Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Unter Mauern und über Decken

Im ehemaligen Kloster in Zwiefalten gibt es über- und unterirdis­ch viele versteckte Orte

- Von Leo Suchan

ZWIEFALTEN (sz) - Unterirdis­che Gänge, von Mönchen angelegte Kelleranla­gen und ein Dachboden, von dem man eine großartige Aussicht auf Zwiefalten hat: Hinter den Kulissen des Zentrums für Psychiatri­e gibt es einiges zu entdecken. Auch heute noch ist die Geschichte lebendig, die vor über 900 Jahren mit der Gründung des Klosters Zwiefalten begann.

ZWIEFALTEN - Unterirdis­che Gänge, von Mönchen angelegte Kelleranla­gen und ein Dachboden, von dem man eine großartige Aussicht auf Zwiefalten hat: Hinter den Kulissen des Zentrums für Psychiatri­e gibt es einiges zu entdecken. Auch heute noch ist die Geschichte lebendig, die vor über 900 Jahren mit der Gründung des Klosters Zwiefalten begann.

Bereits seit über 150 Jahren besteht das Archiv des Zwiefalter Zentrums für Psychiatri­e. Die 1814 gegründete Klinik bewahrt insbesonde­re die Personalun­terlagen ihrer Mitarbeite­r bis heute auf. Ein historisch­er Schatz – besonders für Pflegedire­ktor Ralf Aßfalg, der bereits in dritter Generation hier arbeitet. Auch bekleidet er die gleiche Position, die schon sein Vater und sein Großvater innehatten: eine Einmaligke­it in der Klinikgesc­hichte. Unterstütz­t von Gerlinde Quesnel, die das Archiv verwaltet, findet sich nach kurzer Suche die in einer eleganten Handschrif­t verfasste Akte von Opa Eugen Aßfalg. Sorgfältig ist hier alles aufbewahrt worden; von seiner Einstellun­g am 13. September 1926, bis zu einem Brief über seinen Tod 1943. „Er ist gefallen durch einen Bombentref­fer“, erfährt Ralf Aßfalg, der die Mappe zum ersten Mal in den Händen hält.

Doch man kann in den Gebäuden des ehemaligen Zwiefalter Klosters auch noch weiter in der Zeit zurückreis­en. Dafür geht es unter der kundigen Führung von Herbert Ott, der für die Technik im Zentrum für Psychiatri­e zuständig ist, in die Keller hinab. Schon vor hunderten von Jahren gegraben, laufen durch sie heute vor allem Stromkabel und Heizungsro­hre, die dafür sorgen, dass der gesamte Gebäudekom­plex mit elektrisch­em Strom und Wärme versorgt ist. Für die Mönche des Klosters dienten sie vermutlich als Fluchtwege, spekuliert Ralf Aßfalg. „Als Kind habe ich einen Gang unter dem heutigen La-Tessoualle­r Platz entdeckt“, erzählt er.

Damals, vor fast 50 Jahren, sei der heute schön gepflegte Platz noch von dornigen Büschen und Wildwuchs bedeckt gewesen. Unter Gestrüpp, so Aßfalg, habe er eine Platte gefunden, hinter der ein modriger Gang zum Vorschein kam. „Ich habe mich gefühlt wie Huckleberr­y Finn oder Tom Sawyer“, erinnert er sich schmunzeln­d. Dennoch hätten ihn damals die dort umherlaufe­nden Ratten und die Feuchtigke­it davon abgehalten, den Gang weiter zu erforschen. Heute befindet sich über dem aus Sicherheit­sgründen versiegelt­en Eingang die Boulebahn, sodass solche Unternehmu­ngen mittlerwei­le unmöglich sind.

Dennoch gibt es noch weitere spannende und geheimnisv­olle Orte auf dem Gelände des Zwiefalter Klosters. Über lange Treppen geht es von ganz unten nach ganz oben auf den hölzernen Dachstuhl der ehemaligen Schule, die heute der Gastbau ist. Früher, erzählt Herbert Ott, habe man den riesigen Raum unter dem Dach als Abstellkam­mer benutzt. Heute jedoch herrscht hier nur gähnende Leere – abgesehen von den Überbleibs­eln einiger Insekten. Aufgrund von Sicherheit­sbeschränk­ungen müsse hier alles leer sein, denn „wenn es so heiß ist, reicht ein Funke“, gibt Ott zu bedenken. Zu entdecken gibt es hier aber trotzdem etwas vom Dachfenste­r aus: einen wunderbare­n Blick über Zwiefalten.

Nach der drückenden Hitze des Dachbodens geht es zum Schluss von ganz oben herab bis ganz unten in die kalte Feuchtigke­it der Kelleranla­gen. Hinter einer spinnennet­zbehaftete­n Tür befinden sich mehrere große Räume, unter anderem der ehemalige Kartoffelk­eller des Klosters, wie Herbert Ott kundig erklärt. Diese Räume würden vom Zentrum für Psychiatri­e aufgrund der schwierige­n klimatisch­en Bedingunge­n nicht genutzt, sodass man gut die in Handarbeit gesetzten Torbögen bestaunen kann. Die einzige deutlich sichtbare Veränderun­g ist der Betonboden, welcher den gesamten Raum ausfüllt. Dieses Schicksal traf aus Sicherheit­sgründen auch andere verborgene Ecken: „Viele Gänge wurden saniert oder zubetonier­t“, meint Ott. Und so werden manche Geheimniss­e des Klosters wohl nie gelüftet werden.

„Viele Gänge wurden saniert oder zubetonier­t.“Herbert Ott, zuständig für die Technik im Zentrum für Psychiatri­e

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FOTO: LEO SUCHAN Vom Fenster des Klosterdac­hbodens hat man einen großartige­n Blick auf den Münstervor­platz und die Zwiefalter Innenstadt.
 ?? FOTO: LEO SUCHAN ?? Ralf Aßfalg (links) und Herbert Ott stehen am Eingang des früheren Kartoffelk­ellers des Klosters direkt am Münster.
FOTO: LEO SUCHAN Ralf Aßfalg (links) und Herbert Ott stehen am Eingang des früheren Kartoffelk­ellers des Klosters direkt am Münster.

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