Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Grüne Perlen am Bodenseeufer
Rund um das Schwäbische Meer geben reizvolle Gärten Einblicke in eine alte Pflanzkultur
Die Dörfer sind wie ein Garten.“So beginnt Rainer Maria Rilkes Gedicht über den Bodensee, und wer diese gesegnete Gegend mit offenen Augen besucht, kann diesen Zeilen von 1898 immer noch zustimmen. Auch wenn die Dörfer zu großen Siedlungen angewachsen sind, so findet der Besucher doch Anlagen, Parks und Gärten mit Obst, Gemüse, Blumen und Bäumen zuhauf rund um das internationale Gewässer. Viele dieser grünen Perlen sind inzwischen Mitglieder im Netzwerk Bodenseegärten – und jährlich kommen neue dazu. Der Verein nimmt in seiner Broschüre den interessierten Besucher an die Hand und entführt ihn zu einer Reise durch die Zeit.
Barockgarten mit Panoramablick
Kein großes Problem, denn Gärten und Gärtner gab es schon seit mehreren tausend Jahren in dieser Region. Was die Pfahlbautenbewohner der Bodenseeregion vor rund 7500 Jahren angebaut haben, das kann man im archäobotanischen Garten mit angrenzendem Museum in Frauenfeld begutachten. Der bekannteste Bodenseegärtner der frühen Jahre war aber zweifellos der Reichenauer Abt Walahfrid Strabo, der zwischen 830 und 840 mit seinem Lehrgedicht „De cultura hortorum“den ersten Gartenratgeber auf deutschem Boden schrieb. Beim Münster St. Maria und Markus in Reichenau-Mittelzell wurde nach seinem Vorbild wieder ein Strabo-Kräutergarten angelegt. Die Kräutergärten in Tägerwilen und Uttwil wiederum erzählen vom Nutzen alter Pflanzen für heutige Heilmittel. Der Bibelgarten in Meersburg führt die Pflanzen aus der Heiligen Schrift vor Augen, während die Anlage beim dortigen Neuen Schloss ein Beispiel für die ausgesprochen strenge Symmetrie eines Barockgartens gibt – Panoramablick auf den See inbegriffen.
Erfrischendes Arboretum
Rund um das Jahr ist die Blumeninsel Mainau Ziel vieler Gartenfreunde. Wobei die Bezeichnung Blumeninsel zu kurz greift, auch wenn Tulpen-, Rosen- oder Dahlienblüte saisonal ein berauschendes Feuerwerk der Farben abziehen. Gerade an heißen Sommertagen sollte man sich keinesfalls das erfrischende Arboretum entgehen lassen, das mit 500 verschiedenen Arten von Laub- und Nadelgehölzen aufwartet. Begründet wurde es vom badischen Großherzog Friedrich I., der kurz nach dem Kauf der Mainau im Jahre 1853 sehr schnell exotische Bäume auf die Insel im Bodensee holte. Total verwildert kam das Arboretum in den 1930er- Jahren in die Hände des neuen Inselherren Graf Lennart Bernadotte, der daraus mit Sachverstand und Liebe einen einmaligen Naturschatz schuf. So finden sich darunter etwa das lebende Fossil Metasequoia glyptostroboide, wie der Urweltmammutbaum heißt, aber auch die gewaltigen Exemplare des Riesenmammutbaumes Sequoiadendron giganteum, deren Samen 1853 aus Kalifornien kamen. Wer tiefer in das Thema einsteigen will, sollte eine gärtnerische Fachführung buchen.
Beim Mainau-Jahresthema 2018 „Baobab und Bonobo“(Affenbrotbaum und Zwergschimpanse) geht es um die Faszination Afrika – angesichts des teilweise sehr trockenen Sommers ein Volltreffer. In einem nachgebauten westafrikanischen Bauerngarten werden Kulturpflanzen vorgestellt, die Mediterran-Terrassen präsentieren Pflanzen aus Südafrika, im Palmenhaus informiert eine Fotoausstellung über das Leben der Bonobos, und die Cheops-Pyramide samt Sphinx hat auch den Weg auf die Insel gefunden – als Sandskulptur.
