Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kein klarer Anführer in Sicht

Rückflug-Tickets für die Weltmeiste­r? Khedira will sie „erst am 16. Juli“– Dennoch fehlt dem DFB-Team ein wahrer Chef

- Von Patrick Strasser

SOTSCHI - Flug SK 2004, von Sotschi nach Berlin, datiert auf den 23. Juni, 23 Uhr, ausgestell­t auf „Die Mannschaft“. Motto: „World Cup to Holiday“, also von der WM ab in den Urlaub. Verpflegun­g an Bord: Speisen und „frei Weißbier“. Diese selbst gebastelte Bordkarte mit Abreise direkt nach Abpfiff am Samstag hielt Ludvig Holmberg von der schwedisch­en Boulevard-Zeitung „Expressen“Weltmeiste­r Sami Khedira am Donnerstag­morgen am Rande des Trainingsp­latzes unter die Nase:

Holmberg: „Wenn Sie am Samstag gegen Schweden verlieren, geht's bereits auf die Heimreise. Darum habe ich hier ein paar Bordkarten für Sie und Ihre Teamkolleg­en.“

Khedira: „Herzlichen Dank. Aber die brauchen wir nicht. Wir wissen, dass wir eine starke Mannschaft haben und sind überzeugt, dass wir das Spiel gewinnen werden.“

Holmberg: „Okay, dann kriegen Sie die Bordkarten vielleicht nach dem Spiel.“Khedira: „Ich denke, wir brauchen die am 16. Juli.“

Der 16. Juli? Der Tag nach dem WM-Finale. Das ist mal ein Statement! Sami Khedira (31), nach dem 0:1 zum Auftakt gegen Mexiko wegen seines Fehlers vor dem Gegentor und seiner teils zu langsamen Spielweise kritisiert, präsentier­te sich zwei Tage vor dem zweiten Gruppenspi­el, das nun schon das erste K.o.-Spiel ist, rein rhetorisch in Bestform: „Wir haben wie Schuljunge­n gespielt, uns auskontern lassen. Wir müssen in allen Mannschaft­steilen kompakter und intelligen­ter spielen, besser umschalten“, sagte der Mittelfeld­spieler, „und besser kommunizie­ren.“

Miteinande­r reden, kommunizie­ren – das war das Thema dieser Tage von Sotschi nachdem die Nationalel­f sich noch am Dienstag in Moskau zu einer Teamsitzun­g mit deutlichen Worten getroffen hatte. Als Wortführer traten neben Kapitän Manuel Neuer und Khedira die Spieler auf, die schon als stellvertr­etender Kapitän aufgelaufe­n sind: Thomas Müller, Toni Kroos, Jérôme Boateng und Mats Hummels. Gegen Schweden wird sich zeigen, wer für „Die Mannschaft“(so lautet ja auch der offizielle Marken-Claim) Verantwort­ung übernimmt. Und wie es wirklich um die Hierarchie, dieses Zusammensp­iel aus Leistung, Erfahrung und soziales Verhalten, bestellt ist. Gegen Mexiko wirkte man führungslo­s. „Das ist der Vorwurf, den wir uns machen müssen, auch ich, definitiv“, sagte Khedira ehrlich, „wir haben nicht reagiert, haben keine Lösungen gehabt“.

Hierarchie ist nicht eindeutig

Das aktuelle Problem: Dieser Mannschaft von Bundestrai­ner Joachim Löw fehlt ein wahrer Chef, auch weil Neuer durch seine langwierig­e Verletzung eineinhalb Jahre lang kaum Länderspie­le bestreiten konnte.

Es ist kein klarer Anführer in Sicht wie einst die alten Haudegen vom Schlage eines Lothar Matthäus, Michael Ballack, Oliver Kahn. Oder man nehme die Doppelspit­ze der WM 2014: Hier Philipp Lahm, der nominelle Kapitän, der Administra­tor, dort Bastian Schweinste­iger, der Stellvertr­eter und emotionale Leader – ein Erfolgsges­pann.

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FOTO: DPA Trotzt auch humorvolle­n schwedisch­en Journalist­en – Sami Khedira versucht im Team voranzugeh­en.

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