Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein Fingerzeig für die Liga
Lewandowski lässt die Tore sprechen – Bayern schon im Angriffsmodus
FRANKFURT - Wer online nach einem der letzten Fotos von Robert Lewandowski in einem Spiel sucht, bekommt vom Torjäger angezeigt, wie oft er in dieser Partie getroffen hat. Ob ein Doppelpack oder wie am Sonntagabend in Frankfurt ein Dreierpack – der Mittelstürmer hält die aktuelle Trefferanzahl per Fingerzeig telegen in die Kameras.
Doch nach dem 5:0 (3:0) des FC Bayern München im Supercup gegen Pokalsieger Eintracht tauchen andere Bilder auf. Von einem gereizten, wütenden Lewandowski, einem gepeinigten Angreifer, der während des Spiels ständig angegriffen wurde und bei der Pokalübergabe sein Gesicht, speziell den zuvor blutigen Mund, mit Eiswürfeln kühlte.
Nach mehreren Provokationen und Attacken inklusive eines Ellenbogenchecks von Frankfurts Kapitän David Abraham mussten die Mitspieler Lewandowski runterkühlen. Javi Martínez etwa wurde kurz vor dessen Auswechslung in der 72. Minute regelrecht handgreiflich, um den Polen vor Dummheiten zu bewahren. Und der Videobeweis? Blieb aus. Ein Rätsel. Was bei der WM meist tadellos lief, ging beim ersten Pflichtspiel der Saison hierzulande wieder schief. Abraham kam mit Gelb davon. „Diese Szene muss man einfach sehen“, echauffierte sich Sportdirektor Hasan Salihamidzic.
Und doch, bei allem Ärger: Zwei Kopfballtreffer, einer mit links – für Lewandowski eine Genugtuung nach einer verkorksten Rückrunde für den FC Bayern und einer ebenso verkorksten WM. Die Bundesliga-Torjägerkanone (29 Tore) konnte nicht für die zwei mickrigen Tore in sechs k.o.Spielen der Champions League entschädigen. Dann kam das Aus in der Vorrunde bei der WM, ohne ein Tor des polnischen Kapitäns und Hoffnungsträgers.
Lewandowski hat sein Ziel, dank einer überragenden Rückrunde und Top-Leistungen im Schaufenster WM zu Real Madrid zu wechseln, verfehlt. Die Bayern-Bosse verschlossen ihm noch dazu kategorisch die (Flucht-)Tür. „Für uns war immer klar, dass es keine Chance auf einen Wechsel gibt“, wiederholte Salihamidzic. Der neue Trainer Niko Kovac rief Lewandowski gleich zweimal an – einmal vor der WM, einmal nach der WM. So zeigt man, dass man auf einen Spieler setzt, nimmt ihn in die Pflicht. Die feine Schule der Mitarbeiterführung.
Ein Zeichen zum Start
Dass der Mann überhaupt noch da ist, macht Salihamidzic glücklich, erleichtert sagte er in Frankfurt, Lewandowski sei „ein Vollprofi, das war genau die richtige Reaktion, genau die richtige Antwort auf alles. Ich habe es ihm gewünscht, dass er explodiert. Ich bin sehr glücklich darüber.“Denn: „Für mich ist er einer der Besten, wenn nicht der beste Stürmer der Welt.“Mitarbeitermotivation im Erfolgsfall.
Kovac’ Einstand, ausgerechnet gegen den Ex-Verein, glückte in Gänze. Die Spieler schätzen die klaren Vorgaben ihres neuen Chefs. „Wir haben jetzt einen Plan und sind auf einem guten Weg“, sagte Abwehrspieler Niklas Süle. Dass auch die in zwei Wochen beginnende Meisterschaft einseitig wird? Was sonst? Heiligabend fällt auch wieder auf den 24. Dezember. „Wir hatten noch keine englischen Wochen, die Kräfte sind noch voll da, deshalb konnten wir so aufs Tempo drücken“, analysierte Thomas Müller.
Dominanz und Körpersprache stimmten. „Wir wollten ein Zeichen setzen, gleich ein gutes Ergebnis erzielen, auch nicht nachlassen bei 2:0oder 3:0-Führung, sondern durchziehen.“In Frühform, diese Bayern, verdächtig gut. „Der Titel bedeutet nach den Enttäuschungen ab Mitte April für den Verein und uns Nationalspieler sehr viel“, sagte Mats Hummels, einer von sechs Spielern auf dem Platz, die das WM-Debakel mit dem Vorrunden-Aus in Russland durch den Sommerurlaub schleppten. Müller betonte: „Die Motivation ist sehr hoch bei allen.“Aus Frust und Lust.
Frust über das Ende der vergangenen Saison mit dem Halbfinal-Aus in der Champions League gegen Real Madrid und dem weggeworfenen Pokalfinale gegen die Frankfurter. Seit Anfang Mai, seit dem 2:2 im Bernabéu, war der Stecker gezogen. Nun haben die Bayern wieder Strom.
Und den alten Lewandowski. Der schweigt. Er lässt Tore sprechen. Und Finger.