Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Boris Beckers Denkmal bröckelt weiter
Ex-Tennisprofi beantragt Immunität im Insolvenzverfahren – mithilfe eines dubiosen Postens
KÖLN (SID) - Als Boris Becker Ende April Sportbotschafter eines der ärmsten und zerrissensten Länder der Welt wurde, fragten sich nicht nur seine Fans: Wieso macht er das? Am Freitag gab es eine mögliche Antwort: Becker nutzt seinen Status als „Sonderattaché für Sport und kulturelle Angelegenheiten in der Europäischen Union“der Zentralafrikanischen Republik, um im laufenden Insolvenzverfahren in Großbritannien Anspruch auf diplomatische Immunität zu erheben.
Becker selbst gab sich in einem seiner seltenen Statements alle Mühe, dem Winkelzug seiner Anwälte den Ruch eines dreisten Taschenspielertricks oder einer letzten Verzweiflungstat zu nehmen. Für den dreimaligen Wimbledonsieger ist es eine erzwungene Abwehrreaktion eines ungerecht Behandelten.
„Die Entscheidung, ein Insolvenzverfahren gegen mich zu eröffnen, war gleichermaßen ungerechtfertigt wie unrechtmäßig“, wird Becker von der britischen Nachrichtenagentur Press Association zitiert: „Ich habe jetzt diplomatische Immunität geltend gemacht, denn dazu bin ich in der Tat verpflichtet, um diese Farce zu einem Ende zu bringen, damit ich anfangen kann, mein Leben wieder aufzubauen.“
Beckers deutscher Anwalt Oliver Moser betonte, dass sein Mandant das diplomatische Amt nicht nur übernommen habe, „um auf diese Weise das Insolvenzthema zu lösen“. Becker sei von der Aufgabe „nach wie vor inhaltlich überzeugt“, sagte Moser. Becker habe in den vergangenen Monaten vergeblich versucht, mit der Gläubigerbank zu einer vernünftigen Lösung zu kommen, die Bank habe sich aber „jeglichem vernünftigen Kompromiss“verweigert. „Deshalb nun dieser Schritt, der zugegebenermaßen ungewöhnlich ist“, sagte Moser.
Anarchische Zustände
Im April hatte es den Weltmann Boris Becker in die Brüsseler Botschaft der Zentralafrikanischen Republik verschlagen. Dort wurde ihm durch Staatspräsident Faustin Archange Touadera und Botschafter Daniel Emery Dede sein Amtssitz übergeben. „Ich fühle mich sehr geehrt, dass diese anspruchsvolle Aufgabe an mich herangetragen wurde“, sagte Becker. Das Land, für das er diplomatisch tätig werden soll, gilt als ärmstes der Welt, die Analphabetenrate liegt bei 75 Prozent. Zudem herrschen anarchische Zustände. Rebellengruppen kontrollieren weite Teile des Landes, Amnesty International beklagte zuletzt Massentötungen und -vergewaltigungen. Ob und wie Becker bislang als Botschafter tätig wurde, ist nicht bekannt.
Jedenfalls drehte sich die Welt der ehemaligen Nummer 1 in den knapp zwei Monaten seit der Übernahme des Jobs in gewohnt atemberaubendem Tempo. Bei den French Open fungierte er für Eurosport als CoKommentator, doch abseits des Courts brannte der Baum: Er trennte sich von seiner Frau Lilly, während der Kampf gegen Insolvenz und Gläubiger immer heftiger wurde.
Seit dem 21. Juni 2017 spitzen sich nun die Dinge zu, damals erklärte der Londoner High Court of Justice den im Stadtteil Wimbledon gemeldeten Boris Franz Becker für pleite. Mit der Forderung der Privatbank Arbuthnot Latham & Co. wegen eines ausstehenden Kredits in Höhe von 3,5 Millionen Euro fing alles an, mittlerweile soll es mehr als ein Dutzend weitere Gläubiger geben.