Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Ein kleiner Flecken mit großer Geschichte
Auf dem Vollochhof bei Kanzach wohnen heute zwei Einwohner und viele Pferde
KANZACH - Kleine Flecken gibt es einige in der Region – und manche von ihnen sind so klein, dass man an ihnen vorbeifährt, ohne sie zu bemerken. Der Vollochhof zwischen Kanzach und Bad Buchau ist solch ein kleiner Ort. Ein Abstecher abseits der Hauptwege ist aber durchaus lohnend.
Wer von Bad Buchau nach Kanzach fährt, bemerkt rechts der Straße bei der Abzweigung nach Dürnau einen fast undurchdringlich erscheinenden Laubwald. Kein Fremder käme wohl auf die Idee. dahinter ein uraltes Hofgut zu suchen: den zu Kanzach gehörenden Vollochhof. Lediglich weiter in Richtung Bad Buchau sieht man einen Teil der Verbandskläranlage durch das Blätterdach des Walds. Die Einfahrt zur Kläranlage führt dann auch durch den Wald an den Vollochhof, ein anderer Zugang endet an einer kleinen Brücke mit einem schmiedeisernen Tor.
Die Kanzacher Burg mit den dazugehörigen Höfen gehörte einst zum Kloster Reichenau. Dazu zählte auch der Obervolloch, wie der Hof damals noch hieß. Schon 1392 hat Heinrich von Blankenstein die Kanzacher Burg mit den dazu gehörigen Höfen und auch der Mühle zu Volloch an einen Saulgauer Bürger verkauft. Dieser wiederum veräußerte seine Güter, mit Ausnahme der Vollochmühle, später dann an das Buchauer Stift. Die Besitzverhältnisse haben sich aber in den vielen Jahrhunderten immer wieder geändert.
Der jetzige Eigentümer Melchior Sailer und seine Frau Margarete leben nun fast alleine auf dem Hof. Die zwei Kinder sind schon lange außer Haus. „Neben uns“, so der Agraringenieur scherzhaft , „sind noch eine zahme Elster, Eichhörnchen, Hunde und einige Katzen und bis zu 45 Pferde und Ponys auf dem Hof.“Und im Sommer auch noch etliche Kinder, die Ferien auf dem Reiterhof machen.
Weil er sich gerne mit Ahnenforschung beschäftigt, hat Melchior Sailer einiges an geschichtlichem Wissen und viele Jahreszahlen auf Lager. Im jetzigen Wohnhaus sei schon 1360 die Vollochmühle untergebracht gewesen, die von der direkt am Haus vorbei fließenden Kanzach angetrieben wurde, so Sailer. Bei der zweiten Seefällung Anfang 1800 sei dann der Vollochmühle buchstäblich das Wasser abgegraben worden. Deshalb wurde der Betrieb dann hier eingestellt und ins Untervolloch (Seelenwald) verlagert.
Seit 1850 in Familienbesitz
Während des Zweiten Weltkriegs habe die Wehrmacht den Hof als OT-Lager genutzt (die „Organisation Todt“steht für die paramilitärische Bautruppe der NS-Zeit). Nach dem Krieg seien Ost-Flüchtlinge auf dem Hof tätig gewesen. Ab den 1960er-Jahren haben dann Sailers Eltern den Hof wieder selbst bewirtschaftet; Mitte der 1980er übernahm er das Hofgut von seinem Vater, das seit 1850 immer im Familienbesitz gewesen ist.
Die ehemalige Mühle ist inzwischen zum Wohnhaus umgebaut, nur im Keller sind noch die Wanddurchbrüche der Achse des Mühlrads sichtbar. Nach rund 20 Jahren Ackerbau, Schweinezucht und Bullenmast haben die Sailers dann im Jahr 2000 den Entschluss gefasst, den Vollochhof zum Reiterhof auszubauen. Als früherer Turnierreiter hat Sailer Erfahrung im Umgang mit Pferden. Während seine Frau Margarete sich neben den Pferden auch um die Reiterkundschaft kümmert, sei er für die Stallungen und was dazu gehört zuständig. Um die 35 Hektar Grünland müssen bewirtschaftet werden, damit genügend Heu und Futter vorhanden ist. Und in den Ställen selbst gibt es immer etwas zu tun.