Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hass und Fanatismus zu Zeiten des Konzils
Halévys Oper „La Juive“als gelungenes Gesamtkunstwerk in Konstanz aufgeführt
KONSTANZ - Zum Konzilsjubiläum wird in Konstanz die romantische Belcanto-Oper „La Juive“(Die Jüdin) von Jacques Fromental Halévy und Eugène Scribe aufgeführt. Die gefeierte Premiere am Donnerstagabend war ein ebenso mitreißendes wie erschütterndes Gesamtkunstwerk aus einem Guss.
Die versammelte Macht der Kirchenfürsten, im Volk geschürter Fanatismus und Judenhass, Verblendung und Wahn, die zum Tode führen, bilden die Folie für ein Plädoyer für Menschlichkeit und Toleranz. Besonderer Reiz ist, dass die Oper zu Konzilsbeginn im Jahr 1414 spielt und sie somit am Originalschauplatz aufgeführt wird. Doch Halévys „Grand Opéra“würde auch hier den Rahmen sprengen, so ist in Konstanz eine „Grand-Kammer-Opéra“daraus geworden, wie Hermann Dudek, der die Südwestdeutsche Philharmonie Konstanz dirigiert, sagt. Ohne aufwendige Massenszenen filtert diese Inszenierung die Essenz heraus und lenkt das Ohr umso mehr darauf, wie die Musik die einzelnen Stimmungen ausmalt. Die Kammerbesetzung setzt zum Streichersatz durchgängig Harfe und Schlagwerk, dazu auch Akkordeon und Gitarre ein. So ist Alexander Krampe ein Arrangement gelungen, das die dramatische Wucht des Werkes, seine Farbigkeit und Tiefe, aber auch Intimität zur Geltung zu bringen.
Hochkarätig ist das internationale Solistenensemble mit Kristian Benedikt (Eléazar), Yana Kleyn (Rachel), Francisco Brito (Léopold), Justyna Samborska (Eudoxie), Tadas Girininkas (Brogni) und Vladislav Pavliuk (Ruggiero) besetzt. Vom dramatischen Sopran bis zum tiefsten Bass darf der Zuhörer in Arien und Duetten im Belcanto schwelgen, die Sänger lassen die Kontraste zwischen dramatischen Ausbrüchen und intimsten Regungen glaubhaft erleben. Die Solisten bleiben beim sehr deutlich artikulierten Französisch, hingegen singt das von Steffen Schreyer sehr gut einstudierte Vokalensemble Konstanz deutsch und nimmt dadurch die Zuschauer mit. Eindrucksvoll ist auch die a cappella hebräisch gesungene Feier des Pessachfests.
Dass man die Aufführung so intensiv erlebt, liegt auch an der „Oper im Stadtraum“: Der erste Teil spielt vor dem Wohnturm aus der Zeit um 1200 im Innenhof des Kulturzentrums beim Münster. Dann wandert man zur ehemaligen Sankt Johannkirche, die in strahlendem Blau den imposanten Rahmen für das Fest bei Prinzessin Eudoxie abgibt. Zuletzt erlebt man nach einem Gang mit den Verurteilten durch die Stadt das erschütternde Ende in der Lutherkirche (bei Regen findet dort die ganze Oper statt).
Aus der wuchtigen romantischen Oper mit riesigem Personal- und Kostümaufwand ist ein dreistündiges Kunstwerk geworden, das mit zeitlosen Kostümen den Bezug zum Heute herstellt, wo Gewalt und Fanatismus erneut das Miteinander bedrohen.
Weitere Vorstellungen am 16., 18., 20., 24., 26., 28. Juni, am 1., 7. und 9. Juli jeweils um 19 Uhr sowie am 4. Juli um 16 Uhr. Bei Regen in der Lutherkirche (Wettertelefon 07531/3632729). Infos unter