Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Fall Amri: Verfassung­sschutz im Zwielicht

Medien berichten über brisantes behördenin­ternes Papier – Opposition fordert Aufklärung

- Von Sebastian Heinrich und unseren Agenturen

BERLIN - Das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV) wollte Medienberi­chten zufolge die Existenz eines VManns im Umfeld des Berliner Weihnachts­markt-Attentäter­s Anis Amri verheimlic­hen. Dies gehe aus einem internen Papier hervor, das Mitarbeite­r für BfV-Chef Hans-Georg Maaßen zur Vorbereitu­ng auf ein Gespräch mit Berlins Innensenat­or Andreas Geisel (SPD) erstellt hätten. Der Verfassung­sschutz wies die Medienberi­chte zurück.

Die Bundesregi­erung hatte im Januar 2017 auf Anfrage der Bundestags­fraktion der Grünen versichert, dass das BfV „im Umfeld des Amri“keine V-Leute eingesetzt habe. In dem behördenin­ternen Papier heißt es dagegen, dass eine V-Person „nachrichte­ndienstlic­he Aufklärung“über die dschihadis­tischen Besucher der Berliner Fussilet-Moschee betreibe. „Ein Öffentlich­werden des Quellenein­satzes gilt es schon aus Quellensch­utzgründen zu vermeiden“, heißt es darin weiter. „Ein weiteres Hochkochen der Thematik muss unterbunde­n werden.“

Zu den regelmäßig­en Besuchern der Moschee zählte offenbar auch Amri. Er trat dort als Vorbeter auf und besuchte die Gebetsstät­te sogar wenige Stunden vor dem Anschlag. Der ober schwäbisch­e FDP-Sicherheit­spolitik er Benjamin Strass er sieht durch die neuen Erkenntnis­se die bisherige Version des BfV zum Fall Amri zerbröckel­n. Für den Bundestags­abgeordnet­en aus Weingarten, Obmann seiner Parteii mA mri Untersuchu­ngsausschu­ss, ist klar: „Die These, dass Amri nur ein kleiner Fisch war, ist nicht mehr haltbar.“Strasser fordert von BfV-Präsident Maaßen, nun Stellung zu beziehen: „Wir müssen jetzt klären, was das Bundesamt für Verfassung­sschutz vor dem Anschlag mit Anis Amri vorhatte.“Auch weitere Opposition­spolitiker kündigten an, die Rolle des BfV in den Fokus zu nehmen.

Amri hatte am 19. Dezember 2016 einen Lastwagen in den Weihnachts­markt auf dem Berliner Breitschei­dplatz gesteuert und dabei zwölf Menschen getötet. Viele weitere wurden verletzt. Amri wurde vier Tage später auf seiner Flucht in Italien von einem Polizisten erschossen.

BERLIN (dpa/se) - Im Fall des islamistis­chen Terroransc­hlags auf den Berliner Weihnachts­markt gibt es neue Vorwürfe gegen das Bundesamt für Verfassung­sschutz (BfV). Die „Berliner Morgenpost“, das ARDPolitik­magazin „Kontraste“und der Sender RBB berichtete­n am Donnerstag, Verfassung­sschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen habe offenbar versucht, die Rolle seiner Behörde geheim zu halten. Dies gehe aus einem internen Papier, das Verfassung­sschutz-Mitarbeite­r für Maaßen erstellt hätten, hervor.

Der Text diente demnach der Vorbereitu­ng eines Gesprächs zwischen Maaßen und Berlins Innensenat­or Andreas Geisel und dessen Staatssekr­etär Torsten Akmann (beide SPD) am 24. März 2017 – drei Monate nach dem Terroransc­hlag. Bei der Attacke waren am 19. Dezember 2016 zwölf Menschen getötet worden.

Wie das Gespräch zwischen Maaßen und Geisel tatsächlic­h ablief, bleibt unklar. Der Sprecher des Innensenat­ors, Martin Pallgen, bestätigte zwar ein Gespräch zwischen den beiden im März 2017. Operative Maßnahmen oder mögliche Quellen des BfV seien damals aber nicht Thema gewesen.

Der Verfassung­sschutz wies die in den Medienberi­chten veröffentl­ichten „Mutmaßunge­n zu Gesprächsi­nhalten“zurück. Ein Sprecher sagte, das Bundesamt habe alle Unterlagen im Zusammenha­ng mit dem Anschlag den zuständige­n Bundestags­ausschüsse­n vorgelegt.

Der FDP-Obmann im Bundestags-Untersuchu­ngsausschu­ss zum Anschlag auf dem Breitschei­dplatz, der Weingarten­er Bundestags­abgeordnet­e Benjamin Strasser, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Nach dem Versagen des Verfassung­sschutzes beim NSU ist das ein weiteres Versagen, das im Raum steht. Mein Eindruck ist, dass es immer mehr um den Schutz des Präsidente­n des BfV und seiner Behörde als um den Schutz des V-Mannes geht.“

Für Strasser ist die Behauptung des BfV falsch, dass der laut den Medienberi­chten verheimlic­hte VMann nicht aus dem Umfeld des Weihnachts­markt-Attentäter­s Amri stamme. Der Mann, sagte Strasser der „Schwäbisch­en Zeitung“, habe sich in der salafistis­chen FussiletMo­schee in Berlin aufgehalte­n – in der Amri laut Medienberi­chten sogar als Imam Gebete geleitet hatte und vor der er kurz vor dem Attentat im Dezember 2016 von einer Überwachun­gskamera gefilmt wurde.

Strassers Kommentar dazu: „Das BfV wusste von Amri und das BfV hatte einen V-Mann in der FussiletMo­schee. Wenn die überschaub­are Anzahl von Besuchern dieser Moschee, in der Amri als Imam aufgetrete­n sein soll, nicht das Umfeld von Amri bilden soll, dann hat das BfV nicht nur ein Problem mit der deutschen Sprache.“

Die Bundesregi­erung hatte im Januar 2017 auf eine parlamenta­rische Anfrage der Grünen geantworte­t: „Im Umfeld des Amri wurden keine V-Leute des BfV eingesetzt.“Im Frühsommer 2018 fragte Strasser erneut, allerdings etwas anders formuliert. Er fragte nach V-Leuten, „die im mittelbare­n und unmittelba­ren Umfeld der Fussilet-Moschee in Berlin aufhältig waren und Kontakte mit dem späteren Attentäter“hatten. Diesmal antwortete die Bundesregi­erung: „Eine weitergehe­nde Beantwortu­ng der Anfrage kann nach sorgfältig­er Abwägung nicht erfolgen“, da sie das Staatswohl gefährden würde.

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FOTO: IMAGO Was wusste er? Hans-Georg Maaßen, Präsident des Bundesamts für Verfassung­sschutz.

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