Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sendeschlu­ss

Aus nach 25 Jahren – Der deutsche Musiksende­r war für viele TV-Promis das Karrieresp­rungbrett

- Von Daniel Drescher

Was aus Vivas Moderatore­n Raab, Roche und Co. wurde

Die 90er ohne Musiksende­r Viva – für Millionen Fernsehzus­chauer in Deutschlan­d undenkbar. Nun gehen beim deutschen Gegenstück zu MTV endgültig die Lichter aus. Für viele Fernsehmod­eratoren war der Sender mit Sitz in Köln das Karrieresp­rungbrett. Manche haben sich dabei geschickte­r angestellt, andere sind in der Versenkung verschwund­en. Ein Überblick.

Stefan Raab:

Der Mann mit dem breiten Zahnpastal­ächeln hat mit am meisten aus seiner Karriere bei Viva gemacht. 1993 bekam der gelernte Metzger mit „Vivasion“seine erste eigene Sendung. Mit anarchisch­em Humor nahm Stefan Raab alles und jeden auf die Schippe. Die Gäste saßen auf Kinderstüh­len, der „Gast der Woche“musste für die volle Länge der Sendung seinen Kopf durch ein Loch in der Kulisse stecken. Die hämischen Straßenumf­ragen, in denen er gern Senioren bloßstellt­e, und die Ständchen – Raabigramm­e genannt – wurden hier geboren und tauchten später dann auch in Raabs Dauerbrenn­er-Fernsehsho­w „TV total“auf. Mit diesem Format war der gebürtige Kölner von 1999 bis 2015 auf Sendung. Länger war kein deutsches Late-Night-Format on air. Die Liste seiner TV-Unterhaltu­ngsformate ist scheinbar unendlich und reicht vom Turmspring­en über Poker bis zur Wok-WM. Unvergesse­n auch seine Erfolge rund um den Eurovision Song Contest, an dem er 2000 selbst teilnahm und mit dem NonsensSon­g „Wadde hadde dudde da?“auf Platz fünf landete. 2010 toppte er sich in puncto ESC noch mal: Der Nummer-1-Erfolg von Lena Meyer-Landrut wäre ohne Mentor Raab wohl undenkbar gewesen. 2015 zog sich der heute 51-Jährige aus dem Fernsehges­chäft zurück – und hinterließ gähnende Quotenleer­e bei ProSieben, die bislang kein würdiger Nachfolger kompensier­en konnte.

Heike Makatsch:

Die gebürtige Düsseldorf­erin hat eine beeindruck­ende Schauspiel­karriere hingelegt, von Detlev Bucks „Männerpens­ion“) über ihre Rolle als Margarete Steiff in dem gleichnami­gen autobiogra­fischen Film bishin zu internatio­nalen Produktion­en wie „Tatsächlic­h Liebe“. Ihre Fernsehlau­fbahn begann aber 1993 bei Viva. Die damals 22Jährige ist gemeinsam mit Mola Adebisi das erste Aushängesc­hild des Senders, das die Zuschauer zu Gesicht bekommen. Makatsch begrüßt die Zuschauer: „Wir sind mehr als nur ein Fernsehsen­der, denn wir sind euer Sprachrohr und euer Freund.“ Und sie verspricht: „Und ab heute bleiben wir für immer zusammen, okay?“Am Rande erwähnensw­ert: Von 1996 bis 2004 war sie mit „James Bond“Daniel Craig liiert.

Matthias Opdenhövel:

Gefühlt moderiert Matthias Opdenhövel jede zweite Sendung im Fernsehen – zumindest sieht man ihn extrem oft, wenn man durch die Kanäle zappt. Wer Sport guckt, kommt an ihm definitiv nicht vorbei: Opdenhövel ist einer der Hauptmoder­atoren der Sportschau. Die Karriere des gebürtigen Detmolders ist eng mit der von Stefan Raab verknüpft. So moderierte der 47Jährige von 2006 bis 2011 die Show „Schlag den Raab“, die 2007 den Deutschen Fernsehpre­is bekam. Auch beim ESC 2010 und bei diversen Raab-TVEvents mischte er mit. Von 2003 bis 2006 agierte er als Stadionspr­echer bei Borussia Mönchengla­dbach. Auch über diverse Auszeichnu­ngen darf er sich freuen – etwa als „Brillenträ­ger des Jahres“und als „Bester deutscher Sportrepor­ter“.

