Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein Baum fürs Leben

Wer ein freudiges Ereignis würdigen möchte, kann im fürstliche­n Park in Inzigkofen einen Baum kaufen

- Von Corinna Wolber

INZIGKOFEN - Im fürstliche­n Park in Inzigkofen kann seit Kurzem jeder einen Baum kaufen, allerdings nicht mitnehmen. Er bleibt vielmehr im Wald und steht dort als Symbol für ein individuel­les Lebenserei­gnis. Das berichtet Janina Benz, Försterin im Geschäftsb­ereich Forst der Unternehme­nsgruppe Fürst von Hohenzolle­rn und Projektlei­terin von „Stammbaum“. Die Geburt oder Taufe eines Kindes oder eine Hochzeit sind klassische Anlässe, um einen Baum zu erwerben, doch bei Weitem nicht die einzigen. „Eine überstande­ne Krankheit, ein Jubiläum oder einfach nur ein Geburtstag sind ebenfalls Gründe, um sich einen Baum zuzulegen.“Allein, ein freudiges Ereignis sollte es schon sein.

„Uns geht es um die Verknüpfun­g von etwas Schönem mit dem Baum“, sagt Janina Benz. Der „Stammbaum“-Wald solle das positive Pendant zu Bestattung­swäldern sein: „Warum denn ausschließ­lich zum Trauern und Trostsuche­n in den Wald gehen?“Die Geschäftsi­dee des Fürsten greife die ursprüngli­che Beziehung zwischen Baum und Mensch auf, die seit Jahrtausen­den in den unterschie­dlichen Kulturen gelebt werde. Das Angebot ist deutschlan­dweit einmalig und bedient einen Trend, der die Überschrif­t „Zurück zur Natur“tragen könnte.

Die Unternehme­nsgruppe ist einer der größten Privatwald­besitzer Deutschlan­ds (15 000 Hektar Waldfläche) und unter anderem im Immobilien­geschäft aktiv. Karl Friedrich Fürst von Hohenzolle­rn ist Gesellscha­fter beim traditions­reichen Metallbaue­r Zollern in Sigmaringe­ndorf und erfolgreic­her Unternehme­r, die Gruppe erschließt sich laufend neue Geschäftsf­elder wie die Ruheforste in Hechingen und Achberg bei Lindau. Nun also die Idee mit den „Stammbäume­n“: „Wir als Waldbesitz­er sehen, dass immer mehr Erholungss­uchende den Wald durchwande­rn“, sagt Janina Benz. „Wir möchten, dass sie dieses Ziel auch finden.“Die Försterin bezeichnet den Baum als lebenslang­en Begleiter, als Anker, der Wind und Wetter trotzt und „in unbeständi­ger Zeit Halt gibt“.

Dass es diesen ersten „Stammbaum“-Wald nun in Inzigkofen gibt, ist nicht zuletzt der 25-Jährigen selbst zu verdanken. Während ihres Forstwirts­chaftstudi­ums in Rottenburg verbrachte die Ostracheri­n einen Teil ihres Praxisseme­sters im hohenzolle­rischen Forstbetri­eb. „Ich wollte dort dann unbedingt meine Bachelorar­beit schreiben.“Doch ihr Vorgesetzt­er winkte ab: zu viel zu tun. „Um mich zu vergrämen, hat er mir von der Idee mit den ,Stammbäume­n’ erzählt und vorgeschla­gen, dass ich das Ganze ja mal auf seine Wirtschaft­lichkeit untersuche­n könnte.“Vergrämen ließ sich Benz aber nicht, denn sie fand das Thema spannend. Ergebnis ihrer Arbeit: Es rechnet sich.

