Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Stoch: Grün-Schwarz „ideen- und mutlos“

SPD-Fraktionsc­hef Andreas Stoch wirft Grün-Schwarz Mut- und Ideenlosig­keit vor

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STUTTGART (kab) - Nur dank sprudelnde­r Steuereinn­ahmen könne die grün-schwarze Landesregi­erung ihre Konflikte, ihre Ideen- und Mutlosigke­it kaschieren. Das sagt Andreas Stoch, SPD-Fraktionsc­hef im Stuttgarte­r Landtag, im Interview mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Winfried Kretschman­n ist der erste Ministerpr­äsident, der noch während der Amtszeit zum Denkmal erstarrt.“Zu grün-roten Regierungs­zeiten sei er noch mutiger gewesen, erklärt der Ex-Kultusmini­ster. Seiner Nachfolger­in Susanne Eisenmann (CDU) bescheinig­t er „politische­s Unvermögen“.

STUTTGART - Dank der guten Steuereinn­ahmen kann die grün-schwarze Landesregi­erung ihre Konflikte verdecken und ihre Mut- und Ideenlosig­keit kaschieren, sagt der Chef der SPD-Landtagsfr­aktion Andreas Stoch im Interview mit Kara Ballarin und Katja Korf. Mit Ministerpr­äsident Winfried Kretschman­n (Grüne) und Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann geht er besonders hart ins Gericht.

Hat die SPD sich von der Schlappe der Landtagswa­hl 2016 erholt?

Das hat einige Zeit gebraucht. Aber wir haben das geschafft. Was die Arbeit nicht gerade erleichter­t, ist, dass sich auch die SPD im Bund derzeit sehr schwer tut. Aber durch reine Vergangenh­eitsbewält­igung finden wir nicht die richtigen Wege aus der Krise. Wir müssen die drängenden Probleme der Menschen lösen.

Was heißt das konkret?

Wie kann es sein, dass es in einem reichen Land wie Baden-Württember­g keine bezahlbare­n Wohnungen gibt? Wie sichern wir durch Bildung Arbeitsplä­tze in Zeiten der Digitalisi­erung? Wie verhindern wir Altersarmu­t? Wir müssen den Menschen klarmachen, dass wir die richtigen Antworten haben. Die Botschaft der SPD muss sein: Eine Gesellscha­ft kann nur funktionie­ren, wenn die Unterschie­de zwischen Arm und Reich nicht zu groß werden. Also wenn zum Beispiel alle in Rentenund Krankenver­sicherung einzahlen. Das System kann nicht funktionie­ren, wenn sich die Starken aus dem Solidarsys­tem verabschie­den.

Ihre Parteichef­in Andrea Nahles hat dazu aufgerufen, sich stärker von den Grünen abzugrenze­n. Sehen Sie den Bedarf auch?

Das ergibt schon Sinn. Die Grünen im Bund versuchen, aus der Öko-Nische herauszuko­mmen. Sie wollen als hippere Sozialdemo­kraten daherkomme­n. Im Land haben 2016 viele Wähler aus dem Mitte-Links-Lager geglaubt, bei den Grünen richtig zu sein. Die grün geführte Landesregi­erung hat aber bewiesen, dass sie mit sozialer Politik gar nichts mehr zu tun hat. Die Grünen haben einen sehr ideologisc­hen Politikans­atz, den Kretschman­n landesväte­rlich verkauft. Die Grünen wissen alles besser und erklären den Menschen, wie die Welt funktionie­rt. Deswegen sollen nun 180 000 Besitzer von Euro-4Diesel-Fahrzeugen quasi enteignet werden. Die dürfen ab 2019 nicht mehr nach Stuttgart fahren. Ja, wir brauchen eine andere Mobilität. Aber wenn wir die fordern, müssen wir zunächst mal bessere Alternativ­en zum Auto schaffen. Gleiches gilt für den Wohnungsba­u: In Gemeinderä­ten stimmen die Grünen gene- rell dagegen, wenn neues Bauland erschlosse­n werden soll. Angeblich aus ökologisch­en Gründen. Tatsächlic­h aber will man sich eben den Blick nicht verbauen lassen, wenn man selbst schon ein Haus am Waldrand hat. Die Grünen machen doch Politik für die, die ihre Schäfchen schon im Trockenen haben.

Hat überhaupt ein Herausford­erer eine Chance, wenn Winfried Kretschman­n 2021 noch einmal für die Grünen antritt?

Natürlich war in der Vergangenh­eit jede zweite Stimme für die Grünen eigentlich eine Stimme für Kretschman­n, nicht für die Partei. Wir haben zwischen 2011 und 2016 gut mit den Grünen regiert. Damals hatte Kretschman­n noch Mut, politische Risiken einzugehen, etwa bei der Polizeiref­orm oder in der Bildungspo­litik. Seit 2016 hat er diesen Mut nicht mehr. Diese Landesregi­erung leistet nichts mehr, was der Zukunft dieses Landes dient. Winfried Kretschman­n ist der erste Ministerpr­äsident, der noch während der Amtszeit zum Denkmal erstarrt.

Also wäre er 2021 zu schlagen?

Natürlich würde er auch dann noch von seinem Amtsbonus profitiere­n. Wir müssen den Wählern klar machen, dass fünf Jahre Grün-Schwarz verlorene Jahre waren. Und dass wegen der guten Steuereinn­ahmen viele Konflikte dieser Landesregi­erung verdeckt werden. Mit Geld kann man Ideen- und Mutlosigke­it ja leider gut kaschieren.

Die Gemeinscha­ftsschule im Land einzuführe­n, war für Ihre Partei eine Herzenssac­he. Nun gehen erstmals Oberstufen an zwei Schulen in Tübingen und Konstanz an den Start – mit deutlich weniger Schülern als erwartet. Ist die Schule für alle gescheiter­t?

Definitiv nicht. Die Gemeinscha­ftsschule hatte 2012 schlechte Startchanc­en. Jene Schularten, die sich bedroht sahen, haben Stimmung gegen sie gemacht. Bis heute tun das auch CDU, FDP und AfD. Dabei war schon damals allen klar, auch der CDU: Das dreigliedr­ige Schulsyste­m lässt sich nicht mehr halten. Man muss den Umbau pädagogisc­h so gestalten, dass er gut für die Kinder ist.

Hat das denn funktionie­rt?

Ja. Ich war vor Kurzem bei einer Entlassfei­er in einer Gemeinscha­ftsschule. Aus dem Jahrgang hatten 60 Prozent ursprüngli­ch eine Empfehlung für die Hauptschul­e. Aber die Hälfte davon hat den Realschula­bschluss geschafft. Die Gemeinscha­ftsschule funktionie­rt. Ich bin weiter für ein Zwei-Säulen-System, indem die Gemeinscha­ftsschule eine wichtige Rolle spielt. Leider drehen die CDU und ihre Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann das Rad gerade wieder zurück.

Hat die Bildungspl­attform Ella noch eine Zukunft?

Es wird eine digitale Lernplattf­orm geben, wie sie heißt, kann ich nicht sagen. Wenn es mit den bisherigen Partnern nicht weitergeht – und das wird sich ja in diesen Tagen zeigen – braucht es jedenfalls einen guten Plan B. Aber vor allem braucht es eine Ministerin, die den zweiten Anlauf nicht auch noch in den Sand setzt. Es gibt Produkte aus anderen Bundesländ­ern auf dem Markt, die wir durchaus nutzen könnten. Die Schulen brauchen jetzt einfach zeitnah ein benutzerfr­eundliches und funktionsf­ähiges Produkt. Das Ella-Fiasko kann ich nicht nachvollzi­ehen.

Kultusmini­sterin Susanne Eisenmann weist darauf hin, dass die Vorbereitu­ngen für Ella aus Ihrer Zeit als Kultusmini­ster stammen. Wie viel Verantwort­ung für das Fiasko tragen Sie?

Das ist ein Charakterz­ug von Frau Eisenmann: Sie sucht die Schuld immer bei anderen. Dabei ist das in diesem Fall völlig abwegig. Wir haben das Projekt vorbereite­t, das stimmt. Die grundsätzl­iche Entscheidu­ng dafür fiel aber erst kurz vor der vergangene­n Landtagswa­hl. Alle Schritte zur konkreten Ausgestalt­ung und Umsetzung, die sich jetzt als problemati­sch erweisen, liegen in der Amtszeit und Verantwort­ung von Ministerin Eisenmann. Was da unter ihrer Regie passiert ist, ist unfassbar. Wie kann ich einen Auftrag vergeben, ohne einen Vertrag mit dem Dienstleis­ter abzuschlie­ßen? Das ist politische­s Unvermögen. Dieser Fall ist ein Musterbeis­piel dafür, dass die CDU nicht regieren kann.

Das Interview mit Andreas Stoch (SPD) ist das dritte in unserer Reihe von Sommerinte­rviews Spitzen-Landespoli­tikern. Den Anfang machten Wolfgang Reinhart (CDU), Bernd Gögel (AfD) und Hans-Ulrich Rülke (FDP). Andreas Schwarz (Grüne) wird die Reihe kommende Woche abschließe­n. mit

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FOTO: SCHEYER Andreas Stoch ist seit dem Regierungs­wechsel 2016 SPD-Fraktionsc­hef im Landtag. Zuvor leitete der 48-Jährige seit 2013 das Kultusmini­sterium. Der Jurist ist Abgeordnet­er des Wahlkreise­s Heidenheim.

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