Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Bedrückende Szenen einer Fluchtgeschichte
Kunstmuseum Ravensburg führt die Reihe „Projektionen“mit „Pre-Image (Blind as the Mother Tongue)“fort
RAVENSBURG (bac) - Mit dem dritten Film in der Reihe „Projektionen“stellt das Kunstmuseum Ravensburg eine weitere Facette der Erinnerung vor. „Pre-Image (Blind as the Mother Tongue)“nennt sich das 18minütige Werk des irakisch-kurdischen Künstlers Hiwa K. Es ist mehr als nur ein Beitrag zur aktuellen Flüchtlingsproblematik, geht der international renommierte Film- und Installationskünstler das Thema doch aus einer ungewohnten Perspektive an.
Auf der documenta 14 in Athen und Kassel avancierte er zu einem der Lieblingskünstler des Publikums. Das vor allem mit seinem aus 60 Röhren gestapelten Kunstwerk vor dem Fridericianum, ausgestattet mit Möbeln und überlebenswichtigen Dingen. Eingerichtet von Kasseler Studenten als „provisorische Behausung“, als temporärer Schlafplatz. Er sei die Entdeckung des Sommers 2017, stellte Museumsleiterin Ute Stuffer den 1975 in Sulaimaniyya in Kurdistan geborenen Hiwa K. vor.
Seit 20 Jahren lebt er in Deutschland. In dem 2017 gedrehten Videofilm blickt er auf seine Flucht aus dem Nordirak zurück. Er rekonstruiert seine Fluchtroute in Teilabschnitten, aber nicht einfach so. Während sich auf der überdimensionalen Projektionsfläche im Foyer eine grün bewaldete Landschaft eröffnet, beginnen Hiwa K.’s Hände an einer Metallstange herumzuschrauben. Befestigt sind oben eine Reihe von Motorradspiegeln. Derart, dass sie ihm erlauben, bis zu acht Perspektiven auf einmal im Blick zu behalten. Sobald er sich den Stab auf den Nasenrücken setzt und losläuft. Anfangs will man nicht recht glauben, dass dieser ungeheure Balanceakt gelingen kann. Unsicher, tastend und schwankend bewegt er sich vorwärts, beständig den Blick nach oben hin zu den Spiegeln gerichtet.
„Pre-Images“(Urbilder) bringen das Bruchstückhafte zum Ausdruck. Sie beleuchten einzelne Stationen dieser Fluchtroute, die eine Gruppe aus 53 Leuten 180 Kilometer durch Griechenland führte. Des Nachts und in ständiger Angst, von der griechischen Polizei entdeckt zu werden.
Er schläft drei Wochen in Röhren in der Hoffnung, dass einer der Lkw auf eines der großen Schiffe fahren und ihn als blinden Passagier einschleusen würde. An dieser Stelle verdunkelt sich die Bildfläche und er wechselt in seine Muttersprache über. Wohin fährt das Schiff und was, wenn es niemals ankommt, sind ihn begleitende existenzielle Fragen. Die Erinnerung an die Überfahrt ist eine der bedrückendsten Szenen.
„Pre-Image“ist bis 19. August, Dienstag bis Sonntag, 11 bis 18 Uhr, zu sehen.