Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Ein kleiner Flecken mit großer Geschichte

Auf dem Vollochhof bei Kanzach wohnen heute zwei Einwohner und viele Pferde

- Von Klaus Weiss

KANZACH - Kleine Flecken gibt es einige in der Region – und manche von ihnen sind so klein, dass man an ihnen vorbeifähr­t, ohne sie zu bemerken. Der Vollochhof zwischen Kanzach und Bad Buchau ist solch ein kleiner Ort. Ein Abstecher abseits der Hauptwege ist aber durchaus lohnend.

Wer von Bad Buchau nach Kanzach fährt, bemerkt rechts der Straße bei der Abzweigung nach Dürnau einen fast undurchdri­nglich erscheinen­den Laubwald. Kein Fremder käme wohl auf die Idee. dahinter ein uraltes Hofgut zu suchen: den zu Kanzach gehörenden Vollochhof. Lediglich weiter in Richtung Bad Buchau sieht man einen Teil der Verbandskl­äranlage durch das Blätterdac­h des Walds. Die Einfahrt zur Kläranlage führt dann auch durch den Wald an den Vollochhof, ein anderer Zugang endet an einer kleinen Brücke mit einem schmiedeis­ernen Tor.

Die Kanzacher Burg mit den dazugehöri­gen Höfen gehörte einst zum Kloster Reichenau. Dazu zählte auch der Obervolloc­h, wie der Hof damals noch hieß. Schon 1392 hat Heinrich von Blankenste­in die Kanzacher Burg mit den dazu gehörigen Höfen und auch der Mühle zu Volloch an einen Saulgauer Bürger verkauft. Dieser wiederum veräußerte seine Güter, mit Ausnahme der Vollochmüh­le, später dann an das Buchauer Stift. Die Besitzverh­ältnisse haben sich aber in den vielen Jahrhunder­ten immer wieder geändert.

Der jetzige Eigentümer Melchior Sailer und seine Frau Margarete leben nun fast alleine auf dem Hof. Die zwei Kinder sind schon lange außer Haus. „Neben uns“, so der Agraringen­ieur scherzhaft , „sind noch eine zahme Elster, Eichhörnch­en, Hunde und einige Katzen und bis zu 45 Pferde und Ponys auf dem Hof.“Und im Sommer auch noch etliche Kinder, die Ferien auf dem Reiterhof machen.

Weil er sich gerne mit Ahnenforsc­hung beschäftig­t, hat Melchior Sailer einiges an geschichtl­ichem Wissen und viele Jahreszahl­en auf Lager. Im jetzigen Wohnhaus sei schon 1360 die Vollochmüh­le untergebra­cht gewesen, die von der direkt am Haus vorbei fließenden Kanzach angetriebe­n wurde, so Sailer. Bei der zweiten Seefällung Anfang 1800 sei dann der Vollochmüh­le buchstäbli­ch das Wasser abgegraben worden. Deshalb wurde der Betrieb dann hier eingestell­t und ins Untervollo­ch (Seelenwald) verlagert.

Seit 1850 in Familienbe­sitz

Während des Zweiten Weltkriegs habe die Wehrmacht den Hof als OT-Lager genutzt (die „Organisati­on Todt“steht für die paramilitä­rische Bautruppe der NS-Zeit). Nach dem Krieg seien Ost-Flüchtling­e auf dem Hof tätig gewesen. Ab den 1960er-Jahren haben dann Sailers Eltern den Hof wieder selbst bewirtscha­ftet; Mitte der 1980er übernahm er das Hofgut von seinem Vater, das seit 1850 immer im Familienbe­sitz gewesen ist.

Die ehemalige Mühle ist inzwischen zum Wohnhaus umgebaut, nur im Keller sind noch die Wanddurchb­rüche der Achse des Mühlrads sichtbar. Nach rund 20 Jahren Ackerbau, Schweinezu­cht und Bullenmast haben die Sailers dann im Jahr 2000 den Entschluss gefasst, den Vollochhof zum Reiterhof auszubauen. Als früherer Turnierrei­ter hat Sailer Erfahrung im Umgang mit Pferden. Während seine Frau Margarete sich neben den Pferden auch um die Reiterkund­schaft kümmert, sei er für die Stallungen und was dazu gehört zuständig. Um die 35 Hektar Grünland müssen bewirtscha­ftet werden, damit genügend Heu und Futter vorhanden ist. Und in den Ställen selbst gibt es immer etwas zu tun.

 ?? FOTO: KLAUS WEISS ?? Melchior und Margarete Sailer sind die einzigen Bewohner des Vollochhof­s. Im Hintergrun­d ist das Wohngebäud­e zu sehen, in dem sich früher die Vollochmüh­le befand.
FOTO: KLAUS WEISS Melchior und Margarete Sailer sind die einzigen Bewohner des Vollochhof­s. Im Hintergrun­d ist das Wohngebäud­e zu sehen, in dem sich früher die Vollochmüh­le befand.
 ?? FOTO: KLAUS WEISS ?? Der Vollochhof von oben: Die Luftaufnah­me zeigt die umfangreic­hen Pferdestal­lungen und rechts oben im Bild das Wohnhaus.
FOTO: KLAUS WEISS Der Vollochhof von oben: Die Luftaufnah­me zeigt die umfangreic­hen Pferdestal­lungen und rechts oben im Bild das Wohnhaus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany