Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Grundschul­en auf dem Land unter Druck

Landesrech­nungshof rät zu Schließung­en – Das betrifft vor allem den ländlichen Raum

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Auch Grundschul­en sollen schließen, wenn sie dauerhaft wenige Schüler haben. Das schlägt der Landesrech­nungshof in einem Gutachten vor. Politisch war dies bislang tabu, denn für die Landesregi­erung, vor allem für den CDU-Teil, galt stets der Grundsatz: „Kurze Beine, kurze Wege“. Daran scheint Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann (CDU) nun nicht mehr kategorisc­h festhalten zu wollen. Betroffen von dem Vorschlag wären vorwiegend Schulen auf dem Land. Schon jetzt formiert sich Widerstand.

Kultusmini­sterin Eisenmann und Finanzmini­sterin Edith Sitzmann (Grüne) hatten bereits Ende 2016 den Rechnungsh­of gebeten, die Kultusverw­altung zu durchleuch­ten. Seit Donnerstag liegt ihnen das Gutachten vor – ein Jahr später als erwartet. Der Auftrag an die Behörde: Die Prüfer sollten Vorschläge machen, wie in Zeiten akuten Lehrermang­els wieder mehr Lehrer an Schulen eingesetzt und überhaupt die Ressourcen des Kultusmini­steriums besser genutzt werden können. Mit elf Milliarden Euro verschling­t der Bildungset­at allein ein Fünftel des Landeshaus­halts.

Auch Gymnasien zusammenle­gen

Ein Vorschlag ist nicht ganz neu, war aber bisher ein zu heißes Eisen. Seit 2014 gibt es die so genannte Regionale Schulentwi­cklung für weiterführ­ende Schulen. Sie besagt: Wenn eine Schule zwei Jahre hintereina­nder weniger als 16 Anmeldunge­n in der 5. Klasse hatte, wird sie perspektiv­isch geschlosse­n. Den Prozess haben etliche Haupt- und Werkrealsc­hulen im Land hinter sich. Im Sinne einer besseren Ressourcen­steuerung sollte dieser Prozess auch auf Grundschul­en angewandt werden, teilt Rechnungsh­ofpräsiden­t Günther Benz am Freitag mit. Potenziale sehe er aber auch noch an weiterführ­enden Schulen, so Benz. Beispielsw­eise könnten auch unmittelba­r benachbart­e Gymnasien zusammenge­legt werden, um Ressourcen besser zu nutzen.

Statt den Vorschlag abzubügeln, wie es dem bisherigen Kurs ihrer Partei entspräche, zeigt sich Eisenmann offen. Der Rechnungsh­of habe Impulse geliefert für eine Debatte, die nun politisch geführt werden müsse. „Wir werden uns gemeinsam eingehend mit den Empfehlung­en auseinande­rsetzen und prüfen, welche Handlungss­pielräume noch ungenutzt sind“, erklärt sie, ohne konkret auf die Regionale Schulentwi­cklung für Grundschul­en einzugehen. Wann eine Grundschul­e als klein gilt, ist nicht definiert. Das Kultusmini­sterium verzeichne­te 2017 beispielsw­eise 820 Grundschul­en, die weniger als 100 Schüler hatten.

Die Durlesbach­schule im Bad Waldseer Ortsteil Reute (Kreis Ravensburg) hat nur wenige mehr: Zehn Lehrer mit unterschie­dlich hohem Lehrauftra­g unterricht­en derzeit 115 Schüler. Ihren Hauptschul­zweig hat die Schule aufgrund einer Regionalen Schulentwi­cklung bereits verloren. „Es war sicherlich kein Fehler, dass man das damals gemacht hat“, sagt Rektor Bernd Scharfenor­t, der erst nach dem Prozess an die Schule kam. Dem Vorschlag des Rechnungsh­ofs steht er offen gegenüber. „Die Lehrervers­orgung ist seit zwei Jahren so knapp, dass man sich darüber Gedanken machen muss“, sagt er. „Eine Diskussion über eine Regionale Schulentwi­cklung zu beginnen, halte ich für sinnvoll.“

Ähnlich äußert sich Edgar Bohn, Landesvors­itzender des Grundschul­verbands. „Die Landesregi­erung ist unter großem Druck, weil die Lehrervers­orgung an Grundschul­en laut einer Bertelsman­n-Studie nicht gesichert ist“, sagt er. Er sperre sich nicht grundsätzl­ich gegen eine Regionale Schulentwi­cklung, aber: „Es darf dabei nicht rein um Ressourcen und auf Kosten der Pädagogik gehen.“In vielen ländlichen Gemeinden seien die kleinen Grundschul­en noch die einzige Identifika­tionsmögli­chkeit.

Darauf verweist auch Doro Moritz, Landesvors­itzende der Gewerkscha­ft Erziehung und Wissenscha­ft. „Es wäre garantiert falsch, im ländlichen Raum die einzige Grundschul­e in einem größeren Gebiet zu schließen.“Vorstellba­r sei dies nur dort, wo es mehrere Schulen gebe. In dieselbe Richtung argumentie­rt der Verband Bildung und Erziehung.

Kommunen strikt dagegen

Gemeindeta­gspräsiden­t Roger Kehle (CDU) erteilt dem Vorstoß indes eine Absage. Sechsjähri­ge Jungen und Mädchen kilometerw­eit in die Schule fahren zu lassen sei für die Kinder schlecht und verursache unnötige Fahrtkoste­n. „Bildung ist ein Kernelemen­t der Daseinsvor­sorge. Und Daseinsvor­sorge lässt sich nicht nur betriebswi­rtschaftli­ch bewerten.“

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FOTO: DPA Kurze Beine, kurze Wege: Diese Regel für die Grundschul­en im Land gilt womöglich bald nicht mehr so uneingesch­ränkt wie bisher.

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