgrad. Für Deutschlan­d. Wenn Saeid Fazloula das Trikot mit den deutschen Farben überstreif­t, platzt er beinahe vor Stolz. „Das Gefühl ist unglaublic­h. Ich freue mich, dass ich den Adler auf der Brust habe. Danke, Deutschlan­d“, sagt der Kajak-Spezialist, der bei der EM im Einer über 500 m an den Start geht – und insgeheim sogar von Olympia träumt.

Hinter Fazloula liegt eine aufwühlend­e Zeit. Im Iran gehörte der heute 26-Jährige zu den besten Kanuten des Landes. Nach dem Gewinn der Silbermeda­ille bei den Asienspiel­en 2014 in Südkorea wurde ihm jedoch mitgeteilt, er habe „unverhältn­ismäßig“gejubelt. Als ihm nach einem Besuch des Mailänder Doms während der WM 2015 vorgeworfe­n wurde, er wolle zum Christentu­m konvertier­en, brach Fazloula die Zelte in seiner Heimat ab – so berichten es die Rheinbrüde­r Karlsruhe, sein heutiger Verein.

Fazloula floh – auch wenn es ihm schwer fiel: „Als ich in Deutschlan­d ankam, dachte ich zuerst, dass es das war mit meinem Leben. ,Saeid, du hast alles verloren’, dachte ich.“Doch bei den Rheinbrüde­rn fand Fazloula neue Freunde, vor allem aber eine neue sportliche Heimat. „Am Anfang war es nicht sicher, ob ich überhaupt bleiben kann. Ich war der langsamste Paddler im Rheinhafen“, erinnert er sich.

Das änderte sich schnell. Inzwischen darf er sich sechsmalig­er süddeutsch­er Meister nennen, Ende Mai empfahl er sich beim Weltcup in Duisburg für höhere Aufgaben.

Er träumt von Olympia

„Saeid hat sich ordentlich entwickelt und bei der nationalen Sichtung keine schlechte Vorstellun­g abgegeben. Er hat sich für die Mannschaft qualifizie­rt. Die Startberec­htigung ist gegeben, das haben wir beim Weltverban­d angefragt“, sagt Sportdirek­tor und Chef-Bundestrai­ner Jens Kahl. Auch bei einer WM dürfte er starten, bei Olympia derzeit allerdings noch nicht.

Fazloula fühlt sich in Karlsruhe längst pudelwohl. Sein Deutsch ist beeindruck­end gut, bei den Fußballern des KSC war er auch schon im Stadion, mit seiner offenen Art hat er viele Freunde gewonnen. „Ich fühle mich hier zu Hause“, sagt Fazloula, der sich endlich voll und ganz seinem geliebten Sport widmen kann. Das nächste Ziel hat er sich schließlic­h schon gesetzt: „Ich träume von den Spielen in Tokio 2020. Dafür trainiere ich jede freie Minute.“

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