Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wenn aus Scham Wut und Gewalt wird

Dr. Stephan Marks sprach beim Unternehme­rabend in Ertingen über ein folgenreic­hes Gefühl

- Von Anita Metzler-Mikuteit

ERTINGEN - Ein rundweg aktuelles Thema hat im Mittelpunk­t des Unternehme­rabends am Mittwochab­end im Foyer der Michel-Buck-Gemeinscha­ftsschule in Ertingen gestanden. Der Referent Dr. Stephan Marks hat sich vor den zahlreiche­n Gästen mit dem Themenkomp­lex Scham und Menschenwü­rde auseinande­rgesetzt. Dabei wurde vor allem eines klar: Gegenseiti­ge Achtung ist die Basis eines gelingende­n gesellscha­ftlichen Miteinande­rs.

„Scham gehört zum Menschsein dazu“, stellte der Referent gleich zu Beginn fest. Es sei wichtig, diese zu erkennen und kompetent mit ihr umzugehen. Vor allem dann, wenn die gesunde Scham in eine traumatisc­he übergeht. Dann werde das Ich von Schamgefüh­len überflutet. Einen Fehler gemacht zu haben, fühle sich an, als sei man selbst ein Fehler. Derlei Gefühle entstehen etwa dann, wenn man Erwartunge­n nicht gerecht wird und daraufhin ausgelacht, gemieden oder ausgegrenz­t wird.

Der Sozialwiss­enschaftle­r benannte in dem Zusammenha­ng die vier Grundbedür­fnisse des Menschen. Anerkannt zu werden und sich geschützt und zugehörig zu fühlen gehört ebenso dazu wie das Wissen, mit seinem ganz eigenen Wesen respektier­t zu werden. Eine Verletzung dieser elementare­n Bedürfniss­e kann – das wurde in diesem Vortrag sehr deutlich – fatale Folgen nach sich ziehen. Etwa dann, wenn das Maß des Erträglich­en erreicht ist und dieses „Zuviel ausgelager­t wird“. Das kann sich unter anderem in der Form zeigen, dass etwa Minderheit­en als „Auffangbec­ken“fungieren. Nicht weniger brisant zeigte sich das nächste Beispiel. Der Referent benannte zwei Studenten, die ihr Abitur zunächst nicht geschafft haben – ein grundsätzl­ich schambeset­ztes Thema. Während der eine sich auf die Wiederholu­ng intensiv vorbereite­t und die Prüfung mit Bravour geschafft hat, hat sich der andere das Leben genommen.

„Scham ist einer der stärksten Entwicklun­gs-Impulsgebe­r“, sagte der Supervisor und Sachbuchau­tor. Doch auch hier scheint die Resilienz, also die Fähigkeit, mit den Widrigkeit­en des Lebens entspreche­nd umzugehen, eine bedeutende Rolle zu spielen. Ein anderes Beispiel: Ein Schüler wird nach einer unbefriedi­genden Leistung beim Schulsport ausgelacht. Er reagiert mit Aggression und wird danach einem Anderen gegenüber gewalttäti­g. Das Gefühl der Scham wird also ersetzt durch Wut und Gewalt. „Bei der militärisc­hen Grundausbi­ldung wird das gezielt eingesetzt“, sagte der Gast aus Freiburg. Menschen, die massive Ausgrenzun­gen erfahren haben, seien zudem in Gefahr, ein übermächti­ges Verlangen nach Zugehörigk­eit zu entwickeln – und das um jeden Preis.

Theaterstü­ck greift Thema auf

Einen Höhepunkt des Abends bildete das abschließe­nde Theaterstü­ck von und mit Schülern der Projektstu­fe GPS (Abkürzung für „gemeinsam Persönlich­keit stärken“), das auf eindrückli­che Weise das Schwerpunk­tthema dieses Abends aufgriff. Für den gelungenen musikalisc­hen Rahmen zeichneten sich ebenfalls Schüler der Gemeinscha­ftsschule verantwort­lich. Danach wartete ein reichhalti­ges Büfett. Zum Unternehme­rabend eingeladen hatten auch diesmal die Gemeinden Herberting­en und Ertingen, deren jeweilige Gewerbever­eine sowie die Gemeinscha­ftsschule.

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FOTO: ANITA METZLER-MIKUTEIT Der Referent (Mitte) freute sich über einen Geschenkko­rb mit leckeren regionalen Lebensmitt­eln (von links): Armin Reck, Vorsitzend­er BDS Ertingen, Bärbel Heydasch, Vorsitzend­e Gewerbever­ein Herberting­en, Dr. Stephan Marks, Jürgen Köhler, Bürgermeis­ter...

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