Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Konkrete Kunst ist ihm zu perfekt
Werke von Roland Wilhelm Schmitt sind ab Freitag im Mengener Stadtmuseum zu sehen
MENGEN - Manchmal fordert die Kunst einen ganz speziellen Einsatz. Roland Wilhelm Schmitt hat selbstlos 100 Hanuta vertilgt. Aus den goldenen Papierchen, die auf jeder einzeln eingepackten Haselnusstafel liegen, hat er eins der Bilder gemacht, die nun unter dem Titel „10 x 10“im Mengener Stadtmuseum Alte Posthalterei zu sehen sein werden. „Das ist das Blattgold des Spätkapitalismus“, sagt Schmitt. Er freut sich, bei der Ausstellungseröffnung am Freitag, 31. August, mit Interessierten ins Gespräch zu kommen.
Der Zusammenhang von Zahlen, Mathematik und Kunst fasziniert Schmitt schon seit seinem Studium an der Kunstakademie in Stuttgart. Seit mehr als 20 Jahren beschäftigt sich der in Sigmaringen lebende Künstler auch immer wieder in seinen eigenen Arbeiten mit dem Dezimalprinzip. „Ich benutze dabei immer dasselbe Raster“, erklärt er. „Es gibt immer zehnmal dasselbe Element in einer Reihe, die sich dann zehnmal vertikal wiederholt.“Was variiert, seien Formate, Materialien und Werkzeuge.
„Da ist wirklich eine beeindruckende Menge an ganz unterschiedlichen Werken zusammen gekommen“, findet Peter Bronner, der die Idee zu einer Ausstellung mit genau diesen Werken schon lange mit sich herum getragen hat. „Es ist spannend, wie konsequent das Gestaltungsprinzip umgesetzt wird und wie kreativ mit Materialien umgegangen wird“, sagt Bronner.
Neben Hanuta-Papierchen kommen so etwa auch Alufolie, eine zerschnittene Rettungsdecke, Teebeutel, Reispapier und Mutschelmehl zum Einsatz. Nach ersten Versuchen hat RWS, wie er in Künstlerkreisen gern genannt wird, allerdings schnell festgestellt, dass es es ihm bei diesen Arbeiten nicht um die Perfektion der konkreten Kunst geht. „Gerade die kleinen Störungen und Unebenheiten interessieren mich“, sagt er. „Wenn es im System nicht mehr ganz ruhig läuft.“Deshalb trägt er Farben in unterschiedlicher Dicke auf und nimmt gern in Kauf, wenn das Goldpapier eingerissen ist oder Ecken fehlen.
Außerdem plant er, das Raster mit kleinen oder größeren Keramiken in die dritte Dimension zu überführen. „Das stelle ich mir dann wie ein Spiel vor, bei dem die Spieler oder Gegner sich austauschen und kommunizieren müssen“, sagt er.
Roland Wilhelm Schmitt hat als Kunsterzieher 20 Jahre am Mengener Gymnasium gearbeitet und viele Schüler im Kunstunterricht von der fünften Klasse bis zum Abitur begleitet. Dann zog es ihn nach Riedlingen. „Dort konnte ich dann Prüfungsaufgaben stellen und wurde beruflich noch einmal ganz anders gefordert.“In diesen 13 Jahren schraubte er sein künstlerisches Schaffen fast komplett zurück, sammelte stattdessen Zeitungsausschnitte und Bilder zu verschiedenen Themen.
„Vor dem Eintritt in den Ruhestand habe ich alles in Archivschachteln sortiert und so Schwerpunkte gefunden, mit denen ich mich beschäftigen möchte“, sagt er. „Jedes Jahr möchte ich eins der Themen abarbeiten, zum dem ich Material gesammelt habe.“Stichworte seien da etwa Metarmophosen, Fauna und Flora, Ross und Reiter, Schiffe oder Archäologie. Dieses Jahr hat er zum Jahr der „Erde“erkoren. „Dabei beschäftige ich mich auch mit Begriffen wie Heimaterde oder Herkunft“, sagt er. Gemeinsam mit anderen Künstlern arbeitet er im Alten Schlachthof in Sigmaringen an einer Ausstellung, die sich um die Frage dreht, ob die Natur dem Menschen abhanden gekommen ist. „In dem Zusammenhang lese ich viel von und über Alexander von Humboldt“, sagt er. „Der hat bei seinen Forschungsreisen vor 200 Jahren schon so viele Zusammenhänge gesehen und menschliche Handlungsweisen kritisiert, dass wir uns heute noch ein Beispiel nehmen könnten.“