Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Frankreichs düsterer Gigant
Gérard Depardieu ist für unflätige Auftritte bekannt – Die Vergewaltigungsvorwürfe einer jungen Frau weist er zurück
PARIS - Gérard Depardieu ist ein Mann der Exzesse. Einmal urinierte Frankreichs bekanntester Schauspieler sogar in ein Flugzeug, weil die Flugbegleiter ihm den Gang zur Toilette verwehrten. Als er 2013 seiner Heimat wegen der hohen Steuern den Rücken kehrte, um russischer Staatsbürger zu werden, inszenierte er auch seinen Abgang mit viel Getöse. „Es gab immer Lärm um Depardieu. Er hat weder das Schweigen noch die Nacht geliebt“, schrieb die Zeitung „Le Monde“damals. Wohl deshalb ist der Darsteller von „Cyrano de Bergerac“auch als hemmungsloser Trinker bekannt. 14 Flaschen trinke er am Tag, bekannte „Gégé“2014.
„Die Maßlosigkeit ist eine zu einfache Verkürzung, um ihn zu charakterisieren“, sagt der Regisseur Yves Angelo in „Le Monde“. „Seine Wirklichkeit ist seine Sensibilität, die stärker ist als bei Normalsterblichen. Man muss ihn als Ganzes nehmen, auch das, was schockiert.“Der schwergewichtige Sohn eines Arbeiters, der sich als Jugendlicher prostituierte, passt in kein Schema. Zweitklassige Filme standen in den vergangenen Jahren neben nachdenklichen Interpretationen von Liedern der Chanson-Legende Barbara. Um das Mysterium Depardieu selbst aufzuklären, brachte der Schauspieler 2017 seine Biographie „Monstres“heraus, in der er über seine eigenen Monster spricht. „Man muss die Monster herauslassen, wenn man nicht möchte, dass sie einen auffressen“, schrieb er.
Großer Künstler
Trotz seiner schillernden Persönlichkeit ist Kritik an der Filmlegende in Frankreich verpönt. „Gérard Depardieu ist ein großer Künstler und wird in Frankreich geliebt“, versicherte der damalige Regierungschef Jean-Marc Ayrault 2013, nachdem er den Obelix-Darsteller wegen seiner Steuerflucht als „erbärmlich“bezeichnet hatte.
„Der Mann ist düster, doch der Schauspieler ist gigantisch“, lobte seine Filmpartnerin Catherine Deneuve, neben Depardieu der zweite internationale Star Frankreichs, den 69-Jährigen. Die beiden drehten den Kultfilm „Die letzte Metro“zusammen, für den Depardieu den Filmpreis César bekam. Auch nach seiner Emigration nach Saransk in der russischen Republik Mordwinien hat der Schauspieler weiter ein Haus in Paris, wo er schon frühmorgens mit seinem Motorroller unterwegs ist. „Ich bin Franzose“versicherte er, obwohl er im Frühjahr in der Botschaft in Paris an der russischen Präsidentschaftswahl teilnahm.
Sein Freund Wladimir Putin hatte ihm 2013 den russischen Pass gegeben. Eine „große Demokratie“nannte der Filmstar seine neue Heimat. Wie viel an seinen Äußerungen Provokation und wie viel Wahrheit ist, weiß wahrscheinlich nur Depardieu selbst. Frauen haben es nie sehr lange an seiner Seite ausgehalten. Am treuesten steht seine Ex-Frau Elisabeth zu ihm, die ihn auch gegen Kritik an seiner pro-russischen Haltung in Schutz nimmt. Mit ihr hat er zwei Kinder: die Schauspieler Julie und Guillaume Depardieu, der 2008 nach einer Infektion starb. Zwei weitere Kinder, darunter der erst zwölfjährige Jean, stammen aus anderen Beziehungen.
Nun hat sich eine junge Frau zu Wort gemeldet, die dem Obelix-Darsteller Vergewaltigung vorwirft. Die Pariser Staatsanwaltschaft nahm deshalb Vorermittlungen auf. Der Filmstar soll sich Anfang August zweimal an der 22-Jährigen vergangen haben, deren Eltern mit dem Filmstar befreundet sind.
Das Ganze soll in Depardieus Haus in Paris passiert sein, während die junge Schauspielerin mit ihm eine Rolle einstudierte. „Gérard Depardieu weist jede Aggression und Vergewaltigung zurück“, sagte sein Anwalt Hervé Temime der Zeitung „Parisien“. „Er hat sich nichts vorzuwerfen.“