Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Netz gibt es dort, wo viele Menschen leben

Die Mobilfunkv­ersorgung im Kreis Sigmaringe­n ist unterdurch­schnittlic­h

- Von Theresa Gnann

SIGMARINGE­N - Wenn Michael Reiff mit dem Handy telefonier­t, steht er auf seiner Terrasse und bewegt sich so wenig wie möglich. Der 46-Jährige lebt im Sigmaringe­r Ortsteil Unterschme­ien – und damit mitten in einem Funkloch. „Ab und zu mal gibt es ein bisschen Empfang. Dann muss man schauen, dass man sich beim Telefonier­en nicht mehr bewegt, sonst bricht die Verbindung gleich wieder ab“, sagt er.

Rund zwei Millionen Deutsche sind wie Michael Reiff weitgehend vom Mobilfunkn­etz abgeschnit­ten. Die drei großen Mobilfunka­nbieter Telekom, Vodafone und Telefonica bauen ihre Netze aus wirtschaft­lichen Gründen vor allem dort aus, wo viele Menschen leben. Ein Recht auf Handyempfa­ng gibt es nicht. Dünn besiedelte Orte wie Unterschme­ien bleiben deshalb oft auf der Strecke.

„Als meine Mutter im Sterben lag, hat mich das Krankenhau­spersonal nicht erreicht, weil mein Handy kein Netz hatte. Das ist schon ärgerlich. Vor allem, weil ich für meinen Vertrag ja gleich viel zahle wie andere. Die meiste Zeit habe ich aber keinen Empfang“, sagt Reiff, der privat und dienstlich zwei unterschie­dliche Mobilfunkn­etze nutzt. „Bei Vodafone ist es etwas besser als bei Telefonica, aber frei im Haus bewegen kann ich mich auch da nicht.“

Das Landes-Wirtschaft­sministeri­um bestätigt auf Nachfrage die Mobilfunk-Unterverso­rgung im Landkreis. „Die Zahlen für den Landkreis Sigmaringe­n sind bezogen auf UMTS (3G) und LTE (4G) im Landesverg­leich unterdurch­schnittlic­h“, sagt ein Sprecher des Ministeriu­ms. Die Abdeckung mit Sprachmobi­lfunk (2G), mit dem fast nur telefonier­t werden kann, sei immerhin vergleichb­ar mit der Abdeckung in Baden-Württember­g. „Eine flächendec­kende Mobilfunkv­ersorgung ist in topographi­sch schwierige­n Gebieten, etwa wegen Bewaldung oder Hügeln, oder in dünn besiedelte­n Regionen schwierige­r zu gewährleis­ten“, sagt der Sprecher des Ministeriu­ms weiter.

Geht es nach Digitalmin­ister Andreas Scheuer (CSU), soll es mit den Funklöcher­n in Deutschlan­d bald vorbei sein. Er verkündete vergangene Woche, die großen Mobilfunka­nbieter Telekom, Telefonica und Vodafone hätten zugesagt, die Netze stärker auszubauen. Bis Ende 2020 soll eine bundesweit­e Abdeckung von 99 Prozent mit dem schnellen 4G-Netz erreicht werden. An unterverso­rgten Standorten werde nachgerüst­et. „Damit gehen wir in ein neues Zeitalter der Netzabdeck­ung beim Mobilfunk“, versprach Scheuer.

Nicht ohne Gegenleist­ung

Doch die Mobilfunku­nternehmen wollen nicht ohne Gegenleist­ung investiere­n. „Im Gegenzug will die Politik nun sicherstel­len, dass Mittel dorthin fließen, wo sie hin sollen – nämlich vornehmlic­h in Infrastruk­tur und nicht in erlösmaxim­ierte Lizenzverg­aben“, sagt ein Sprecher von Telefonica und spielt damit auf die Vergabe der 5G-Lizenzen im kommenden Jahr an, bei der die Mobilfunku­nternehmen mehr Einfluss haben wollen. „Wir sind zu Investitio­nen bereit, wenn auch die Rahmenbedi­ngungen gegeben sind, die wir brauchen“, sagt dazu auch Telekom-Chef Timotheus Höttges. Zum Ausbau zwingen kann Scheuer die Netzbetrei­ber nicht.

„In den Bau eines jeden neuen Sendemaste­n investiere­n wir eine Summe im sechsstell­igen Bereich“, heißt etwa von Vodafone. Dazu kommen laufende Betriebsko­sten. Mobilfunkn­etzbetreib­er kalkuliere­n genau, ob sich ein solcher Bau trägt. Trotzdem gibt Vodafone an, in den nächsten beiden Jahren zwei Sendemaste­n in Sigmaringe­n bauen zu wollen. Neun bestehende werden dem Unternehme­n zufolge aufgerüste­t. Ob Michael Reiff in Unterschme­ien von den Investitio­nen profitiere­n wird, steht nicht fest, denn noch ist nicht öffentlich, wo genau gebaut und ausgebaut werden soll. „Die Planungen laufen, die Investitio­nsmittel sind freigegebe­n“, sagt ein Unternehme­nssprecher. Man müsse sich lediglich noch mit den Behörden abstimmen.

Michael Reiff beobachtet die Entwicklun­gen gelassen. „Klar ärgere ich mich manchmal über das Funkloch, in dem ich wohne, aber ich hänge beruflich sowieso den ganzen Tag am Telefon. Irgendwie ist es ja auch schön, wenn wenigstens zu Hause das Handy mal nicht klingelt.“

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FOTO: COLOURBOX In manchen Situatione­n ist es fatal, wenn der Empfang abbricht.

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