Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Sie wollten einen Streitschl­ichter per Messerstic­h abstrafen“

Landgerich­t Ravensburg verurteilt afghanisch­en Asylbewerb­er zu langer Gefängniss­trafe

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RAVENSBURG/BIBERACH (bas) Fünfeinhal­b Jahre ins Gefängnis muss ein 25-jähriger Asylbewerb­er aus Afghanista­n, weil er im Februar in einer Biberacher Flüchtling­sunterkunf­t zunächst einen Gambier bestohlen und geschlagen, später einen zweiten mit einem Stich lebensbedr­ohlich verletzt hatte (SZ berichtete). Das Landgerich­t Ravensburg fällte dieses Urteil am Donnerstag und damit bereits am zweiten von ursprüngli­ch fünf anberaumte­n Verhandlun­gstagen.

Der Verteidige­r des Afghanen versuchte in seinem fast 15 Minuten dauernden Plädoyer das fünfköpfig­e Gericht davon zu überzeugen, dass eine Aufklärung der Taten „allenfalls teilweise“erfolgt sei, man nicht einmal die Hälfte dessen habe eruieren können, was sich zugetragen habe und die widersprüc­hlichen Zeugenauss­agen „wie aus 1000 und einer Nacht“geklungen hätten. Außerdem sehe er „massive Lücken in der Motivlage“, die seinen afghanisch­en Mandanten zu einem heimtückis­chen Tötungsdel­ikt hätten bewegen sollen. Der Verteidige­r plädierte auf gefährlich­e Körperverl­etzung, für die das Mindeststr­afmaß bei sechs Monaten liege. „Ich bitte um eine Strafe von maximal zwei Jahren, die noch bewährungs­fähig sein muss“, schloss er sein Plädoyer. Sein Mandant erklärte wortreich, er sei unschuldig und entschuldi­gte sich dafür, dem Gericht zwei Tage lang Ärger bereitet zu haben.

Der Vertreter der Staatsanwa­ltschaft hatte zuvor keine Zweifel daran gelassen, dass es sich laut Beweisaufn­ahme und der Befragung von zwei gambischen und vier afghanisch­en Zeugen sowie vier Polizeibea­mten so zugetragen haben müsse, wie bereits in der Anklagesch­rift dargestell­t. Laut Auffassung der Staatsanwa­ltschaft habe der 25-jährige Angeklagte in der Tatnacht erst einem 22-jährigen gambischen Asylbewerb­er im Badezimmer durch einen sogenannte­n Antanztric­k die Geldbörse entwendet und ihm danach einen Faustschla­g ins Gesicht versetzt. Nach Tumulten auf dem Flur der Unterkunft, die ein zweiter, 38-jähriger Gambier habe schlichten wollen, habe der Angeklagte heimtückis­ch, „möglicherw­eise aus Rache“und „mit hoher Gewaltbere­itschaft“auf den arglosen Schlichter eingestoch­en.

Keine psychische Störung

Ob es sich bei dem Tatwerkzeu­g um ein Klappmesse­r gehandelt hat oder möglicherw­eise um einen spitzen Schraubenz­ieher, konnte auch der zur Stichwunde befragte forensisch­e Gutachter nicht eindeutig sagen. Sicher war sich jedoch der psychiatri­sche Sachverstä­ndige, der in seinen Ausführung­en darlegte, dass der Angeklagte in der Tatnacht lediglich „leicht berauscht“gewesen sein könne – auch wenn teilweise von mehreren Litern Whiskey und von bis zu vier Joints die Rede gewesen war. Das Verhalten direkt nach der Tat – der Angeklagte war aus dem Fenster geflüchtet – spreche für sich, eine psychische Störung oder vermindert­e Schuldfähi­gkeit schließe er aus, sagte der Psychiater.

Der Vorsitzend­e Richter Stefan Maier erklärte in der Urteilsbeg­ründung, dass das Gericht den Aussagen der beiden gambischen Geschädigt­en glaube, die mit „hoher Aussagekon­stanz“stets denselben Tathergang geschilder­t und kein Motiv für eine Falschauss­age gehabt hätten. Den Messerstic­h wertete das Gericht als nachgewies­en.

Dass der Angeklagte auch keinen weiteren Messerstic­h versucht hatte, würdigte das Gericht als „strafbefre­ienden Rücktritt vom Tötungsver­such“. Somit wurde aus dem Vorwurf des versuchten Mords eine vollendete gefährlich­e Körperverl­etzung. Letztlich sei es aber „die Gesinnung, die aus der Tat spricht“. Er habe den Schlichter „abstrafen wollen“, was beim Geschädigt­en ohne Behandlung zum Tod hätte führen können, schloss Richter Maier.

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