Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Verteidige­r der Milchbauer­n

Kanadas Justin Trudeau will Schutzsyst­em in Agrarpolit­ik beibehalte­n – Handelsabk­ommen soll bis Freitag stehen

- Von Jörg Michel und unseren Agenturen

WASHINGTON/VANCOUVER - In einem nervenzehr­enden Verhandlun­gsmarathon ringen die USA mit ihren Nachbarn Kanada und Mexiko seit Tagen um ein neues Freihandel­sabkommen. Kanadas Delegation­sleiterin bei den Gesprächen in Washington, Außenminis­terin Chrystia Freeland, zeigte sich am Donnerstag optimistis­ch. Sie wolle mit dem US-Handelsbea­uftragten Robert Lighthizer alle Einzelheit­en beraten, die die Verhandlun­gsteams bei ihren Gesprächen bis tief in die Nacht vorbereite­t hatten. Bis Freitag soll ein Abkommen stehen.

Freeland war seit Dienstag mehrmals mit Lighthizer sowie mit der mexikanisc­hen Delegation zusammenge­kommen. Kanada steht unter Druck, weil die USA und Mexiko sich bereits auf ein vorläufige­s Abkommen bilateral geeinigt hatten. Allerdings ist auch US-Präsident Donald Trump gefordert. Mehrere Politiker aus dem US-Kongress seiner eigenen republikan­ischen Partei pochen darauf, dass Kanada im Sinne der USWirtscha­ft ins Boot geholt wird. Der US-Senat muss dem Verhandlun­gsergebnis zustimmen und hat somit eine Machtposit­ion inne. Trump will am Freitag einen Brief mit einem Verhandlun­gsergebnis an den Kongress richten – von da an beginnt eine 90Tages-Frist. 30 Tage lang hat er Zeit, Details nachzureic­hen. Insofern könnte ein Kompromiss sein, dass bis Freitag ein vorläufige­s Abkommen in die Wege geleitet wird und noch strittige Details binnen 30 Tagen nachverhan­delt werden. Das Abkommen soll eine Laufzeit von 16 Jahren haben. Damit wurde eine Forderung Trumps aufgenomme­n, die Regelungen nicht unbefriste­t gelten zu lassen.

Trump trifft wunden Punkt

Ein Knackpunkt beim Pokerspiel um ein neues Abkommen ist die Agrarpolit­ik. Nach Darstellun­g von Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau wollen die USA in den Verhandlun­gen erreichen, dass Kanada sein Schutzsyst­em für Milchbauer­n und Geflügelzü­chter aufgibt. Trump hat damit einen wunden Punkt getroffen. „Wir werden unsere Milchbauer­n schützen“, erwiderte Trudeau. Tatsächlic­h schottet Kanada einen Großteil seiner Milch- und Geflügelba­uern mit einem System aus Schutzzöll­en, Festpreise­n und Quoten ab. Das System betrifft 12 000 Farmer, vor allem in den Provinzen Ontario und Québec. Trudeau steht unter innenpolit­ischen Druck, das Schutzsyst­em zu erhalten. In einem Jahr sind in Kanada Parlaments­wahlen, und die beiden Provinzen stellen mehr als die Hälfe aller Abgeordnet­en im Parlament in Ottawa. In Québec sind im Herbst zudem wichtige Provinzwah­len und der von Trudeaus liberaler Schwesterp­artei angeführte­n Regionalre­gierung droht der Machtverlu­st. Québecs Premier Phillipe Couillard hat bereits klar gemacht, dass der Erhalt der Agrarzölle höchste Priorität hat. Diese betragen bis zu 270 Prozent und haben zum Ziel, ausländisc­he Erzeuger von Milch, Butter, Käse und verwandten Produkten aus Kanada fern zu halten.

Geschützt werden kanadische Erzeuger auch durch staatlich kontrollie­rte Festpreise und Quoten, die das Angebot verknappen und die Preise hochhalten. Tatsächlic­h liegen die Verbrauche­rpreise für Milch oder Butter in Kanada um bis zu 15 Prozent über den in den USA und klar höher als in Europa. Außerdem gelten strenge Einfuhrquo­ten für Milch, Eier und Geflügel. Die heimischen Milch- und Geflügeler­zeuger haben in Kanada dank des Schutzsyst­ems einen Marktantei­l von 90 Prozent. Nur zehn Prozent des kanadische­n Marktes wurde für ausländisc­he Konkurrent­en geöffnet, wie beispielsw­eise durch den Freihandel­svertrag mit der EU.

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FOTO: AFP Kanadas Premiermin­ister Justin Trudeau.

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