Welche Routen wählen Vögel und andere Tiere aus und welche Wanderbewegungen lassen sich nachzeichnen? Das weltweit einzigartige Forschungsprojekt ICARUS (International Cooperation for Animal Research Using Space) des MaxPlanck-Instituts für Ornithologie Radolfzell und der Universität Konstanz gibt auf diese Fragen Antworten. Seit diesem Jahr ist es möglich, das Leben von Zugvögeln und anderen Tieren durch den Einsatz modernster Technologie besser zu verstehen: Die Tiere werden hierzu mit einem Peilsender ausgestattet, der mit einer auf der Raumstation ISS installierten Antenne kommuniziert. Die Ausstellung „Vom Bodensee nach Afrika – auf Langstrecke mit ICARUS“in Wappensaal und Kabinett von Schloss Mainau ist bis 16. September täglich von zehn bis 17 Uhr geöffnet. Und wer die Vielfalt der Paradeiser einmal vor Augen geführt bekommen will, ist bei der Tomatenschau vom 13. bis 19. August im Platanenweg 5 richtig.
Schaut man von der Mainau über den See, dann kommt Überlingen in den Blick – eine alte Stadt mit langer Parktradition und landschaftsarchitektonischer Zukunft. Denn durch die Landesgartenschau 2020 erhält Überlingen im Westen einen sechs Hektar großen Park mit einem fast einen Kilometer langen Uferbereich, der den Zugang zum Bodensee dort möglich macht, wo früher eine Industriebrache war und eine Ufermauer den See vom Land trennte. Aus der Großbaustelle schält sich bereits der zukünftige Bürgerpark heraus, der sowohl der Ökologie als auch dem Freizeitvergnügen Raum bieten will. So wurde in Randbereichen des Ufers wieder Strandrasen angelegt, der so gut wie verschwunden war. Insgesamt 18000 Strandrasenpflanzen setzten die Gärtner ein. Die Urpflanzen dafür wurden vom botanischen Garten der Universität Konstanz geliefert und in der Stadtgärtnerei vermehrt.
Vorbereitung auf Gartenschau
An Steiluferzonen ermöglichen in Zukunft Treppen mit Sitzstufen einen Weg zum See, und auch ein barrierefreier Zugang wurde geschaffen. Zahlreiche Stauden wurden schon gepflanzt und vermitteln bereits jetzt ein wenig Gartenschaugefühl. Dass für diese Neugestaltung eine alte Platanenallee weichen musste, entzweite zeitweise die Kommune. Jetzt stehen Container-Linden in Reih‘ und Glied – nicht als Schattenspender, sondern als Orientierungshilfe für die Fledermäuse! Später sollen die Bäume als Lindenallee in der Stadt gepflanzt werden.
Die große Gartentradition der Stadt kann man beim Spaziergang auf dem Gartenkulturpfad erleben. Er beginnt beim Badgarten, führt über die Uferpromenade zum Kurpark am See bis zur Bodensee-Therme. Es geht weiter in den Stadtgarten mit seiner 120 Jahre alten großen Kakteensammlung und durch den Stadtgraben, wo seit zehn Jahren der Uhu wieder beheimatet ist. Der Garten St. Franziskus und der Panoramagarten des Städtischen Museums bestätigen Rilke aufs Beste – auch wenn Überlingen eine Stadt ist!
Jeden ersten Samstag im Monat, 14 Uhr, gibt es bis Oktober eine Baustellenführung. Treffpunkt ist bei der Info-Pinnwand im Garten der LGS-Geschäftsstelle in der Überlinger Bahnhofstraße 19. Die Lange Nacht der Bodenseegärten lädt von Freitag, 7. September bis Sonntag, 9. September zu einer Reise durch die Zeit ein. Beteiligt sind u. a. der Seeburgpark Kreuzlingen, die Insel Mainau, Schloss Arenenberg, das MAC Museum Art & Cars. Weitere Infos bei
Die Recherche wurde unterstützt von dem Verein Bodenseegärten.