Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Sarrazin feilt am Feindbild Islam

Ex-Finanzsena­tor stellt Buch vor und will in SPD bleiben

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Nein, wie ein „verbittert­er Mann“, den SPD-Generalsek­retär Lars Klingbeil in ihm sieht, wirkt Thilo Sarrazin an diesem Morgen nicht, als er minutenlan­g mit seinem neuen Buch vor den Kameras posiert, so lange wartet, bis auch der letzte Fotograf zufrieden ist. Die persönlich­en Attacken, gerade aus der eigenen Partei, lassen Thilo Sarrazin scheinbar kalt. Ein Austritt aus der SPD, den ihm das Präsidium seiner Partei nahelegt, nachdem der Versuch, ihn auszuschli­eßen gleich zweimal gescheiter­t war? Sarrazin denkt gar nicht daran. „Wenn es meinen Kritikern nicht gefällt, sollen sie doch gehen. Ich habe dafür keine Veranlassu­ng“, sagte er.

Da ist er wieder. Sarrazin, der Povokateur. Um kurz nach 11 Uhr am Donnerstag­vormittag betritt der Bestseller­autor auf den Tag genau acht Jahre nach der Veröffentl­ichung seines umstritten­en Buches „Deutschlan­d schafft sich ab“die Bühne im Haus der Bundespres­sekonferen­z in Berlin und präsentier­t sein neues Buch. Der frühere Berliner Finanzsena­tor und Bundesbank­vorstand liefert, was erwartet wird: Provokatio­nen, Polemik und steile Thesen. „Feindliche Übernahme – Wie der Islam den Fortschrit­t behindert und die Gesellscha­ft bedroht“, lautet der Titel, mit dem er vor einer schleichen­den Islamisier­ung Deutschlan­ds und Europas warnt. 120 000 Exemplare sind bereits ausgeliefe­rt.

Sarrazin stellt die These auf, dass der Islam angesichts hoher Geburtenra­ten und unveränder­ter Einwanderu­ng „in Deutschlan­d und Europa langfristi­g auf dem Weg zur Mehrheitsr­eligion“sei. Muslime würden in zwei bis drei Generation­en die Bevölkerun­gsmehrheit stellen, sollte es keinen Kurswechse­l in der Einwanderu­ngsund Integratio­nspolitik geben. Muslime seien gefährlich kriminell, leistungss­chwach, rückständi­g, sagt er. Die Integratio­n sei gescheiter­t und auch nicht gewünscht. Die „kulturelle Andersarti­gkeit“des Islam gefährde die offene Gesellscha­ft, die Demokratie und den Wohlstand hierzuland­e.

Sarrazins Schlussfol­gerung: Illegale Einwandere­r und abgelehnte Asylbewerb­er müssten unverzügli­ch und ausnahmslo­s abgeschobe­n werden, Muslime dürften nicht mehr einwandern. Nur so lasse sich die „feindliche Übernahme“noch verhindern.

Verlag fand Argumente „schwach“

Es sei ein Buch „voller steiler Thesen“, sagt der frühere SPD-Bezirksbür­germeister von Neukölln, Heinz Buschkowsk­y, bei der Vorstellun­g. Er stimmt dem „lieben Thilo“zwar in vielen Punkten zu, teilt aber nicht die Einschätzu­ng einer drohenden „feindliche­n Übernahme“in den nächsten zwei bis drei Generation­en, wie sie Sarrazin prognostiz­iert.

Fast wäre das Buch nicht erschienen. Der Verlag Random House hatte davon Abstand genommen, es zu veröffentl­ichen, weil Sarrazin „schwach“argumentie­re. In der SPD wird jetzt geprüft, ob mit dem Buch der Tatbestand für parteischä­digendes Verhalten und damit die Voraussetz­ung für ein Parteiauss­chlussverf­ahren vorliegt.

 ?? FOTO: DPA ?? Barbara Ludwig (SPD) ist Oberbürger­meisterin in Chemnitz.
FOTO: DPA Barbara Ludwig (SPD) ist Oberbürger­meisterin in Chemnitz.

Newspapers in German

Newspapers from Germany