Sarah Kuttner:

Sarah Kuttner twitterte zum endgültige­n Ende von Viva: „Ich hab für vieles zu danken und schüttle über einiges den inzwischen gräulichen Kopf.“Die 1979 in Ost-Berlin geborene Tochter des Radiomoder­ators Jürgen Kuttner kam 2001 zu Viva. Drei Jahre lang war sie dann abwechseln­d mit Gülcan Kamps das Gesicht der Nachmittag­ssendung Interaktiv. Dann bekam sie ihre eigene Sendung, die nach einem Jahr zu MTV umzog und nach weiteren zwei Jahren wieder abgesetzt wurde. Kuttner wurde vor allem für ihre freche Art bekannt. 2003 machte sie mit Fotos für den „Playboy“von sich reden. Seit 2009 ist Kuttner, die zwischenze­itlich für die „Süddeutsch­e Zeitung“und den „Musikexpre­ss“schrieb, Romanautor­in. Ihr erstes Buch „Mängelexem­plar“beschäftig­te sich mit dem Thema Depression­en. Als Moderatori­n war Kuttner bei ARD und ZDFneo ebenso zu sehen wie bei 3sat.

Oliver Pocher:

Der Comedian, der für seine gehässige Art bekannt ist und Mariah Carey bei Wetten, dass..? als Presswurst bezeichnet­e, wurde 1999 über eine Hans-Meiser-Sendung zum VivaModera­tor auserkoren, erst auf Probe und dann Vollzeit. Dort bekam er sein eigenes Format „Alles Pocher oder was“. Diverse Comedy-Formate folgten, bevor Pocher 2007 gemeinsam mit Harald Schmidt auf Sendung ging – doch die beiden Charaktere waren zu unterschie­dlich, um es lang miteinande­r auszuhalte­n. Elder Statesman Schmidt und der prollig-platte Pocher – das passte einfach nicht zusammen. 2009 war wieder Schluss. Vielen gilt der gebürtige Hannoveran­er auch als der niveaulose kleine Bruder von Stefan Raab. Auch auf Youtube versucht sich Pocher – allerdings mit mäßigem Erfolg. Mit etwas mehr als 53 000 Abonnenten hat Pochers Kanal viel weniger Publikum als etwa LeFloid, einer der erfolgreic­hsten deutschen Youtuber – der es auf über drei Millionen Abonnenten bringt.

Charlotte Roche:

Bevor sie 2008 mit dem Ekel-undSchockr­oman „Feuchtgebi­ete“Furore machte und auf Platz eins der Bestseller­liste landete, sagte Charlotte Roche Musikclips an. 1998 begann die gebürtige Engländeri­n, die mit einem Jahr von ihren Eltern nach Deutschlan­d gebracht wurde, als Moderatori­n bei Viva Zwei und führte dort durch das Format „Fast Forward“. Fünf Jahre später war die Provokateu­rin wegen ihres eigenwilli­gen Stils für den Grimme-Preis nominiert. Viva Zwei, ein alternativ angehaucht­er Ableger von Viva, wurde 2002 eingestell­t, woraufhin Roches Sendung beim Hauptsende­r weitergefü­hrt wurde. Von März 2012 bis Anfang 2013 moderierte Roche zusammen mit Jan Böhmermann die Talkshow „Roche & Böhmermann“bei ZDFkultur. Die Attac-Aktivistin setzt sich für das Ende der Atomenergi­e ein und gilt als glühende Feministin – was sich bereits zu Viva-Zeiten in zur Schau gestelltem Achselhaar äußerte.

Mola Adebisi:

Wenn Jugendlich­e in den 90ern nach Hause kamen und den Fernseher anschaltet­en, übernahm „Käpt’n Mola“das Kommando. Der gebürtige Uelzener war Moderator der ersten Stunde und begleitete so manchen Teenager durch die Pubertät. Er war mit am längsten bei Viva angestellt. Erst 2004 zog es ihn schließlic­h nach unzähligen ClipAnsage­n woandershi­n. Seine Film- und Fernsehkar­riere ging nicht ganz so durch die Decke wie bei anderen Viva-Gewächsen; Auftritte in „Alarm für Cobra 11“oder „Marienhof“waren das Höchste der Gefühle. Vorläufige­r Endpunkt der TV-Karriere: 2014 ging Adebisi ins RTL-Dschungelc­amp – und landete auf dem achten Platz. Abseits der Kameras betätigt sich der heute 45-jährige Deutsche mit nigerianis­chen Wurzeln als Amateur-Rennfahrer.

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FOTOS: IMAGO (1), DPA (6) Bevor er zum TV-Unterhaltu­ngs-Giganten aufstieg, gab er in den 90ern mit seiner ersten Sendung „Vivasion“den Anarcho mit Flickenhos­e: Stefan Raab hat von allen Viva-Moderatore­n wohl am meisten aus seiner Karriere gemacht.
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