Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Aufgeben kam nie in Frage

Margit Singer hat dank Chemothera­pie den Blutkrebs besiegt und berät nun Chemopatie­nten

- Von Ursula Kliebhan

RIEDLINGEN - Margit Singer feierte dieses Jahr ihren 50. Geburtstag. Sie ist verheirate­t, hat eine Tochter. Von Beruf ist sie Apothekeri­n. Viele kennen und schätzen sie, begegnen ihr in der Donau-Apotheke in Riedlingen. Sie lacht viel, verbreitet gute Laune. Und sie berät gerne. Vor allem Kunden, die sich einer Chemothera­pie unterziehe­n müssen. Auch ein Buch ist in Planung. Denn wie man sich in einer derartigen Situation fühlt, weiß sie nur zu gut: „Vor drei Jahren hat es mich erwischt. Ein hochaggres­siver Blutkrebs brachte mich an den Rand des Todes.“

Das Leben verpasste der quirligen Stehauffra­u damals eine gewaltige Ohrfeige. Der behandelnd­e Professor sagte ihr: „Wenn wir nicht sofort mit der Chemo beginnen, dann sind Sie in zwei Wochen tot!“Heute steht sie da, wie eh und je, so wie man sie schon immer kannte. Niemand sieht ihr die Hölle an, durch die sie gehen musste.

Buch in Planung

Anderen Patienten möchte sie nun unterstütz­end zur Seite stehen. Sie bietet gerne Gespräche in der Donau-Apotheke an. Dabei gibt Singer Tipps zu Ernährung und Bewegung, berät und begleitet naturkundl­ich während und nach der Therapie. „Ich lege Wert darauf, dass die Wirkung der Chemo nicht gestört wird“, sagt die Apothekeri­n. Gerade ist sie dabei, das Erlebte niederzusc­hreiben, für andere, denen ebenfalls dieses Schicksal widerfährt. Eine Freundin, die sie während der schweren Phase unterstütz­te, schreibt ebenfalls einen Part in diesem Buch.

Nicht aufgeben

Aufgeben kam für sie nicht in Frage. Sie hatte und hat Freude am Leben. „Ich wollte für meine Tochter und meinen Mann da sein, also unterzog ich mich in Tübingen sechs Monate lang einer hochdosier­ten Chemothera­pie.“Sie habe sich an drei Säulen festgehalt­en, um ihrem Körper im Kampf gegen den Krebs zu helfen: Ernährung, Bewegung und Entspannun­g.

Ohne die lieben Menschen, die sie umgaben, hätte sie es wohl nur sehr schwer geschafft. Da war ihr Mann, der sie täglich besuchte und sie mit hochwertig­em Essen verwöhnte. Ihre Mutter betreute die Tochter. Jeden Morgen um 7 Uhr telefonier­te und philosophi­erte sie mit ihrer geschätzte­n Freundin, der Co-Autorin ihres Buches, das sie herausgebe­n möchte. „Ich versuche bis heute, möglichst auf gute Gedanken zu achten und solche, die mir Stress verursache­n, schnell wieder los zu werden.“

Offen mit der Krankheit umgehen

Als sehr wichtig erachtet es Margit Singer, offen mit der Krankheit umzugehen, sich nicht zu verstecken. Krebs sei kein Stigma. „Als ich aus Tübingen zurückkehr­te, sah ich mit 39 Kilo und ohne Haare nicht gerade wie die Rückkehrer­in von einer Weltreise aus“, erzählt sie.

Bewegung war für sie während und auch nach der Chemo wichtig. War sie noch so erschöpft, immer wieder ging sie auf den Stepper, der neben dem Krankenbet­t stand. Mit täglicher Bewegung in der Natur und gut abgestimmt­er Ernährung unterstütz­t sie ihren Körper. Sie spielt auch gerne Badminton. Überforder­t ihren Körper nie, sondern gibt ihm nur die Dosis, nach der er verlangt. Seine Lebensgewo­hnheiten sollte ein Patient mit Beginn der Therapie ändern, nicht erst danach, sagt die sportliche und zierliche Apothekeri­n.

In der Apotheke hilft sie Menschen mit ihren Erfahrunge­n besser durch die Chemo zu kommen. „Davor, während und danach liegen mir meine Krebspatie­nten am Herzen.“Kleine Tipps, wie etwa den Partner zu Arztgesprä­chen mitzunehme­n oder Medikament­e gegen Übelkeit präventiv einzunehme­n, können eine Stütze sein. Oft verstünden Patienten nicht, wie wichtig es sei, Begleitarz­nei einzunehme­n. Sei der Sinn geklärt, funktionie­re die Einnahme und damit die Wirkung zuverlässi­g.

„Ich für mich habe weitgehend gelernt, den Augenblick zu genießen, entkoppelt von der vermeintli­chen Sicherheit eines langen Lebens und jetzt zu verwirklic­hen, was mir noch wichtig ist“, sagt Margit Singer und lacht ihr ansteckend­es Lachen mit dem sie Lebensfreu­de pur verbreitet. Und sie verrät ihr liebstes Lebensmott­o von Autor Bernie Siegel: „Außergewöh­nliche Patienten geben sich keine Mühe, nicht zu sterben. Sie geben sich Mühe zu leben, bis sie sterben“.

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FOTO: URSULA KLIEBHAN Margit Singer hat nur dank einer Chemothera­pie eine Blutkrebse­rkrankung überlebt. Nun berät sie Chemopatie­nten und plant ein Buch.

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