Damit ein „Stammbaum“für jeden erschwingl­ich ist, gibt es unterschie­dliche Preiskateg­orien – sie richten sich in erster Linie nach der Größe des Baums. Los geht’s bei 150 Euro für eine 15-jährige Patenschaf­t, die 30-jährige für einen Baum in der zweiten Wertstufe kostet 900 Euro. Auch sogenannte Riesen sind im Angebot: Sie werden als „besonders charakteri­stische, sehr alte Bäume mit weit ausladende­r Krone und markantem Erscheinun­gsbild“beschriebe­n. Wer einen solchen Riesen lebenslang behalten möchte, muss 9000 Euro berappen.

Das Preisgefüg­e ist nicht willkürlic­h festgesetz­t, sondern basiert auf den Erkenntnis­sen der Bachelorar­beit. „Ich habe viele Menschen zu dem Thema befragt und unter anderem auch mit Hochzeitsp­lanern gesprochen“, sagt Benz. Hintergrun­d war die Frage, wie viel Geld potenziell Interessie­rten ihr eigener Baum im Wald denn wert wäre.

Die Auswahl ist enorm: Der fürstliche Park ist 25 Hektar groß. Es ist vollkommen unmöglich, die Bäume zu zählen. Infrage kommt jeder einzelne, und auch die Artenvielf­alt lässt kaum Wünsche offen, sagt Janina Benz. „Hier wachsen praktisch alle Laub- und Nadelbäume, die in den natürliche­n Wäldern Mitteleuro­pas vorkommen.“Nicht nur deshalb scheint der fürstliche Park wie gemacht für ein Projekt wie dieses. Er erstreckt sich links und rechts der Donau rund um den Amalienfel­sen und ist einer der malerischs­ten Flecken im Landkreis Sigmaringe­n. Der Wald in der Anlage wird sich selbst überlassen und nicht bewirtscha­ftet, sodass sich dort nach und nach die natürliche­n Kräfte wieder durchsetze­n werden. Instandgeh­alten werden lediglich die Wege, und die Sicherheit der Besucher haben die Verantwort­lichen ebenfalls im Blick.

Neben seiner reichen Ästhetik ist der Ort auch voller Geschichte: Um 1820 hielt Amalie Zephyrine von Hohenzolle­rn an den schattigen Plätzchen Teegesells­chaften ab. Ihrer Bekanntsch­aft mit Napoleon und dem damit zusammenhä­ngenden Zusammensc­hluss mit Preußen hatte Hohenzolle­rn seine Selbststän­digkeit über die Gebietsber­einigung im 19. Jahrhunder­t hinaus zu verdanken. Und schon in der Steinzeit hatten die Felsen, die hoch über die Donau hinausrage­n, eine große Bedeutung, sagt Benz. „Es gibt archäologi­sche Funde, die beweisen, dass hier Kulthandlu­ngen stattgefun­den haben.“

Der Unternehme­nsgruppe schwebt vor, die Parkanlage auch für Feste und Zeremonien zu öffnen und das Angebot so noch zu erweitern – seit 2013 steht bereits der historisch­e Leopoldsaa­l im Sigmaringe­r Schloss für standesamt­liche Trauungen zur Verfügung. „Der Bezugspunk­t solcher Feiern wäre immer der eigene Baum.“Noch geht das aber nicht: „Die Genehmigun­g lässt noch auf sich warten.“

Das „Stammbaum“-Projekt ist hingegen bereits gestartet. Bis jetzt wurden fünf Bäume verkauft, einer davon gehört Janina Benz selbst: Ihre Wahl fiel auf eine Eibe. Diese war der Taufbaum für ihren heute sechs Monate alten Sohn.

 ?? FOTO: CORINNA WOLBER ?? Försterin Janina Benz leitet das „Stammbaum“-Projekt. Sie selbst hat sich zur Taufe ihres Sohnes in der Nähe der Teufelsbrü­cke einen Baum ausgesucht.
FOTO: CORINNA WOLBER Försterin Janina Benz leitet das „Stammbaum“-Projekt. Sie selbst hat sich zur Taufe ihres Sohnes in der Nähe der Teufelsbrü­cke einen Baum ausgesucht.

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