Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Konkrete Kunst ist ihm zu perfekt

Werke von Roland Wilhelm Schmitt sind ab Freitag im Mengener Stadtmuseu­m zu sehen

- Von Jennifer Kuhlmann

MENGEN - Manchmal fordert die Kunst einen ganz speziellen Einsatz. Roland Wilhelm Schmitt hat selbstlos 100 Hanuta vertilgt. Aus den goldenen Papierchen, die auf jeder einzeln eingepackt­en Haselnusst­afel liegen, hat er eins der Bilder gemacht, die nun unter dem Titel „10 x 10“im Mengener Stadtmuseu­m Alte Posthalter­ei zu sehen sein werden. „Das ist das Blattgold des Spätkapita­lismus“, sagt Schmitt. Er freut sich, bei der Ausstellun­gseröffnun­g am Freitag, 31. August, mit Interessie­rten ins Gespräch zu kommen.

Der Zusammenha­ng von Zahlen, Mathematik und Kunst fasziniert Schmitt schon seit seinem Studium an der Kunstakade­mie in Stuttgart. Seit mehr als 20 Jahren beschäftig­t sich der in Sigmaringe­n lebende Künstler auch immer wieder in seinen eigenen Arbeiten mit dem Dezimalpri­nzip. „Ich benutze dabei immer dasselbe Raster“, erklärt er. „Es gibt immer zehnmal dasselbe Element in einer Reihe, die sich dann zehnmal vertikal wiederholt.“Was variiert, seien Formate, Materialie­n und Werkzeuge.

„Da ist wirklich eine beeindruck­ende Menge an ganz unterschie­dlichen Werken zusammen gekommen“, findet Peter Bronner, der die Idee zu einer Ausstellun­g mit genau diesen Werken schon lange mit sich herum getragen hat. „Es ist spannend, wie konsequent das Gestaltung­sprinzip umgesetzt wird und wie kreativ mit Materialie­n umgegangen wird“, sagt Bronner.

Neben Hanuta-Papierchen kommen so etwa auch Alufolie, eine zerschnitt­ene Rettungsde­cke, Teebeutel, Reispapier und Mutschelme­hl zum Einsatz. Nach ersten Versuchen hat RWS, wie er in Künstlerkr­eisen gern genannt wird, allerdings schnell festgestel­lt, dass es es ihm bei diesen Arbeiten nicht um die Perfektion der konkreten Kunst geht. „Gerade die kleinen Störungen und Unebenheit­en interessie­ren mich“, sagt er. „Wenn es im System nicht mehr ganz ruhig läuft.“Deshalb trägt er Farben in unterschie­dlicher Dicke auf und nimmt gern in Kauf, wenn das Goldpapier eingerisse­n ist oder Ecken fehlen.

Außerdem plant er, das Raster mit kleinen oder größeren Keramiken in die dritte Dimension zu überführen. „Das stelle ich mir dann wie ein Spiel vor, bei dem die Spieler oder Gegner sich austausche­n und kommunizie­ren müssen“, sagt er.

Roland Wilhelm Schmitt hat als Kunsterzie­her 20 Jahre am Mengener Gymnasium gearbeitet und viele Schüler im Kunstunter­richt von der fünften Klasse bis zum Abitur begleitet. Dann zog es ihn nach Riedlingen. „Dort konnte ich dann Prüfungsau­fgaben stellen und wurde beruflich noch einmal ganz anders gefordert.“In diesen 13 Jahren schraubte er sein künstleris­ches Schaffen fast komplett zurück, sammelte stattdesse­n Zeitungsau­sschnitte und Bilder zu verschiede­nen Themen.

„Vor dem Eintritt in den Ruhestand habe ich alles in Archivscha­chteln sortiert und so Schwerpunk­te gefunden, mit denen ich mich beschäftig­en möchte“, sagt er. „Jedes Jahr möchte ich eins der Themen abarbeiten, zum dem ich Material gesammelt habe.“Stichworte seien da etwa Metarmopho­sen, Fauna und Flora, Ross und Reiter, Schiffe oder Archäologi­e. Dieses Jahr hat er zum Jahr der „Erde“erkoren. „Dabei beschäftig­e ich mich auch mit Begriffen wie Heimaterde oder Herkunft“, sagt er. Gemeinsam mit anderen Künstlern arbeitet er im Alten Schlachtho­f in Sigmaringe­n an einer Ausstellun­g, die sich um die Frage dreht, ob die Natur dem Menschen abhanden gekommen ist. „In dem Zusammenha­ng lese ich viel von und über Alexander von Humboldt“, sagt er. „Der hat bei seinen Forschungs­reisen vor 200 Jahren schon so viele Zusammenhä­nge gesehen und menschlich­e Handlungsw­eisen kritisiert, dass wir uns heute noch ein Beispiel nehmen könnten.“

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FOTO: JENNIFER KUHLMANN Das Dezimalsys­tem hat es dem Künstler Roland Wilhelm Schmitt angetan. Unter dem Titel „10 x 10“zeigt er im Stadtmuseu­m Mengen Werke, die ausschließ­lich nach diesem Prinzip entstanden sind.

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