Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Einzeltäter statt Terrorkommando
Die islamistische Bedrohung ändert sich
BERLIN (dpa) - Die Bedrohung durch militante Islamisten in Deutschland hat sich binnen eines Jahres verändert. Während die Sicherheitsbehörden bis zum Sommer 2017 vor allem darauf fokussiert waren, die Rekrutierung von Kämpfern für die Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) zu unterbinden und vom IS nach Europa eingeschleuste Terror-Kommandos zu entdecken, machen ihnen inzwischen Einzeltäter, kleine SalafistenZirkel und Rückkehrer aus dem ISGebiet zu schaffen.
Das liegt am wachsenden Fahndungsdruck, der die Extremisten zu einem noch versteckteren Handeln zwingt, aber auch an den Niederlagen, die der IS im Irak und in Syrien erlitten hat. Der Zusammenbruch des Pseudo-Kalifats der Terrormiliz hat nach Einschätzung von Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen aber nicht zu einem „Verschwinden dschihadistischer Ideologie“geführt.
Seit Anfang 2017 wurden laut Verfassungsschutz in fünf Fällen gefährliche Islamisten, die Anschläge vorbereiten wollten, aus dem Verkehr gezogen. Sieben Männer nahm die Polizei in Zusammenhang mit diesen Verdachtsfällen fest. Vier von ihnen wurden später abgeschoben: nach Nigeria, Algerien und nach BosnienHerzegowina.
Kaum noch Straßenmission
Eine Zunahme beobachten die Sicherheitsbehörden bei Salafisten aus dem Nordkaukasus. Vor allem in Nordrhein-Westfalen sowie in Ostund Norddeutschland haben sich tschetschenische Islamisten zusammengefunden, die weitgehend unter sich bleiben.
Öffentlich sichtbare Straßenmissionierung von Salafisten gibt es kaum noch. Das ist wohl auch Folge von Ermittlungen und Vereinsverboten. Ähnliche Ursachen dürfte der vom Inlandsgeheimdienst beobachtete zunehmende Rückzug von Salafisten aus Moscheen in kleinere, private Zirkel haben. Einfacher wird die Aufgabe von Polizei und Verfassungsschutz dadurch nicht. Dafür, wie man verhindern kann, dass Kinder aus Dschihadisten-Familien nach ihrer Rückkehr aus dem IS-Gebiet zu Terroristen heranwachsen, hat noch niemand einen fertigen Plan. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sieht hier auch eine Aufgabe für die Jugendämter.
Unter anderem im Ruhrgebiet, in Berlin, Hamburg, Frankfurt, Offenbach, der Region um Bonn-Bad Godesberg gebe es islamistische „Hotspots“, sagt Maaßen. Er sei zwar froh, dass der Bundeshaushalt für das laufende Jahr mehr Geld für den Sicherheitsbereich vorsehe. „Meine Hoffnung ist, dass es in den kommenden Jahren auch weitergeht“, mahnt er aber. Schließlich habe sich die Sicherheitslage „in den letzten Jahren nicht zum Besseren verändert“.