Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hohe Erwartungshaltung, hoher Druck
Nicolas Fink, Experte für Markenmanagement im Sport über die Fehler und Fehlersuche der DFB-Elf nach dem Aus
RIEDLINGEN (sz) - Die Fußball-WM ist immer noch allgegenwärtig. Nachdem „Die Mannschaft“nicht den Sprung von der Gruppenphase in die K.O.-Runde schaffte, begann die Fehlersuche, um das frühe Ausscheiden zu erklären. Nicolas Fink, Experte für Markenmanagement und Öffentlichkeitsarbeit im Sport an der SRH Fernhochschule mit Sitz in Riedlingen gibt einen Rückblick auf das Projekt WMVerteidigung und welche Punkte in der Kommunikation schief gelaufen sind.
„Der hohe Erwartungsdruck der Öffentlichkeit war eine enorme Belastung für die Spieler. Der von dem Sponsor Mercedes Benz kreierte Slogan „Best Never Rest“steigerte diese Erwartungshaltung noch“, weiß Medienexperte Fink. Die übermäßige Darstellung des Slogans in allen Posts aus den Trainingseinheiten und in der Werbung stärkten den Effekt, da in der Öffentlichkeit eine hohe Erwartungshaltung kreiert wurde.
Doch nicht nur der Werbe-Slogan bewegte die Öffentlichkeit, sondern auch das Verhalten der Spieler während der Weltmeisterschaft sorgte für Diskussion und Unruhe. Eine Medienanstalt griff das Thema Fanselfie mit Julian Brand intensiv auf. So hatten die Kameras in der WM-Arena eine Szene aufgeschnappt, in welcher Julian Brandt ein Selfie mit Fans macht und dabei in die Kamera lächelt. Dies wurde zu einem Skandal aufgebauscht, da die Mannschaft unmittelbar zuvor gegen Mexiko verloren hatte und ein Lächeln nicht angemessen wäre. „Solche Aufreger lenken die Profispieler meistens nur unnötig von ihrer eigentlichen Aufgabe ab. Es ist ein Teufelskreis: Die Fans wollen auf der einen Seite ihre Idole zum Anfassen haben und nehmen hierzu Reisen bis nach Russland auf sich, andererseits wird es den Fußballern dann wieder negativ ausgelegt.“
Ein weiterer Aspekt war die Kritik der Spieler an der Mannschaftsleistung. „Experten sprachen von einem „Tabubruch“, als Spieler öffentlich die Leistungen der Mannschaft kritisch hinterfragten und damit Probleme offenbarten“, so Fink. Dagegen habe die Öffentlichkeit positiv und verständnisvoll reagiert, da die Spieler verdeutlichen, dass es Ihnen ernst mit der WM, den Leistungen und den einzelnen Spielen ist. Standardphrasen, wie „müssen wir besser machen“oder auch, dass „die Defensive stabilisiert werden muss“wären einfach nicht passend gewesen.
Die Offenheit und Kritik der Spieler ist, solange sie objektiv und sachlich ist, in der Öffentlichkeit gerne gesehen und entspricht nicht einem Tabubruch. „Es lassen sich wieder emotionsgeladene Spieler erkennen, die für den Sport, ihr Land oder ihren Club ’brennen’. Der Fußball ist reif für Charaktere, wir müssen ihnen aber auch den Platz dazu lassen“, so Fink.
Neben der eigenen kritischen Betrachtung äußerten sich die Spieler jedoch auch kritisch über die Berichterstattung der Medien. Durchgehend tummelten sich Vertreter unterschiedlicher Presse- und Medienanstalten bei der Mannschaft im WMLager. Diese stellten das Bindeglied zwischen Heimatland, Fans und der Mannschaft dar. „Die Aufgabe der Journalisten ist es, sportfachlich bzw. sachlich-kritisch zu berichten. Dieser Aufgabe müssen die Reporter vor Ort nachkommen.“Das bedeute jedoch nicht im Umkehrschluss, dass die Bevölkerung nicht weiterhin die Mannschaft unterstützt, nur weil die Fragen der Reporter in während der WM deutlich kritischer ausgefallen sind, so Fink. „Bei sportlichen Talfahrten müssen Reporter ihrem Auftrag der sachlichen Berichterstattung nachgehen, dies müssen die Sportler verstehen und nicht darauf schließen, dass alle Fans gegen sie sind“, so Fink weiter.
Weitere Aspekte, welche die öffentliche Sicht auf die Nationalmannschaft beeinflusst haben, waren unter anderem der „Skandal“um die Spieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan: „Dieser öffentliche Druck auf Özil und Gündogan geht an den beiden nicht spurlos vorbei, dies konnten wir bei den WM-Spielen feststellen. Die Thematik wird sogar dadurch noch kritischer, dass Mannschaftskameraden ihre eigene und nicht unbedingt positive oder eine verteidigende Meinung gegenüber der Situation haben. Diese Stimmung wirkt sich auf im Team aus“, schildert Fink.