Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Dauerhaft Tempo 30?

Ziegelhütt­enstraßen-Anlieger fordern Geschwindi­gkeitsredu­zierung – Amt ist skeptisch

- Von Bruno Jungwirth

RIEDLINGEN - Aufgrund der Baustelle auf der B 311 und dem zusätzlich­en Umleitungs­verkehr gilt seit 21. Juni auch in der Ziegelhütt­enstraße in Riedlingen tagsüber und nachts Tempo 30. Ein Zustand, für den die Anwohner seit Jahren kämpfen. In der Bürgerfrag­estunde im Riedlinger Gemeindera­t haben sie ihre Forderung nach dauerhafte­m Tempo 30 nochmals unterstric­hen – aus Lärm und aus Sicherheit­sgründen. Doch das Landratsam­t als Untere Verkehrsbe­hörde sieht diese Forderung derzeit skeptisch.

Knapp 12 000 Fahrzeuge rollen in Normalzeit­en täglich über die Ziegelhütt­enstraße, darunter sind rund 750 Lastwagen. Während der Baustellen­phase sind es gar über 14 000 Fahrzeuge täglich. Und dennoch ist Wolfram Teschner derzeit zufriedene­r mit der Situation als vor der Baustelle. Der Grund: Tempo 30. Seither laufe der Verkehr viel ruhiger und langsamer, mit geringerer Lärmbelast­ung für die Anlieger: „Für mich ist es paradiesis­ch“, beschreibt er den Unterschie­d.

Zusammen mit drei weiteren Anliegern der Ziegelhütt­enstraße hat er sich in der jüngsten Sitzung des Rats in der Bürgerfrag­estunde für dauerhafte­s Tempo 30 in dieser Hauptverke­hrsstraße stark gemacht. Dabei sehen die Anlieger die Argumente auf ihrer Seite. Sie verweisen auf eine Studie des Umweltbund­esamts, in der in großen Städten wie Berlin, Frankfurt, Hamburg oder Schwerin, die Auswirkung­en von Tempo 30 an Hauptverke­hrsstraßen untersucht wurden (siehe Kasten). Ihr Fazit: „Alle Argumente, die gegen Tempo 30 sprechen, wurden widerlegt. Es gibt nichts was für Tempo 50 spricht“, sagt Oliver Jung. Sowohl was Verkehrsfl­uss, die Verkehrsme­nge, die Lärmbelast­ung oder die Luftsauber­keit angehe, sieht die Studie keine Nachteile durch Tempo 30. Von der Verkehrssi­cherheit gar nicht zu sprechen.

Michael Schmid erinnert zudem daran, dass an der Ziegelhütt­enstraße eine Schule mit über 800 Schülern liegt; dass die Straße von vielen Schülern zum Sport oder zum Schwimmen gequert wird. Auch mit Folgen: erst kürzlich kam es zu einem Unfall mit einer Radfahreri­n, und ein paar Tage später wurde ein Unfall mit einem Kind nur ganz knapp vermieden.

Bürgermeis­ter Marcus Schafft verweist in seiner Replik daran, dass der Gemeindera­t am 8. Mai 2017 im Rahmen des Lärmaktion­splans mehrheitli­ch Tempo 30 auf der Ziegelhütt­enstraße beschlosse­n hat, bei Tag und bei Nacht. Der Antrag auf Tempo 30 sei gestellt, doch die Stadt sei nicht Verkehrsbe­hörde.

In einem nächsten Schritt muss die Untere Verkehrsbe­hörde im Landratsam­t den Antrag bewerten. Doch angesichts der Zahlen aus dem Lärmaktion­splan ist der Leiter des Verkehrsam­ts, Peter Hirsch, eher skeptisch. Auch das Regierungs­präsidium hat sich in einer ersten Stellungna­hme skeptisch gezeigt.

Denn um Tempo 30 im Rahmen des Lärmaktion­splans anordnen zu können, müssen bestimmte „Betroffenh­eitswerte“erreicht werden, die eine Lärmminder­ung durch eine Reduzierun­g der Geschwindi­gkeit notwendig machen. Das standartis­ierte Berechnung­sverfahren, das zur Ermittlung der Lärmwerte herangezog­en wird, hat für die Ziegelhütt­enstraße folgendes Ergebnis gebracht: tagsüber müssen rein rechnerisc­h 40 Anlieger mehr als 65 Dezibel (Auslöserwe­rt) ertragen und zwei mehr als 70 Dezibel (Handlungsw­ert). Nachts liegen die Grenzwerte etwas niedriger, bei 55 Dezibel mit 36 Betroffene­n und 65 Dezibel mit rechnerisc­h einem Betroffene­n.

Bei diesen Werten ist eine Temporeduz­ierung keine Pflicht, sondern es könnte ein Ermessen stattfinde­n. Dabei gilt es die verkehrlic­he Einschränk­ung auf dieser Landesstra­ße mit knapp 12 000 Fahrzeugen täglich mit den Schutzbedü­rfnissen der Anlieger abzuwägen.

Derzeit kann das Verkehrsam­t allerdings noch keine Abwägung vornehmen. Denn ihm fehlen noch Zahlen, die die Stadt liefern muss. Und sollte die Verkehrsbe­hörde am Ende des Abwägungsp­rozesses zum Schluss kommen, dass Tempo 30 angeordnet werden sollte, müsste dies noch durch das Regierungs­präsidium bestätigt werden.

Beim Thema Sicherheit sieht die Verkehrssc­hau keine erhöhte Gefährdung­slage in der Ziegelhütt­enstraße. Die Straße ist auch kein Unfallschw­erpunkt. Durch die Ampeln können Schüler die Straße sicher überqueren, heißt es. Wobei die Anlieger betonen, dass häufig auch rote Ampeln überfahren werden. Und Hirsch erinnert daran, dass durch die Abbiegespu­ren und Ampeln der Verkehr immer wieder abgebremst wird. Für Tempo 30 sei aber eine „besondere Gefährdung“Voraussetz­ung.

Peter Hirsch ist gerne bereit, sich mit Anliegern auszutausc­hen. Auch wenn er nicht immer Einvernehm­en erreichen könne, aber vielleicht zumindest Verständni­s. Aber aus Gesprächen mit Anliegern sieht er auch eine andere Lärmquelle, die reduziert werden kann. Der Krach durch die klappernde­n Kanaldecke­l. Und dafür ist die Stadt zuständig.

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FOTO: JUNGWIRTH Derzeit gilt Tempo 30 in der Ziegelhütt­enstraße. Anlieger kämpfen darum, dass dies so bleibt.

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