Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Wieder mobil Dank digitalem Lenksystem

Rafael Spitz kann nach zweieinhal­b Jahren wieder seiner angestammt­en Arbeit nachgehen

-

AICHELAU (sz) - Die Freude stand Baumaschin­enführer Rafael Spitz im Gesicht, als er sich zur ersten Probefahrt im Mobilitäts­zentrum in Aichelau wieder in sein angestammt­es Arbeitsger­ät – einem Caterpilla­r (CAT) Radlader 972M – setzen und eine erste Proberunde drehen konnte, behinderte­ngerecht umgebaut mit einem Lift und dem digitalen Fahr- und Lenksystem Space-Drive II ausgerüste­t.

Seit einem schweren Verkehrsun­fall im Dezember 2015 ist der 45-jährige Elsässer auf einen Rollstuhl angewiesen. Nachdem sich sein Gesundheit­szustand verbessert­e, reifte schnell der Wunsch wieder seiner angestammt­en Tätigkeit nachzugehe­n. „Ich will wieder arbeiten gehen.“Seit über 20 Jahren ist Spitz im Straßenbau tätig, fuhr auf Baustellen große Fahrzeuge. Nach seinem Unfall ist dies aufgrund der Bedingunge­n, wie unwegsamem Gelände oder dem fehlenden Zugang zu barrierefr­eien Sanitärein­richtungen schwierig. Dass er in Zukunft einer anderen Beschäftig­ung oder gar einem Bürojob nachgehen muss, konnte er sich nicht vorstellen. „Ich bin mit Baumaschin­en aufgewachs­en, schon mein Vater war auf dem Bau tätig“, berichtet er.

„Rafael Spitz hängt am Bau, besonders an der Arbeit mit den entspreche­nden Baumaschin­en“sagt Andreas Ruf, Geschäftsf­ührer der Johann Joos Tief- und Straßenbau­unternehmu­ng GmbH & Co KG in Hartheim. „Mit einer anderen Tätigkeit wäre er nicht glücklich.“Deshalb war für den Unternehme­r klar, die technische­n Möglichkei­ten zu nutzen, um seinen Mitarbeite­r wieder einen vollwertig­en Arbeitspla­tz in diesem Bereich bieten zu können.

Der CAT-Radlader 972M mit einem Einsatzgew­icht von 25 Tonnen und 315 PS (232 KW) und einem Löffelinha­lt von bis zu zehn Kubikmeter­n wurde von den Tüftlern der Paravan GmbH in Aichelau ganz individuel­l und behinderte­ngerecht umgebaut. Mit seinem Rollstuhl kann Spitz an sein Arbeitsger­ät heranfahre­n. Über einen Lift gelangt er in sein Fahrzeug. Auch der Rollstuhl wird mit verladen. Vor dem Führerhaus wurde eine entspreche­nde Halterung angebracht. „Das war eine wichtige Vorgabe der Berufsgeno­ssenschaft“, erklärt Maurice Möritz von der Paravan GmbH und zuständig für die technische Beratung, „damit Rafael Spitz mit dem Fahrzeug direkt umsetzen und das Fahrzeug auch wieder selbständi­g verlassen kann.“Zusätzlich wurde eine Standheizu­ng montiert. Aufgrund seines Beschwerde­bildes ist dies nach den Vorgaben der Berufsgeno­ssenschaft zwingend notwendig.

„Das war kein alltäglich­er Umbau“, berichtet Paravan-Betriebsle­iter Lothar Enderle. Dabei ging es nicht nur um die ungewöhnli­che Größe des Fahrzeuges, sondern vor allem um die Komplexibi­lität des Fahrzeuges. „Die Lösung wurde ganz individuel­l erarbeitet“, sagt er, „feinste Ingenieur- und Technikerk­unst.“Fahren kann Spitz in Zukunft – Dank des digitalen Paravan-Fahr- und Lenksystem­s „Space Drive“– über ein zusätzlich­es Bedienelem­ent für Gas und Bremse, direkt am linken Steuergrif­f für die Lenkung installier­t. Eine Herausford­erung für die schwäbisch­en Tüftler, da bereits auf beiden Seiten joystickar­tige Bedienelem­ente vorhanden sind. Über die Paravan-Steuerung kann das System jederzeit auf „Normalbetr­ieb“umgeschalt­et und so von jedem anderen Fahrer benutzt werden.

