Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kraftwerk auf der Bühne

Schauspiel­er Klaus Maria Brandauer wird 75 Jahre – Auch in Hollywood ein Star

- Von Birgit Roschy, epd

Bei der Verleihung des Auslands-Oscars für „Mephisto“rief Regisseur István Szabó 1982 auch seinen Hauptdarst­eller aufs Podium. Klaus Maria Brandauer ließ sich die Chance für einen Auftritt nicht entgehen: Er umklammert­e Szabó und hüpfte mit ihm über die Bühne. Das Publikum quittierte den für Brandauer typisch berserkerh­aften Elan mit begeistert­em Klatschen.

Beifall ist der furiose Schauspiel­er, der heute 75 Jahre alt wird, von Beginn seiner Karriere an gewohnt. Der vielleicht bekanntest­e zeitgenöss­ische Schauspiel­er deutscher Sprache ist seit den 1970er-Jahren ein Theatersta­r. Sein Name ist untrennbar mit dem Wiener Burgtheate­r verbunden. Das große Publikum aber kennt ihn vor allem als Maximilian Largo, den diabolisch­en Gegenspiel­er von Sean Connery in „James Bond 007 – Sag niemals nie“(1984).

Connery musste den Bühnenküns­tler zu diesem Ausflug ins Kommerzkin­o erst überreden, wie Brandauer erzählt: „We will have a lot of money and a lot of fun“– wir werden viel Geld machen und viel Spaß haben. Mit 550 Millionen Zuschauern war er dann auf dem Weg zum Weltstar.

Seine Abneigung gegen stereotype Nazi-Rollenange­bote führte dazu, dass er nur sporadisch HollywoodE­ngagements hatte. Aber es waren hochkaräti­ge. Als unguter Ehemann von Tania Blixen (Meryl Streep) im romantisch­en Epos „Jenseits von Afrika“erhielt er eine Oscar-Nominierun­g und wurde mit einem Golden Globe ausgezeich­net.

Neben dem Welterfolg „Mephisto“als Alter Ego von Gustav Gründgens drehte er unter Szabós Regie „Oberst Redl“und „Hanussen“über skrupellos­e Emporkömml­inge im autoritäre­n Staat. Mit „Georg Elser Einer aus Deutschlan­d“feierte Brandauer 1979 sein Regiedebüt und übernahm zudem die Titelrolle des gescheiter­ten Hitler-Attentäter­s.

Von Tübingen nach Wien

Seine Karriere begann 1963 am Landesthea­ter Tübingen. Bereits nach zwei Semestern hatte er im Alter von 19 Jahren die Stuttgarte­r Schauspiel­schule verlassen: Während eines Vorspreche­ns, bei dem er einem Freund assistiert­e, wurde er prompt selbst engagiert. Das war außerdem der Tag, an dem sein erster Sohn zur Welt kam.

1972 wurde er Mitglied des Wiener Burgtheate­rensembles, 1996 Professor an der Wiener Schauspiel­schule Max-Reinhardt-Seminar. Angefangen vom „Jedermann“hat er vermutlich alle großen deutschspr­achigen Rollen und die saftigsten Antihelden der Weltlitera­tur „beatmet“, wie er selbst es nennt: Wallenstei­n, Ödipus, den Dorfrichte­r Adam aus dem „Zerbrochen­en Krug“.

Das Theater sei, sagt Brandauer, neben seiner Frau seine große Liebe. Er ist nach dem frühen Tod seiner Jugendlieb­e, Regisseuri­n Karin Brandauer, in zweiter Ehe mit Theaterwis­senschaftl­erin Natalie Krenn verheirate­t. 2014 wurde sein zweiter Sohn geboren.

Am meisten liebt er Shakespear­e, der, wie Brandauer sagt, „Dinge von mir weiß, zu denen ich selber noch nicht vorgedrung­en bin.“Die ikonischen Figuren des britischen Dramatiker­s wie Hamlet, Romeo, King Lear hat er virtuos interpreti­ert. „Der Schauspiel­er Klaus Maria Brandauer ist ein Phänomen“, so beschrieb die „Neue Zürcher Zeitung“seine Shakespear­e-Interpreta­tionen. „Er hat die Gabe, auf der Bühne Mensch zu sein mit allen Perfidien und fatalen Abgründen.“

Doch auch vor der Kamera ist er nach wie vor präsent, im Kino zuletzt etwa in „Der Fall Wilhelm Reich“(2012), im Fernsehen im AlzheimerD­rama „Die Auslöschun­g“(2013).

Geboren im österreich­ischen Bad Aussee wuchs Brandauer in der Steiermark und in Grenzach im Allgäu auf, als Sohn einer Österreich­erin und eines deutschen Zollbeamte­n. „Erst einmal haben die Leute aus meiner Familie zwar mit dem Theater nichts zu tun, aber sie sind sehr gesellige Leute. Mein Großvater war stundenlan­g in den Wirtshäuse­rn und hat gesungen und geratscht“, erzählte er einmal in einem Fernsehint­erview. „Irgendwie waren Leute um mich herum, die gern geredet haben, die gern unterhalte­n haben. Und das wollte ich auch machen.“

Ein Gaukler und Verführer

Kritiker monieren gerne, dass Brandauer seine Rollen mit seinen Manierisme­n „brandaueri­siere“und selbstverl­iebt sei. „Brandauer ist ein Schönheits- und Attraktion­sschauspie­ler, der geradezu süchtig seinem eigenen Charisma verfallen ist“, schrieb Sigrid Löffler. Doch sein berühmter abgründige­r Bubencharm­e, seine mephistoph­elischen Gauklerund Verführerk­ünste, seine samtweiche Stimme, hinter der man den lauernden Choleriker ahnt, verfehlen kaum je ihre Wirkung. „Vielleicht der letzte Volksschau­spieler“urteilte die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“im vergangene­n Jahr.

Brandauer wirkt wie ein Kraftwerk. Sein an seine einstige Schülerin Birgit Minichmayr adressiert­es Lob kann auch für ihn gelten: Nur wenige Schauspiel­er seien in der Lage, ihr Publikum so zu bezirzen, „dass sich jeder bis in den letzten Rang persönlich angesproch­en fühlt.“

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FOTOS (2): DPA Klaus Maria Brandauer hat vermutlich alle großen deutschspr­achigen Rollen im Theater gespielt: vom Jedermann über den Hamlet bis zu Wallenstei­n. Unser Bild zeigt den Burgschaus­pieler als Krapp in einer Inszenieru­ng von Samuel Becketts „Das letzte...
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Klaus Maria Brandauer

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