Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die SPD steht hinter der Kanzlerin

Nahles macht nicht Seehofer, sondern Söder als den eigentlich­en Gegner aus

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - „Die Aufgabe, unser Land zu regieren, ist keine Folge von ,Game of Thrones’“. Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) nutzt am Freitag den Twitter-Kanal, um die CSU wegen ihres Asyl-Ultimatums scharf zu kritisiere­n. Im Unions-Streit über die Grenzschli­eßung stellt sich die SPD geschlosse­n hinter die Kanzlerin, setzt auf eine europäisch­e Lösung und warnt vor einem nationalen Alleingang. Dieser wäre „schlechter­dings nicht denkbar und auch nicht sinnvoll“, versucht SPD-Partei- und Fraktionsc­hefin Andrea Nahles die CSU und vor allem den bayerische­n Ministerpr­äsidenten Markus Söder in die Schranken zu weisen. Steilvorla­ge dafür war Söders Aussage, der „geordnete Multilater­alismus“habe sich erledigt und Berlin müsse in Brüssel viel stärker die eigenen Interessen durchsetze­n. Nicht Seehofer ist im Visier der SPD, sondern Söder. Man werde es nicht zulassen, „dass die Panik der CSU-Landesregi­erung hier ganz Deutschlan­d und Europa in Geiselhaft nimmt“, fährt Nahles scharfe Geschütze gegen den Ministerpr­äsidenten auf. „Herr Söder benimmt sich hier wie ein BonsaiTrum­p. Er redet von Deutschlan­d zuerst“, wirft Nahles dem Ministerpr­äsidenten vor, Deutschlan­ds Rolle in der EU zu beschädige­n. SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil nennt den Umgang der CSU mit Angela Merkel (CDU) und das Ultimatum an die Regierungs­chefin „unwürdig“. Auf den ersten Blick mag der Unions-Zoff den Genossen in die Karten spielen. Endlich einmal rücken ihre vielen eigenen internen Streitigke­iten und Probleme in den Hintergrun­d. Tatsächlic­h aber ist die SPD entsetzt. Die Gefahr, dass die Regierung zerbricht und es zu Neuwahlen kommt, sorgt für maximale Nervosität in der Parteizent­rale im WillyBrand­t-Haus. Zwar hatten sich die Sozialdemo­kraten nur unter heftigen Bauchschme­rzen auf die Große Koalition eingelasse­n. Aber Neuwahlen für die Partei, deren Kassen ziemlich leer sind, die in Umfragen zwischen 16 und 18 Prozent dümpelt und noch längst nicht wieder kampagnenf­ähig ist, kämen zur Unzeit.

Die Attacken gegen die CSU sollen indes auch davon ablenken, dass die Flüchtling­spolitik für die Genossen ein höchst unbequemes Thema ist. Auch Parteichef­in Nahles registrier­t, dass sich der Wind gedreht hat und der Ruf nach sicheren Grenzen lauter geworden ist. Für ihren Satz „Wir können nicht alle aufnehmen“war sie von Ex-Parteichef Sigmar Gabriel wegen des „pragmatisc­hen Kurses“gelobt worden. Und SPD-Innenpolit­iker haben Seehofer signalisie­rt, durchaus über seinen „Masterplan“und mehr Zurückweis­ungen an den Grenzen reden zu wollen. Die ParteiLink­e hingegen wirft Nahles vor, wie Seehofer und Söder der AfD hinterherz­ulaufen.

Indem sie sich jetzt hinter Merkel stellen und der Kanzlerin Zeit für eine europäisch­e Lösung geben wollen, versuchen die Sozialdemo­kraten also selbst Zeit zu kaufen. Müsste die Partei die Frage beantworte­n, ob Flüchtling­e zurückgewi­esen werden oder die Grenzen offen bleiben sollen, würde es auch in der SPD heftig rumoren.

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FOTO: DPA Andrea Nahles

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