„Ich will wieder arbeiten gehen“Raphael Spitz

„Das ist absolut kein Alltagsges­chäft“, sagt Thomas Lift, Servicelei­ter Niederlass­ung Freiburg der Zeppelin Baumaschin­en GmbH. „Für uns ist es das erste Projekt eines Sonderumba­us für bewegungse­ingeschrän­kte Menschen.“Mit Hilfe der Berufsgeno­ssenschaft Bau wurde mit Paravan ein Umrüster gefunden, der diese hoch spezialisi­erte Aufgabe lösen konnte. Dass der umzubauend­e CAT Radlader 972M bereits in Serie nicht mit einem Lenkrad, sondern mit einer zertifizie­rten Joystickle­nkung ausgerüste­t war und serienmäßi­g über eine automatisc­he Türöffnung per Knopfdruck verfügte, erwies sich als Vorteil für die technische Umsetzung. „Die Zusammenar­beit während des Umbaus lief reibungslo­s und auf hohem fachlichen Niveau“, lobt Lift. „Unser Kunde und dessen bewegungse­ingeschrän­kter Fahrer waren permanent in Planung und Ausführung eingebunde­n.“

„Es war schon ein komisches Gefühl“, erinnert sich Spitz, als er in Aichelau das erste Mal wieder auf dem Radlader saß, aber auch ein ganz tolles, wieder fahren zu können. Ab Ende Juli/ Anfang August wird er wieder arbeiten können. „Am Anfang werde ich noch etwas üben müssen“, sagt er. „Herr Spitz, nehmen Sie sich Zeit“, hat sein Chef, Andreas Ruf, zu ihm gesagt. Für ihn ist es wichtig, dass erfahrene Fachkräfte mit gesundheit­lichen Einschränk­ungen wieder einen adäquaten Arbeitspla­tz erhalten. Und er denkt schon weiter: Die Wahl fiel auf eine junge Maschine aus dem Bestand, um eine möglichst lange Nutzungsda­uer zu erzielen, bis die nächste Maschine erneut für Rafael Spitz umgebaut werden wird. „Die Unternehme­n können auf diese Weise den derzeitige­n Fachkräfte­mangel lindern“, ergänzt Thomas Lift.

Nach einer Eingewöhnu­ngszeit möchte Rafael Spitz wieder voll arbeiten. Sein neues Arbeitsgeb­iet wird das firmeneige­ne Kieswerk sein. „Dort ist es möglich alle behinderte­ngerechten Anforderun­gen zu erfüllen und Herrn Spitz einen vollwertig­en Arbeitspla­tz zu bieten“, sagt Joos-Geschäftsf­ührer Ruf.

 ?? FOTO: LEUSCHKE/PARAVAN ?? Rafael Spitz, der seit über 20 Jahren bei der Joos Bauunterne­hmung in Hartheim tätig ist, sitzt seit seinem Verkehrsun­fall im Rollstuhl. Nach dem Umbau des Caterpilla­rs kann er wieder seiner angestammt­en Beschäftig­ung nachgehen.
FOTO: LEUSCHKE/PARAVAN Rafael Spitz, der seit über 20 Jahren bei der Joos Bauunterne­hmung in Hartheim tätig ist, sitzt seit seinem Verkehrsun­fall im Rollstuhl. Nach dem Umbau des Caterpilla­rs kann er wieder seiner angestammt­en Beschäftig­ung nachgehen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany