Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Kommunen profitieren von Konjunktur
Der Landtagsabgeordnete besichtigte Geflügelverarbeiter OSG in Betzenweiler
Aber nur sechs Gemeinden im Kreis sind komplett schuldenfrei.
BETZENWEILER - Es sei erstaunlich, welche Bandbreite die Lebensmittelerzeugung in der Federseeregion aufweise, sagte Thomas Dörflinger auf seiner jährlichen Fahrradtour. In Betzenweiler stand die Besichtigung des erst vor kurzem eröffneten Betriebs der Oberschwäbischen Geflügel GmbH (OSG) auf dem Programm. Um dem Landtagsabgeordneten und seinem rund 50-köpfigen Begleittross die Besichtigung zu ermöglichen, ruhte an diesem Tag die Produktion.
Aber auch wenn gerade kein Geflügel verarbeitet wird, herrschen dort strengste hygienische Bedingungen. Das bedeutet, dass sich sämtliche Besucher zuvor wie Tatortreiniger einkleiden müssen: Schutzanzug, Überschuhe und Kopfhauben sind Pflicht. Dann erst geht es durch die Schleuse, wo Füße und Hände desinfiziert werden, ehe die Produktionsstätte betreten werden darf. „Da schlägt das Landkreisherz höher“, freute sich Dörflinger, als er der Qualitätsgeräte aus dem Biberacher Hause Handtmann ansichtig wurde. Zu deren Bedienung reicht eine vierköpfige Belegschaft aus. Mit lediglich einer Schicht werde derzeit 2000 bis 3000 Kilogramm Geflügelfleisch pro Woche verarbeitet, informierte Produktionsleiter Hubert Filser. Das sei noch „keine Menge“, und von Auslastung könne erst gesprochen werden, wenn an fünf oder sechs Tagen zwei Schichten gefahren werden.
Das Rohmaterial kommt ausschließlich aus dem Schlacht- und Verarbeitungsbetrieb der OSG in Ertingen, wo rund 120 Mitarbeiter beschäftigt sind. In Betzenweiler wird es verkaufsfertig weiterverarbeitet unter anderem zu geräucherten und ungeräucherten Brühwürsten, zu Aufschnitt oder Fleischkäse. Einer der größten Abnehmer ist die Firma Buchmann in Grünkraut (Kreis Ravensburg). Die Hähnchen stammen aus eigenen Partnerbetrieben, mit denen zehnjährige Veträge abgeschlossen werden. „Wir betreuen die Landwirte vom Anfang bis zum Ende“, erklärte Unternehmenssprecher Roland Pfister. Das beinhalte auch Finanzierung, Baumaßnahmen, die Lieferung von Futter und Brennstoffen sowie den Vertrieb.
Besonderer Wert werde neben Regionalität und Transparenz auf das Tierwohl gelegt, sagte Pfister. Beim Alpigal-Projekt gingen die Tierschutzstandards über die staatlichen Bestimmungen hinaus. Die Tiere müssen genügend Platz, Rückzugsmöglichkeiten und einen Wintergarten zum Scharren haben. Der Weg zum Schlachtbetrieb darf 250 Kilometer nicht überschreiten. Die OSG biete damit eine Alternative zu biologischer und konventioneller Produktion.
Bürgermeister Tobias Wäscher sprach von einem „Riesenglücksfall“, dass das leerstehende Gebäude in Betzenweiler mit der OSG wieder eine Verwendung gefunden habe. Bemerkenswert sei, dass sich mit Micarna ausgerechnet ein Schweizer Investor gefunden habe, der mit der Firma Stauss die OSG gründete. Wäscher erinnerte an die Zeit nach dem 30-jährigen Krieg, als der Ort fast ausgelöscht gewesen sei – bis sich die „Steinschweizer“ansiedelten.