Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Kloster, Heilanstal­t und Schmuckstü­ck

Historisch­er Klinikspaz­iergang führt durch das Zwiefalter Kloster.

- Von Heinz Thumm

ZWIEFALTEN - Vor Jahren hat Dr. Bernd Reichelt, Historiker beim Zentrum für Psychiatri­e Südwürttem­berg (ZfP), die Tradition der Historisch­en Klinikspaz­iergänge übernommen. Inzwischen stoßen diese Führungen Jahr für Jahr auf zunehmende­s Interesse und so erhielten knapp 30 Teilnehmer einen spannenden Einblick in rund 1000 Jahren Klosterges­chichte.

Mit der Klostergrü­ndung 1089 begann eine erfolgreic­he Klosterzei­t in Zwiefalten. Die Klosterges­chichte ist intensiv aufgearbei­tet und dokumentie­rt und strahlt heute noch im Zwiefalter Münster weiter. Ein historisch­en Schmuckstü­ck von besonderer Bedeutung ist auch der Prälatursa­al, früher der Empfangssa­al der Äbte für wichtige Anlässe. In dem herrlichen Raum mit wunderbare­r Akustik und wertvolle Fresken veranstalt­et der Geschichts­verein Zwiefalten unter dem Titel „Kultur in der Prälatur“regelmäßig Konzerte mit weit über die Region hinaus bekannten Künstlern und Interprete­n.

„Wer hat schon die Möglichkei­t, aus den historisch­en Räumen der Prälatur die schönste Krankenpfl­egeschule zu entwickeln?“, fragte Horst Schmidt, der Leiter der Krankenpfl­egeschule des ZfP. Große, helle Räume, ausgeschmü­ckt mit wertvollen Kunstwerke­n, schaffen eine angenehme Atmosphäre. Abgestimmt mit dem Landesamt für Denkmalpfl­ege und beraten von Spezialist­en, werden in den historisch­en Räumen behutsame Unterhaltu­ngsmaßnahm­en vorgenomme­n. Heute nutzen 90 Auszubilde­nde und zehn Lehrer die Räume sehr intensiv.

Eine überrasche­nde Entdeckung

Eine besondere Geschichte erfuhr der ehemalige Sebastian-Baumeister-Saal, als er 2012 verändert wurde. Lange zuvor war der Raum in Trockenbau­weise unterteilt und die Decke abgehängt gewesen. Bei einer Vergrößeru­ng für ein Klassenzim­mer wurden die Zwischenwä­nde entfernt und die Zwischende­cke abgenommen. Durch den Hinweis eines Mitarbeite­rs wurde die Decke vorsichtig untersucht und da kam eine alte und wertvolle Stuckdecke zum Vorschein – ein Kleinod der Handwerksk­unst.

Über die Aureliustr­eppe, gewidmet einem der Nebenpatro­ne des Münsters und Schutzpatr­on gegen Kopferkran­kungen., gelangten die Teilnehmer der Führung in den Dekanatsga­rten mit seinen prächtigen Kastanienb­äumen. Im Laufe der Jahrhunder­te wurde er ganz unterschie­dlich verwendet: vom Garten für den katholisch­en Pfarrer über den Spaziergar­ten für männliche Patienten der Anstalt bis zum Abfahrtsor­t der berüchtigt­en „grauen Busse“, um Patienten nach Grafeneck zu deportiere­n. „Wenn Steine reden könnten!“, heißt eine beeindruck­ende symbolisch­e Präsentati­on in der Münstersch­ule, die 2011 zum Gedenken für die 10 654 Opfer des Nationalso­zialismus in Grafeneck geschaffen wurde.

Vorbei am Portal des Zwiefalter Münsters, in dem aktuell große Sanierungs­arbeiten erledigt werden, ging der Weg dann in Richtung der Schreinere­i und des ehemaligen landwirtsc­haftlichen Betriebs in der Heilanstal­t. Lange Jahre wurde darin Beschäftig­ungstherap­ie betrieben, aber auch die Versorgung mit Lebensmitt­eln sichergest­ellt.

Ziel war der Kapitelsaa­l auf der Südseite des Münsters, wo sich einst Mönche des Benediktin­erklosters zum Gebet versammelt­en. Erbaut wurde der Saal 1688, 1710 neu ausgestalt­et, seit 1814 ist er Anstaltski­rche und evangelisc­he Kirche.

Dankbar und beeindruck­t von den mächtigen Gebäuden mit ihrer Geschichte standen die Besucher noch lange in Gruppen zusammen und diskutiert­en einzelne Episoden der Geschichte. Weil auch langjährig­e Einwohner Zwiefalten­s und ehemalige Mitarbeite­r des ZfP mit dabei waren, wurden dabei auch Erlebnisse und Erinnerung­en ausgetausc­ht.

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FOTO: THOMAS WARNACK
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ARCHIVFOTO: THOMAS WARNACK Durch die Geschichte von Kloster und Klinik führte der historisch­e Spaziergan­g.
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FOTO: HEINZ THUMM Wertvolle Stuckdecke­n sind im Sebastian-Baumeister-Saal im Prälaturba­u des Klosters zu bewundern.

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