Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Aufbruch und Guillotine
Im Karlsruher Schloss werden Aspekte von Revolutionen beleuchtet und die Besucher geprüft, ob sie als Aufständler taugen
KARLSRUHE (dpa) - Barrikaden aus alten Stellwänden, Holzlatten ragen hervor – und in dem ganzen Durcheinander steht der badische Thronsessel in extrem gefährlicher Schieflage. Revolutionen sind chaotisch und zerstörerisch. Doch sie ordnen die Dinge am Ende auch ganz neu. Das illustriert eine Ausstellung im Karlsruher Schloss im Gedenkjahr der November-Revolution 1918 und der badischen Revolution 1848. „Revolution! Für Anfänger*innen“erinnert an historische Aufstände und verknüpft sie mit der Moderne. Die Schau des Badischen Landesmuseums will vor allem eines: zum Nachdenken über Revolutionen anregen. Und das durchaus auch ganz spielerisch.
Weg zum Revolutionär
Zu Beginn kann der Besucher sich selbst einsortieren und Kärtchen ziehen. Besitzer oder Nichtbesitzer eines Liegestuhls – so harmlos fängt es an. Wer leer ausgeht, kann zum Revolutionär werden. Muss es aber nicht. Wer das Zeug dazu hat, zeigt sich erst zum Schluss.
Die Schau, die noch bis zum 11. November dauert, spannt einen Bogen von der Französischen Revolution
bis hin zu Bewegungen der jüngeren Vergangenheit wie dem Ende der DRR, dem „Arabischen Frühling“oder den „Farbrevolutionen“in Osteuropa. Der Besucher betritt eine Art begehbares Bühnenbild. An einzelnen Stationen und anhand von rund 80 historischen Exponaten wird ihm ein Eindruck von Revolution vermittelt.
So illustriert ein Bild, wie Revolutionäre 1848 in Paris den Thronsaal des französischen Königs verwüsten und – als besonders symbolische Handlung – seinen Sessel stürzen. Daneben ist ein Gemälde aus dem Karlsruher Schloss, das bei der Revolution von 1918 von einer Kugel durchbohrt wurde. Zwar verlief der damalige Aufstand in Karlsruhe weitgehend friedlich. Doch ein Trupp Soldaten unter Führung des Matrosen Heinrich Klumpp zog am Abend des 11. November vor das Schloss, um mit dem badischen Großherzog zu sprechen. Es kam zu einer Schießerei. Die Herrscherfamilie verließ in Panik das Schloss. Dieser Abend hat seine Spuren in dem Bild hinterlassen.
„Helfen kann nur die gewaltige Tat, die revolutionäre Volkstat, nicht das Hoffen und Harren“, meinte Badens bekanntester Revolutionär Friedrich Hecker (1811-1881). Sein Zug von Aufständischen scheiterte 1848 allerdings kläglich. Revolutionäre trugen ihre Auffassung auch offen zur Schau: Im Gegensatz zu den Adeligen und dem Klerus, die Kniebundhosen trugen, hatten Pariser Arbeiter und Kleinbürger einen eigenen Dresscode: lange Sansculottes (zu deutsch: ohne Kniebundhose), eine rote Weste und eine rote Jakobiner-Mütze.
Männer waren es zumeist, die auf die Barrikaden gingen, doch es gab auch Frauen wie Emma von Herwegh (1817-1904), die sich durch nichts binden lassen wollte, als durch ihre „höchste innere Wahrheit“.
Die Schau will die positiven Aspekte von Revolutionen hervorheben. Denn, so fragt sich Kurator Oliver Sänger: „Wo wären wir heute ohne die Errungenschaften der Französischen Revolution von 1789?“Die hat mit ihrem Motto „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“zu tiefgreifenden macht- und gesellschaftspolitischen Veränderungen in ganz Europa geführt und die Grundlagen für die modernen Demokratien gelegt.
Doch sie hat – zumindest aus heutiger Sicht – auch durchaus zweifelhafte Errungenschaften hervorgebracht: die Guillotine zum Beispiel. Mit ihr wurden allein während der Französischen Revolution mehr als 16 000 Menschen hingerichtet.
Original-Guillotine
Als wohl spektakulärstes Exponat ist in der Schau eine Original-Guillotine zu sehen. Allerdings aus nachrevolutionärer Zeit: Nach dem Zweiten Weltkrieg ließen die Franzosen für ihre Besatzungszone in Baden ein solches Enthauptungsgerät nachbauen. Nach 1945 wurden damit in Rastatt einige Jahre Todesurteile gegen deutsche NS-Verbrecher vollstreckt, erzählt Historiker Sänger. Wie viele es waren, ist allerdings nicht bekannt.
Während des Revolutions-Parcours’ kann der Besucher an verschiedenen Stationen Kärtchen ziehen und sich selbst befragen – und am Ende herausfinden, ob er zum Revolutionär taugt. Tut er das, wird er es sich nicht nehmen lassen, auch den herrschaftlichen Balkon des Schlosses zu erobern, der seit vielen Jahren erstmals wieder zugänglich ist. Dort kann er über ein Riesen-Megafon seine Vorstellungen von Revolution unters Volk bringen. Passend dazu weht vom Schlossturm bis Herbst die rote Fahne.
„Wo wären wir heute ohne die Errungenschaften der Französischen Revolution von 1789?“Oliver Sänger, Kurator
Die Ausstellung „Revolution! Für Anfänger*innen“ist noch bis 11.11.2018 im Schloss Karlsruhe zu sehen. Öffnungszeiten: Di-Do 10.00-17.00 Uhr, Fr-So, Feiertage 10.00-18.00 Uhr, Eintritt sechs Euro/ermäßigt fünf. Internet: www.landesmuseum.de