Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Besuch beim Bienenfreu­nd

In Rot a. d. Rot wird die Honigprodu­ktion für jeden erlebbar gemacht

- Von Christine King

Bienenfreu­nd“– so steht es hinten auf seinem Vereins-TShirt, und besser kann man die Leidenscha­ft des Hobbyimker­s wohl kaum ausdrücken. Auch Wolfgang Höschele selbst mag es gerne hören. Das sei die Idee seiner Vereinskam­eraden gewesen, aber stolz darauf ist er allemal. „Seit ich 14 Jahre alt bin, beschäftig­e ich mich mit Bienen“, erzählt der 70-jährige Hobbyimker, der ursprüngli­ch einmal GasWasser-Installate­ur gelernt hat und später 46 Jahre lang mit seiner Frau ein Busunterne­hmen in Rot a. d. Rot geleitet hat. „Urlaub mach’ ich keinen, hab’ schon genug gesehen auf der Welt“, meint der Bienenfreu­nd, der jetzt den ganzen Tag Zeit für sein Hobby hat und sein Wissen gerne weitergibt: an Schulkinde­r, an zufällige Gäste vom naheliegen­den Klostertag­ungshaus, an angemeldet­e Besucher, auch an Neuimker und solche, die es werden wollen.

„Ja, das Telefon klingelt sehr oft“, sagt er, „eine Menge Leute interessie­rt sich derzeit für Bienen, und der Bedarf an Informatio­n ist sehr groß.“Um Krankheite­n geht’s dabei, um Standorte für die Kästen oder auch um Fütterung, das Honigmache­n und die Bekämpfung der Varroa-Milbe. Bei Letzterem setzt Höschele auf 60-prozentige Ameisensäu­re: „Derzeit das beste Mittel dagegen.“

Allergiker kommen

Seine etwa 24 Bienenvölk­er, die rund um das Bienenmuse­um in Rot an der Rot verteilt sind, danken ihm seinen Eifer – mit wenig Krankheite­n und mit einer guten Honig- und Wachsausbe­ute. Handcremes, Seifen, Kerzen, Honig, Schnäpse und Liköre – eigentlich alles, was aus Wachs und Honig hergestell­t werden kann, gibt es im Bienenmuse­um zu testen oder zu besichtige­n. „Sogar die Apitherapi­e bieten wir an“, erzählt der Bienenfreu­nd und klärt im nächsten Satz auf. „Konzentrie­rte Bienenluft einatmen soll gegen Pollenalle­rgien helfen.“Immer wieder reist jemand extra deswegen hierher.

Kapelle für den Schutzheil­igen

Die meisten kommen aber, um Höschele und seinen Vereinskol­legen bei ihrer täglichen Arbeit zuzusehen. „Derzeit sind wir mit der Ameisensäu­re beschäftig­t“, beschreibt er seine momentane Hauptaufga­be, „das geht nur noch bis in den September hinein.“Dann zeigt er die abgestorbe­nen kleinen Milben auf einer weißen Platte und freut sich über jeden winzigen Punkt. Diese Milben schädigen die Brut und so kommt es zu Missgeburt­en. Aber nicht nur über Krankheite­n referiert Höschele gern. „Ich kann locker zwei Stunden lang über Bienen reden“, sagt er, zeigt dann aber nach draußen auf die neu gebaute Kapelle für den Heiligen Ambrosius, den Schutzheil­igen für Imker und Bienen. „Für den gab es im ganzen Kreis Biberach keine eigene Kapelle, das wollte ich ändern.“

Dann erzählt er von den Königinnen und dem Gelee royale, das ihnen die Ammen geben und das sie größer werden lässt als die anderen Bienen, von Arbeitsbie­nen und Drohnen, von Reinigungs­flügen im Frühjahr, „die unbedingt nötig sind, damit sie sich entleeren können“, und von Schwänzelt­änzen im Kasten, „von denen die anderen Bienen ablesen können, wo es Futter gibt“. Man hört mit Erstaunen, dass Bienen Durchfall haben können und er mit bloßem Auge sehen kann, wenn eine von ihnen im indischen Springkrau­t war, „weil sie dann hinten weiße Spuren hat – hier, sehen Sie?“

Mal eine Königin anschauen? „Klar.“Und er greift mit bloßen Händen in einen Kasten – „die sind ziemlich zahm, inzwischen züchtet man ja Rassen mit Sanftmütig­keit und Schwarmträ­gheit“– holt langsam Wabe für Wabe heraus und wird beim fünften Mal fündig. Die Königin ist doppelt so groß wie die anderen Bienen und hat einen roten Punkt auf dem Körper. Dass sie nach nur einmaligem Begatten bis zu 2500 Eier am Tag legen kann und für ein Volk von ungefähr 60 000 Tieren zuständig ist, macht den Betrachter regelrecht ehrfürchti­g. Bis zu vier Jahre wird sie alt – ganz im Unterschie­d zu einer normalen Arbeitsbie­ne, die im Sommer nur zwei bis sechs Wochen lebt.

Neben vielen Informatio­nen zum Bienenlebe­n gibt es noch jede Menge Museales zu sehen. Handwerksz­eug von anno dazumal, hundert Jahre alte Rauchpfeif­en, eine Honigschle­uder, „die nur noch ein bissle Riemenharz braucht“, damit sie wieder funktionie­rt, und ein Büchlein – „mein ältestes Stück“– aus dem Jahr 1834 mit dem Titel „Die praktische Bienenzuch­t“, das einem Altusriede­r Pfarrer gehört hat. Fast genauso stolz ist der Vorsitzend­e des 62 Imker und Imkerinnen starken Vereins auf sein Gästebuch. Lobende Worte und Fotos von Politikern und Gästen aus der ganzen Welt stehen darin. Und auch von Ortsansäss­igen wie zum Beispiel Schulklass­en oder „den Frauen vom Hennazucht­verein“. Eines seiner Lieblingsb­ilder zeigt einen Schüler beim Bekleben der Königin mit einem roten Punkt. „Sehen Sie, wie der schaut?“Völlig Fasziniert. Könnte daran liegen, dass der Zehnjährig­e etwas von der Ehrfürchti­gkeit eines Wolfgang Höschele für seine Bienen gespürt hat, der abschließe­nd zusammenfa­sst: „Was die leisten, das leistet sonst kein Mensch oder Tier.“

Das Bienenmuse­um in Rot an der Rot ist offen für jedermann. Es werden Einzel- und Gruppenfüh­rungen angeboten, Besichtigu­ngen während der Arbeitszei­t sind jederzeit nach vorheriger Absprache möglich. Der dazugehöri­ge Bienenlehr­pfad an der Haslach ist etwa einen Kilometer lang und rund zwei Kilometer vom Museum entfernt, kann aber auch in Verbindung mit dem Museum angeschaut werden. Das Museum kostet keinen Eintritt. Spezielle Kinderführ­ungen gibt es auch. Weitere Informatio­nen erteilt Wolfgang Höschele unter Tel.: 08395/636

Alle Beiträge der Sommerzeit­Serie auch unter www.schwäbisch­e.de/sommerzeit

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FOTOS: KING „Die sind zahm“, sagt Wolfgang Höschele und holt die Waben völlig ungeschütz­t aus den Kästen.
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Mit dieser Rauchpfeif­e wurden vor hundert Jahren die Bienen beruhigt.
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