Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Mehr als nur Orchideen

Im Warmtal kann man noch im Einklang mit der Natur leben

- Von Leo Suchan

WARMTAL - Warm lächelt die Sonne auf das weitläufig­e Tal herab. Bis auf brummende Insekten aller Art kann man der Stille beim Atmen zuhören. Mensch und Tier, die vor dem allumfasse­nden Leistungsd­ruck und den kalten Betonungeh­euern der Großstädte fliehen, würden hier eine Oase der Ruhe finden. Diese Verbundenh­eit mit der Natur ist ein Grund, warum Rosanne Kern aus dem Warmtal nicht wegziehen möchte.

Die drei im Warmtal lebenden Familien betreiben Landwirtsc­haft auf den umliegende­n Feldern, und alle besitzen auch Tiere auf ihren Kleinbauer­nhöfen. „Das gesamte Warmtal wird fast ausschließ­lich von uns bewirtscha­ftet“, merkt Rosanne Kern an. Auch deswegen wirkt das Tal so abgeschied­en, weil sich höchstens Wanderer hierher verlieren, von durchfahre­nden Autos aus Emerfeld oder Langenensl­ingen abgesehen. Einzig im Mai und Juni, wenn die Orchideen blühen, kämen zahlreiche Touristen ins Warmtal, so Kern, um die farbenpräc­htigen Blumen zu bestaunen.

Als Kind habe sie Touristen zu den Orchideen geführt, die ihr Großvater abseits von den Höfen züchtete. Rosanne Kern ist im Warmtal aufgewachs­en und großgeword­en. „Ich war das einzige Kind in mei- nem Alter“, erinnert sie sich. Die Verbundenh­eit der hier lebenden Menschen sorgte dafür, dass sie nie allein war: „Irgendjema­nd war immer da.“Arbeit auf den Feldern oder im Stall habe es zudem vor allem in den Sommermona­ten genug gegeben.

Obwohl der Ort mit seinen 15 Einwohnern wahrlich nicht als groß bezeichnet werden kann, gibt es eine interessan­te historisch­e Besonderhe­it. Im 13. Jahrhunder­t wurde hier erstmals eine Siedlung gegründet, die damals noch Wörntal hieß. Im Laufe der Jahrhunder­te bildete sich ein zweiter Ort neben dem ersten. Hierbei gehörte die Oberwarmta­l genannte Siedlung zu Württember­gHohenzoll­ern, während Unterwarmt­al preußische­s Gebiet war. Bis ins 20. Jahrhunder­t hinein gingen aufgrund dieser Konfession­sunterschi­ede die Oberwarmtä­ler nach Emerfeld in die Kirche und die Unbevor terwarmtäl­er nach Langenensl­ingen, die beiden Kleinstort­e schließlic­h zusammenwu­chsen.

Das Beste am Leben im Warmtal ist laut Rosanne Kern die Naturverbu­ndenheit.

„Man wird tatsächlic­h noch durch Vogelgezwi­tscher geweckt“, erzählt sie. Auch vergehe kaum ein Abend, an dem man keine Füchse, Dachse, Rehe oder andere Wildtiere zu Gesicht bekommt. Für Kern ist es wichtig, dass ihre beiden Kinder Frieda und Johann in einer solch naturbelas­senen Umgebung aufwachsen. „Ich könnte mir nicht vorstellen, an einem Ort zu leben, wo das Grundstück einfach aufhört“, findet Kern.

Eine geografisc­he Besonderhe­it

„Es ist die Heimat“

ist die Hanglage des kleinen Orts, welcher an der nördlichen Flanke des Warmtals liegt. Im Frühjahr kommt die Sonne höchstens auf der Südseite an, was gewissener­maßen für zwei unterschie­dliche Jahreszeit­en im Tal sorgt: Klirrende Kälte im Ort selber und am Südhang schon beinahe frühlingsh­afte Wärme. „Warmtal könnte man im Winter auch Kalttal nennen“, meint Rosanne Kern schmunzeln­d. Freilich biete die Lage auch Vorteile: Vor Wind ist man dort relativ geschützt, hat Kern beobachtet.

Trotzdem birgt das relativ abgeschied­ene Leben im Warmtal auch einige Nachteile. Die Entfernung zu größeren Ortschafte­n macht jede Lebensmitt­elbeschaff­ung Rosanne Kern zu einer kleinen Odyssee. „Man braucht immer das Auto, wenn man weg will“, meint Kern. Da helfe es auch nicht, dass die Einkaufsmö­glichkeite­n in Langenensl­ingen sehr begrenzt sind. Auch der Handyempfa­ng funktionie­re fast im gesamten Ort nicht. „Es gibt bestimmte Punkte zum Telefonier­en“, verrät sie. An das Internet hingegen sei Warmtal relativ gut angebunden. Für Rosanne Kern überwiegen jedoch klar die Vorteile, denn: „Es ist die Heimat.“

 ?? FOTO: LEO SUCHAN ?? Vom Südhang aus hat man einen guten Blick über die kleinen und großen Gebäude der Bauernhöfe, die das Warmtal ausmachen.
FOTO: LEO SUCHAN Vom Südhang aus hat man einen guten Blick über die kleinen und großen Gebäude der Bauernhöfe, die das Warmtal ausmachen.
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FOTO: LEO SUCHAN Für Rosanne Kern (Mitte) und ihre beiden Kinder Johann (links) und Frieda ist das Warmtal die Heimat, aus der sie um keinen Preis wegziehen möchten.

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