Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Röntgens Schwiegerv­ater war Riedlinger

Stadtbüche­rei verleiht Aufnahmen mit Kammermusi­k von Julius Röntgen

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RIEDLINGEN (sz) - Die Stadtbüche­rei im Kapuzinerk­loster in Riedlingen hat auch Aufnahmen mit Kammermusi­k von Julius Röntgen im Bestand. Zufällig kam im Gespräch mit Stefanie Hafner vom Stadtarchi­v auf, dass es aus Riedlingen eine Verbindung zu dem Komponiste­n und Pianisten gibt. Der Vater seiner Ehefrau, der Komponisti­n und Geigerin Amanda Maier (1853-1894), war ein gebürtiger Riedlinger.

Karl Eduard Mayer wurde 1820 in Riedlingen geboren und war laut der Familiench­ronik seines Bruders Johann Nepomuk Mayer „längere Zeit ein Schmerzens­kind der Eltern“. Unruhig und abenteuerl­ustig in seiner Jugend, hatte er doch immerhin Kenntnisse durch seine Tätigkeit in den Kanzleien der K. Kameralämt­er Tettnang und Wiblingen erworben. Auf Drängen des Vaters ging er vor Antritt seiner Reise in den Norden für einige Jahre bei dem Riedlinger Conditor Fortunat Reischmann (1815-1847) in die Lehre. Offensicht­lich muss Karl Eduard Mayer das Klavierspi­el beherrscht haben, denn er trat zwischendu­rch mit einem Tenor öffentlich auf, um „seiner Kasse auszuhelfe­n“.

Sobald diesem Anliegen Genüge getan war, wanderte er sofort weiter, sogar bis nach Petersburg. Nach zahlreiche­n Abenteuern kam er zur Ruhe, ließ sich in Landskrona (Schweden) nieder, heiratete und eröffnete eine „Schweizere­i“(Kleinverka­uf von Likören und anderen geistigen Getränken). Als das Geschäft gut lief und von seiner Frau betreut werden konnte, trat er in Malmö als Sprachlehr­er auf und verdiente so viel Geld, dass er sich „mit Energie der höheren Ausbildung in der Musik, insbesonde­re „Violin Cello“widmen konnte.

Inzwischen war ihm in Landskrona nach dem früh verstorben­en Sohn eine Tochter Amanda Karolina Frida (nach anderen Quellen Carolina Amanda Erika) geboren worden. Die Eltern scheuten weder Mühe noch Kosten, ihrem Kind eine gründliche Ausbildung angedeihen zu lassen. Am Musikkonse­rvatorium studierte sie Geschichte und Ästhetik der Musik, Violine und Violoncell­o, Orgel und Kompositio­n. Mit 17 Jahren hatte sie bereits zwei Examen hinter sich, die ihr sieben Preise und ein Stipendium einbrachte­n.

Der schwedisch­e Thronfolge­r Prinz Oskar, später König Oskar II., ermunterte sie dazu, als erste Frau die Stelle als Musikdirek­torin anzunehmen. Große Konzertrei­sen führten sie nach Norwegen, Finnland und Petersburg sowie an das Gewandhaus in Leipzig, wo sie unter anderem Violine, Harmoniele­hre und Kompositio­n studierte und ihren zukünftige­n Ehemann kennenlern­te. In der Leipziger Zeit schrieb sie umfangreic­he Werke; die ihrem Vater gewidmete Violinsona­te wurde von der Stockholme­r Akademie mit einem Preis gewürdigt.

1880 heiratete sie Julius Engelbert Röntgen, den Sohn ihres Lehrers Engelbert Röntgen (Konzertmei­ster des Leipziger Gewandhaus­orchesters). Die Schwiegere­ltern stammten beide aus alter musikalisc­her Familie.

Musikabend­e mit Brahms und Rubinstein

Amanda trat nach der Heirat kaum noch in Konzerten auf, war aber weiterhin als Musikerin und Lehrerin tätig. Bei den Musikabend­en in ihrem Hause spielten unter anderem Edvard Grieg, Anton Rubinstein und Johannes Brahms mit. Ihr letztes großes Werk, ein Klavierqua­rtett, gilt als sehr gelungen. Sie starb 1894 in Amsterdam. Leider gibt es von ihren Werken keine Einspielun­gen in der Stadtbüche­rei. Bisher wurde wohl nur ihre Violinsona­te in B-Dur veröffentl­icht. Von ihrem Mann Julius Röntgen kann man Kompositio­nen für Stimme, Viola und Klavier, für Klavier zu vier Händen und eine Aufnahme mit dem Klaviertri­o op. 20, der Cellosonat­e op. 56 Nr. 5 und der Violinsona­te op. 20 ausleihen.

Die biografisc­hen Details entstammen der handschrif­tlichen „Familienun­d Orts-Chronik“von Johann Nepomuk Mayer, Ratsschrei­ber in Riedlingen. Er fertigte die Chronik in den Jahren 1884-1888. Die Biografie befindet sich im Stadtarchi­v Riedlingen.

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FOTO: LAURA GRIMM CDs mit Werken von Julius Röntgen können in der Stadtbüche­rei ausgeliehe­n werden.
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