Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Liebe aus der Distanz
„Grenzenlos“– Wim Wenders Liebesthriller weiß nicht so recht, wo er hin will
Frischverliebte, die vom Schicksal nach kurzer Zeit wieder getrennt werden – für ein romantisches Drama ist das geradezu eine Idealvoraussetzung. „Grenzenlos“, der neue Film von Wim Wenders, treibt das Szenario seinem Titel entsprechend aber auf die Spitze, denn hier taucht eine der Liebenden auf den tiefsten Meeresgrund ab, während der andere in der Hölle eines Terroristencamps landet.
In „Submergence“der Romanvorlage des schottischen Autors J. M. Ledgard, mag die dramatische Liebesgeschichte über ihre ganze Strecke hinweg funktionieren, in der Verfilmung überzeugt vor allem die Kennenlern-Phase. In einem edlen Hotel an der wildromantischen französischen Atlantikküste begegnen sich die Biomathematikerin Danielle Flinders (Alicia Vikander) und James More (James McAvoy), der sich als Wasser-Ingenieur vorstellt. Danielle bemerkt bald, dass James ausgesprochen gut zuhören und Fragen stellen kann – Fähigkeiten, die er in seiner tatsächlichen Profession bestens gebrauchen kann. Denn der Schotte arbeitet für den britischen Geheimdienst MI-5. Seine nächste Mission steht in Somalia an, wo er eine Dschihadisten-Zelle infiltrieren soll.
Davon darf er Danielle natürlich nichts erzählen, und so drehen sich die Gespräche der beiden zunächst um den bevorstehenden Einsatz der Professorin. Mit einem ForschungsU-Boot plant sie, in bislang unerforschte Meerestiefen abzusteigen, um dort Proben entnehmen zu können. Der Einsatz birgt erhebliche Risiken, verspricht aber auch wichtige Erkenntnisse, um Herausforderungen wie dem Klimawandel zu begegnen.
Intellektuell finden die beiden schnell zueinander, aber es bleibt nicht lange nur bei der geistigen Verbundenheit: Eine für beide unerwartete Romanze beginnt, und Vikander und McAvoy vermitteln glaubhaft die stimmige Chemie das Paares. Allerdings sorgt bereits hier der arg schwelgerische Geigen-Soundtrack für eine Überdosis Pathos. Nachdem der Film schon zu Beginn in einigen Zeitsprüngen angedeutet hat, was den Charakteren bevorsteht, machen die getrennten Schicksale von Danielle und James nach dem Kennenlernen in der Normandie den restlichen und überwiegenden Teil der Handlung aus.
Dabei stellt sich die Frage, welche Zuschauergruppen vom weiteren Verlauf angesprochen werden sollen. Die Gefangennahme von James und seine Erlebnisse mit den Terroristen dürften nicht zuletzt aufgrund einiger drastischer Szenen jene verstören, denen vor allem der romantische Aspekt am Herzen liegt. Freunde härterer Actionkost wird hier wiederum zu wenig geboten, zumal sich das Geschehen recht klischeehaft entfaltet.
Danielle wird dagegen vor allem als Wartende gezeigt, die darunter leidet, dass sich ihr neugefundener Traummann nicht mehr meldet – schließlich weiß sie ja nichts von James’ Einsatz. Als sie dann schließlich doch in ihr U-Boot steigt, führt dies zu enttäuschend unspektakulären Bildern. Zwar versucht Wenders immer wieder, Parallelen zwischen den Welten aufzuzeigen. Aber trotz des unbestreitbaren Könnens aller Beteiligten – insbesondere bei Kameramann Benoît Debie – wird man den Eindruck nicht los, dass ein Film nicht das beste Medium für diesen Ansatz ist und man mit der Buchvorlage wohl doch besser bedient ist.
Grenzenlos. Regie: Wim Wenders. Mit James McAvoy, Alicia Vikander, Alexander Siddig, Reda Kateb. Großbritannien/Frankreich/Spanien. 112 Minuten. FSK ab 12.