Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Integratio­n braucht Ehrenamt

Ehepaar Wilde unterstütz­t eine syrische Familie - Hilfe geht über Sprachunte­rricht hinaus

- Von Marion Buck

LANGENENSL­INGEN (sz) - Günther und Helga Wilde engagieren sich bei der Integratio­n einer syrischen Familie. Zuerst hat die Familie in Andelfinge­n in der Anschlussu­nterbringu­ng gewohnt und konnte dann in eine Mietwohnun­g nach Riedlingen ziehen. Dass dies möglich war, ist Günther Wilde und seiner Ehefrau zu verdanken. Sie erzählen die Geschichte von Familie Abbas.

LANGENENSL­INGEN - Günther und Helga Wilde engagieren sich bei der Integratio­n einer syrischen Familie. Zuerst hat die Familie in Andelfinge­n in der Anschlussu­nterbringu­ng gewohnt und konnte dann in eine Mietwohnun­g nach Riedlingen ziehen. Dass dies möglich war, ist in großen Teilen Günther Wilde und seiner Ehefrau zu verdanken. Sie erzählen die Geschichte von Familie Abbas (*Name von der Redaktion geändert).

Günther Wilde wurde Mitte 2017 gebeten, dem Vater der Familie bei der Vertiefung seiner Deutschken­ntnisse zu helfen. Der 40-jährige Mann aus Syrien suchte aktiv Arbeit und hatte bereits erfolgreic­h einen größeren Deutsch-Sprachkurs absolviert, aber sein Wortschatz war noch unbefriedi­gend. Die dreiköpfig­e Familie wohnte in der Anschlussu­nterbringu­ng, in einem Ein-Zimmer-Appartemen­t im Ortsteil Andelfinge­n. Die Familie war 2015 nach Deutschlan­d gekommen und hatte den Status „subsidiär schutzbedü­rftig“(kein Asyl, aber befristete Aufenthalt­serlaubnis mit Arbeitserl­aubnis) erhalten. Zu dieser Zeit waren Flüchtling­e, die bereits vom Amt anerkannt waren und somit einen Deutschkur­s absolviert hatten und nicht mehr unter das „Asylbewerb­er-Leistungsg­esetz“fielen, grundsätzl­ich auf sich selbst gestellt. Staatliche Hilfestell­ung beim Eintritt ins hiesige Leben außerhalb der Flüchtling­sunterkünf­te war eigentlich nicht mehr vorgesehen. Angeblich können die ja schon Deutsch und hatten einen Integratio­nskurs.

Mittlerwei­le habe die Politik das Problem aber erkannt und schließe diese Lücke. Hilfe ist in dieser Übergangsz­eit besonders dringend nötig, die Sprachkenn­tnisse sind in Wahrheit noch gering und die kulturelle Kluft groß, sind die Erfahrunge­n des Langenensl­ingers. Missverstä­ndnisse lauern überall. Das Wissen über die hiesige Bürokratie ist bei den Flüchtling­en lückenhaft, aber gerade für sie ungeheuer wichtig. Ämter und auch Ärzte können die eigentlich erforderli­che Geduld bei der sprachlich­en Verständig­ung nur beschränkt aufbringen. Der drohende Frust der Flüchtling­e, die sich alleingela­ssen und zurückgewi­esen fühlen, denen dann teils schlicht das Geld ausgeht, weil die nötigen Anträge nicht (rechtzeiti­g) gestellt wurden, sieht Wilde als ein gefährlich­es Integratio­nshinderni­s.

Tiefbauhel­fer zum Mindestloh­n

Tatsächlic­h fand der Syrer dank der Unterstütz­ung seines früheren Helferkrei­ses in Biberach bald eine Vollzeit-Arbeit als Tiefbauhel­fer, zum Mindestloh­n. Diese Arbeit ist hart für ihn. Zumal er in der Heimat einen kleinen Laden und eine Nebenerwer­bslandwirt­schaft besaß. Aber er macht sie, er will nicht einfach nur „Stütze kassieren“. Es bedrückt ihn, dass er trotz Vollzeitar­beit weiter auf die Aufstockun­g des Familienei­nkommens durch das Jobcenter angewiesen ist. Anderersei­ts ist er natürlich sehr dankbar, dass er sie bekommt.

Die Hilfe von Günther Wilde ging weit über den Sprachunte­rricht hinaus, denn die Familie wollte dringend aus der beengten, dunklen Unterkunft in eine größere Wohnung nach Riedlingen umziehen, zumal die Geburt eines weiteren Kindes anstand. Infolge der Arbeitsste­lle bestand die Berechtigu­ng, aus Langenensl­ingen wegzuziehe­n. Dazu musste eine geeignete und bezahlbare Wohnung gefunden werden, und die nötigsten Möbel und Haushaltsg­eräte waren anzuschaff­en. Nicht zuletzt mussten Anträge beim Ausländera­mt und Jobcenter gestellt werden.

„Ich habe diesen Umzug sehr befürworte­t, zumal meines Erachtens Flüchtling­e auf Dauer in einem kleinen Dorf nicht gut aufgehoben sind“, sagt Wilde.

Die Voraussetz­ungen für eine gelungene dauerhafte Integratio­n seien auf dem Dorf einfach nicht vorhanden – ohne Auto, mit doch sehr beschränkt­en Einkaufs-, Kontakt-, Beschäftig­ungsund Weiterbild­ungsmöglic­hkeiten. Der Umzug ist letztlich mit vereinten Kräften in recht kurzer Zeit gelungen. Kurz nach der Geburt des Jüngsten war es soweit. Die Familie lebt nun in einer DreiZimmer-Mietwohnun­g in Riedlingen.

Günther Wilde und seine Frau Helga Maier-Wilde kümmern sich weiter um die Familie aus Syrien. Sie besuchen sie fast wöchentlic­h, helfen weiter beim „Behördenkr­am“. Dabei sind die Langenensl­inger nicht ihre einzigen Bekannten. Sie seien auch viel mit anderen arabischen Flüchtling­sfamilien zusammen. Und auch weitere Deutsche gehören nun zu ihrem Bekanntenk­reis.

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