Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Archäologe­n finden Mammutripp­e

Professor der Universitä­t Tübingen präsentier­t Fund im Urgeschich­tlichen Museum

- Von Maike Scholz

SCHELKLING­EN/BLAUBEUREN - Im Hohle Fels ist die Rippe eines Mammuts gefunden worden. Das Objekt gibt Rästel auf. Grabungsle­iter Professor Nicholas Conard von der Uni Tübingen präsentier­te das Fundstück am Donnerstag­vormittag im Blaubeurer Urgeschich­tlichen Museum (Urmu) der Weltöffent­lichkeit.

Professor Nicholas Conard öffnet ganz vorsichtig die hölzerne Schatulle. Mit seinen weißen Schutzhand­schuhen nimmt er die Mammut-Rippe heraus und streicht entlang des Fundes aus dem Hohle Fels. Das Stück ist 44 Zentimeter lang, hat eine Breite von 5,1 Zentimeter­n und eine Dicke von 2,1 Zentimeter. Außergewöh­nlich, so der Leiter der Abteilung Ältere Urgeschich­te und Quartäröko­logie der Uni Tübingen und gleichzeit­ig wissenscha­ftlicher Direktor des Urmus, sind die Spuren der Bearbeitun­gen, der Nutzung und der entspreche­nden Markierung­en darauf. Auffällig sei die dickere Kante der Rippe: Diese weist nämlich zwei Reihen von Markierung­en auf – eine zeigt insgesamt 83 und die andere 90 Striche. An einer weiteren Stelle sind weitere 13 schwächere und dafür längere Einschnitt­e zu erkennen.

Knochen als Werkzeug genutzt

Eine weitere Besonderhe­it: Schon vor mehr als 30 000 Jahren nutzten die Menschen die Rippenknoc­hen größer Tiere nicht nur als Werkzeug – zum Beispiel für das Walken von Leder – sondern auch als Ersatz für Brennholz, das in der Eiszeit knapp war. „Deswegen ist solch ein Fund, noch dazu so gut erhalten, sehr selten. Über 90 Prozent der Knochen wurden gebrannt. Die Höhlenbäre­nknochen bilden eine Ausnahme“, so Conard.

Die Mammut-Rippe sei auch ein beeindruck­ender Fund, weil sie viele Rätsel aufgebe. Dieser „Krimi“, wie ihn Conard und der Archäotech­niker Alexander Janas bezeichnen, begann bereits bei der Fundsituat­ion. „Es ist ein Stück, das wir sehr früh gefunden haben. Es steckte allerdings schräg in einem Befund“, so Janas. Daraus wurden mehrere Fundschich­ten, sodass letztlich für den Archäotech­niker nicht feststeht, wie alt das Knochenart­efakt letztlich ist. Zunächst sei aufgrund der Größe auch nicht klar gewesen, um welch ein kostbares Stück es sich handele. Erst bei der Reinigung sei das volle Ausmaß sichtbar geworden – samt der Markierung­en. Letztere tragen zum Rätsel bei. Was sollten sie symbolisie­ren oder zeigen? „Mein Bauchgefüh­l sagt mir, dass wir es mit einem Informatio­nsträger zu tun haben“, so Conard. Der Rest sei Spekulatio­n. Stehen die Einschnitt­e für Arbeitsvor­gänge, für die Anzahl von getroffene­n Menschen, für Jagdbeute oder auch für einen zeitlichen Ablauf ? Letzteres sei naheliegen­d. „Bisher gibt es aber keine schlüssige Interpreta­tion für die Zahlen 90, 83 und 13“, so der Professor.

Fest stehe für Nicholas Conard allerdings, dass ein zeitlicher Ablauf gegeben sei. Deutlich werde zudem, dass die Markierung­en, die keiner Regelmäßig­keit in Sachen Abstand unterliege­n, mit unterschie­dlichen Werkzeugen gefertigt wurden. Ein weiterer Fakt für den Leiter der Abteilung Ältere Urgeschich­te und Quartäröko­logie: Die damaligen Menschen hätten durchaus mit komplexen Dingen, so vielleicht auch mit Zahlenreih­en, umgehen können.

Die Schwierigk­eit beim Artefakt: „Die Überprüfba­rkeit ist nicht einfach. Beobachtun­gen müssen in beweisbare Hypothesen umgewandel­t werden“, sagt Conard und fügt an: „Vielleicht haben wir Glück, noch einen solchen Fund zu machen.“Bisher gebe es nämlich keine vergleichb­aren Funde, was die Einordnung wiederum schwierige­r mache. „Doch nichts ist wirklich zufällig“, ist der Professor überzeugt und sagt: „Wir präsentier­en ein Rätsel.“Um die Lösung zu finden, heiße es: „Weiter graben“, so Nicholas Conard. Derzeit ist ein 20-köpfiges Grabungste­am im Einsatz.

Einen solch rätselhaft­en Fund zu zeigen, erfordere aber auch Mut, sagt Stefanie Kölbl, die geschäftsf­ührende Direktorin des Urmus. Bis zum 6. Januar 2019 wird die Rippe nun im Urmu als „Fund des Jahres“ausgestell­t. „Der Fund des Jahres ist schon eine Tradition. Ein Besonderer Fund der Grabung aus dem vergangene­n Jahr wird vorgestell­t“, erklärt Kölbl. Außerdem möchte sie sich auch der Unterstütz­ung neuer Medien und Plattforme­n bedienen. Nicht nur in der Kabinett-Ausstellun­g soll die Mammut-Rippe zu sehen sein, sondern auch per Facebook dargestell­t werden. „Vielleicht können so weitere Ideen zu den Ritzungen auf der Rippe zusammenge­tragen werden“, zeigt die Museumsdir­ektorin auf. Es sei ein Fund zum Nachdenken. Diesem Prozess möchte das Urmu Raum geben. Nicholas Conard nickt und stimmt ihr zu: „Ich hoffe, dass wir es entziffern können.“

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FOTOS: MAIKE SCHOLZ Fund des Jahres: Auffällig sind sind die Spuren der Bearbeitun­gen, der Nutzung und der entspreche­nden Markierung­en darauf.
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Professor Nicholas Conard präsentier­te das seltene Knochenart­efakt.

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