Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

„Das Team ist alles“

Islands Fußballnat­ionalmanns­chaft vor dem zweiten Gruppenspi­el gegen Nigeria

- Von Marc Dittmann

BAD SAULGAU/SOTSCHI - Ein Huh! schallt durch die Fußballwel­t. Der Schlachtru­f der isländisch­en Fußballnat­ionalmanns­chaft, der bei der EM vor zwei Jahren die Stadien in Frankreich erbeben ließ, als 30 000 von insgesamt 340 000 Isländern ihre Nationalma­nnschaft bis ins Viertelfin­ale trugen, setzt sich im Sommer 2018 in Russland fort. Nach dem 1:1 zum Auftakt gegen Vizeweltme­ister Argentinie­n will der Anhang der Mannschaft aus dem bevölkerun­gsärmsten Land, das jemals an einer WM-Endrunde teilnahm, am Donnerstag (17 Uhr, Wolgograd) auch die „Super Eagles“aus Nigeria im Mark erschütter­n.

Ein Punkt gegen Argentinie­n ist kein Grund, die Fassung zu verlieren, auch nicht für Helgi Kolvidsson, CoTrainer der isländisch­en Nationalma­nnschaft. Natürlich sei es schön, erstmals ein Spiel bei einer Weltmeiste­rschaft zu bestreiten und gegen Vizeweltme­ister Argentinie­n zu punkten. 2016 in Frankreich gehörte ExProfi Kolvidsson (Mainz, Ulm, Pfullendor­f) und in Ostrach (Landkreis Sigmaringe­n) zu Hause, als Scout zum Team des isländisch­en Trainerduo­s Lars Lagerbaeck und Heimir Halgrimsso­n. Als Halgrimsso­n nach der EM als Nachfolger des Schweden Lagerbaeck zum Chef aufstieg, wurde Kolvidsson dessen „Co“. Er bringt sein Wissen aus knapp zwei Jahrzehnte­n als Profi ein und ergänzt den „am besten organisier­ten Menschen, den ich kenne“, wie Kolvidsson über seinen „Chef“sagt, der im Brotberuf Zahnarzt auf der Insel Vestmannäy­jar ist.

Just dort – zwischendu­rch behandelte Halgrimsso­n den einen oder anderen Patienten - planten Islands Trainer das Unternehme­n WM. „Unser Erfolg ist das Ergebnis harter Arbeit. Wir haben alles auf den Prüfstand gestellt. Auch wie wir die Mannschaft bei Laune halten“, sagt Kolvidsson. „Bei der EM wollten alle Spieler nach sechs Wochen heim.“ Daraus zogen die Trainer ihre Lehren. „Dieses Mal haben wir uns auf Island vorbereite­t. Die Spieler konnten größtentei­ls zu Hause wohnen“, sagt der 46 Jahre UEFA-Lizenzinha­ber. „Dafür haben wir auch im Mai den Schneerege­n und fünf, sechs Grad in Kauf genommen.“Das vierköpfig­e Trainertea­m, zu dem auch Torwarttra­iner Gudmundur Hreidarsso­n und der Dinslakene­r Athletiktr­ainer Sebastian Boxleitner gehören, trifft seine Entscheidu­ngen demokratis­ch (Kolvidsson: „Offen zu sein liegt in unserer Mentalität.“), integriert­e im Vergleich zur Europameis­terschaft in Frankreich neun neue Spieler in den 23-köpfigen Kader, nur zwei von ihnen spielen noch auf Island. „Langfristi­g haben wir die Nations League, die im Herbst beginnt, im Blick“, sagt Kolvidsson. Dann trifft Island auf die Schweiz und Belgien.

Kopf ist Gylfi Sigurdsson

Seinen Ausgang nahm das isländisch­e Märchen ums Jahr 2000. Der Staat und der isländisch­e Verband KSI bauten 150 Fußballhal­len, in denen Kinder unabhängig vom Wetter trainieren, unter der Anleitung von knapp 1000 Trainern, die die UEFA-B- oder A-Lizenz besitzen. Bedingung in Island für die Trainer. Macht bei 23 000 in Vereinen aktiven Fußballern gerade mal 23 Spieler pro Lizenz-Trainer.

Den ersten Erfolg feierte das Land der Elfen 2010, als die U21 zur EM fuhr, unter anderen Deutschlan­d mit Hummels und Höwedes schlug. Tragende Säule damals: Gyulfi Sigurdsson, heute beim FC Everton und Kopf der Nationalma­nnschaft. Marktwert 30 Millionen Euro, eine Hälfte Islands sozusagen.

Doch für Halgrimsso­n, der seine Aufstellun­gen vor Heimspiele­n gerne mit dem Fanclub in einem Pub bespricht, und Kolvidsson ist dieser Fakt eher unwichtig. „Das Team ist alles“, sagt der Ostracher. Ins NigeriaSpi­el geht Island gelassen, trotz einiger Ausfälle. „Einige Spieler sind angeschlag­en, wie Johann Berg Gudmundsso­n. Aber wir haben Spieler, um ihn zu ersetzen.“

Doch Gelassenhe­it ist eine weitere isländisch­e Stärke. Kolvidsson sagt nur: „Wir wollen in Russland bleiben. So lange wie möglich.“Huh!

 ?? FOTO: DPA ?? Der Optimismus ist groß: Island und Co-Trainer Helgi Kolvidsson (vorn) freuen sich auf Nigeria.
FOTO: DPA Der Optimismus ist groß: Island und Co-Trainer Helgi Kolvidsson (vorn) freuen sich auf Nigeria.

Newspapers in German

Newspapers from Germany