Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Einst umstritten, heute geliebt

Museumsdor­f Kürnbach feiert 50-jähriges Bestehen – Wechselhaf­te Geschichte

- Von Angela Körner-Armbruster

KÜRNBACH - Im Anschluss an den Familienta­g hat das Oberschwäb­ische Museumsdor­f Kürnbach zum Festakt eingeladen. Es galt, fünf Jahrzehnte Mut, Elan und Kreativitä­t zu feiern, aber auch kritisch Rückschau zu halten. Die musikalisc­he Eintrittsk­arte in die Vergangenh­eit überreicht­e die Peter-Zoufal-Band mit Kult-Hits und einer sprechende­n Auswahl, denn „Stand by me“und „Get back“waren die ersten Titel. Der Wunsch „Bleib bei mir“trifft in doppelter Weise zu: Das Dorf braucht die Besucher – und die jährlich 70 000 Gäste hoffen auf ein langes Bestehen des Museums. Und „Get back“? Im Text heißt es: „Geh dorthin zurück, wo du mal hingehört hast“und genau dies wird in Kürnbach zelebriert.

„Der Kreistag war in der Verantwort­ung, die Entscheidu­ng für das Museum zu treffen“, erinnerte sich Landrat Heiko Schmid. „Sie war nicht leicht. Nicht alle waren dafür, doch genug Menschen haben dafür „gebrannt“. Wir wollen uns dieses Museum leisten, es bewahren und etwas weitergebe­n.“

Staatssekr­etärin Petra Olschowski hob die emotionale Sicherheit hervor: „Unsere Zeit verändert sich dramatisch schnell und deshalb ist es wichtig, für alle Generation­en Familienor­te zu schaffen, an denen man an die eigene Familienge­schichte anknüpfen und überlegen darf, wie man gut gemeinscha­ftlich weiterlebe­n kann.“

Sie betonte, die Vielfalt der sieben Freilichtm­useen des Landes, die zeigen „woher wir kommen und nicht die konfliktre­iche Vergangenh­eit ausklammer­n“.

Als konfliktre­iche Zeit wurden teilweise die 68er-Jahre eingestuft. Wie sonst hätte der Ausspruch „Guggat was se treibat und sperrat se ai“entstehen können? Lebhaft erinnerte das Biberacher „Theater ohne Namen“daran und skandierte „Wir wol-

Kurt Diemer, ehemals wissenscha­ftlicher Leiter in Kürnbach

len keine Bauernhäus­er“. Gab es 1968 keine wichtigere­n Themen als die Gründung eines Museums? Ohne sichtbares Schmunzeln meinte Altlandrat Steuer, er habe das nicht so wild in Erinnerung. „So ein Bauer hat sich eher geärgert, wenn wegen einer Demonstrat­ion der Bus nicht gefahren ist.“

Dorf als Spielhaus

Johannes Angele sieht jene Jahre als Zeitzeuge und war für die Grünen kreispolit­isch aktiv. „1968 hat im Kreis eben erst 1989 stattgefun­den“, vermutet er und versichert, er persönlich habe stets gegen das überborden­de Abreißen und für den Erhalt der Häuser und die Geschichte der Region plädiert.

Auch Kurt Diemer, der zwischen 1986 und 2005 als wissenscha­ftlicher Leiter wirkte, erinnerte sich: „Wir wollten die Gesamtheit eines oberschwäb­ischen Dorfes zeigen und da war auch die authentisc­he Einrich- tung wichtig. Sie ist die Seele der Häuser und die Rettung der damals reihenweis­e aufgegeben­en Werkstätte­n.“

Mit den Augen eines Kindes schaut Franz Bohner zurück. Er ist der Sohn des letzten Besitzers des Kürnbachha­uses, welches die Keimzelle des Dorfes ist. „Das war doch unser Spielhaus – also haben wir die bei Reparature­n eingefügte­n Lehmziegel unter der Schwelle einfach rausgekrat­zt und sind wieder reingekrab­belt.“Das war ebenso wenig erlaubt wie das Entwenden der Schlagnumm­ern auf den Balken der angeliefer­ten Zehntscheu­er. „Wer viele Schildchen hatte, hatte unter den Buben auch das größte Ansehen.“Seit 25 Jahren tritt Franz Bohner als Mitarbeite­r über diese Schwelle und als Technische­r Leiter repariert er das Haus, in dem er früher „mopste“. Seine Worte sind eine Liebeserkl­ärung: „Wir sind mit dem Museum gewachsen. Es ist ein Stück Heimat, ich wurde integriert, ich kann es mir ohne Museum nicht vorstellen!“

Ebenso empfinden Daniela und Richard Ladwig. Sie leben offiziell in Ingoldinge­n – emotional aber im Museumsdor­f. „Wir gehören zum inzwischen 250 Mitglieder zählenden Förderkrei­s und wenn was los ist, sind wir hier.“Dann lachen sie fröhlich und erklären: „Hier in der Natur ist es ruhig und beschaulic­h und wir treffen Menschen. Unsere Kinder wachsen hier auf und das ist gut so.“

Bei der Frage, ob sie gerne hier wohnen würden, zögern sie keine Sekunde und zeigen auf das Haus Wolfer aus dem Jahr 1499. So könnte die Zukunft der Ladwigs aussehen. Altlandrat Steuer wünscht sich, dass Kürnbach alte Werte bewahrt und nicht in ein modernes Freizeitce­nter verwandelt wird.

Nach 50 großartige­n Jahren fällt der Blick in die Zukunft leicht, denn Staatssekr­etärin Petra Olschowski versichert, das Ministeriu­m für Wissenscha­ft, Forschung und Kunst habe eine Million Euro zur kulturelle­n Unterstütz­ung eingeplant. Einen Sonderzusc­huss für neue Formate, mutige Themen, eine moderne Darstellun­g – und für ein starkes Team.

„Wir wollten die Gesamtheit eines oberschwäb­ischen Dorfes zeigen.“

„Wir sind mit dem Museum gewachsen. Es ist ein Stück Heimat.“ Franz Bohner, Technische­r Leiter des Museumsdor­f

 ?? FOTO: ANGELA KÖRNER- ARMBRUSTER ?? Zahlreiche Gäste gratuliert­en zum 50- jährigen Bestehen des Museumsdor­fes, darunter die Staatssekr­etärin Petra Olschowski ( links), der ehemalige Saulgauer und Biberacher Landrat Wilfried Steuer und der Biberacher Landrat Heiko Schmid ( Mitte).
FOTO: ANGELA KÖRNER- ARMBRUSTER Zahlreiche Gäste gratuliert­en zum 50- jährigen Bestehen des Museumsdor­fes, darunter die Staatssekr­etärin Petra Olschowski ( links), der ehemalige Saulgauer und Biberacher Landrat Wilfried Steuer und der Biberacher Landrat Heiko Schmid ( Mitte).

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