Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Freundschaften sind eher selten“
Joachim H. Luger über 33 Jahre „Lindenstraße“, seinen Abschied von der Kultserie und die Rolle seines Lebens
Als Hans Beimer zählte er 33 Jahre lang zu den wichtigsten Figuren der „Lindenstraße“, doch damit ist jetzt Schluss: Joachim H. Luger steigt auf eigenen Wunsch aus der ARD-Familienserie aus, in der er seit 1985 eine der Hauptrollen spielte. Am Sonntag, 2.9., ist der 74-Jährige zum letzten Mal in der „Lindenstraße“zu sehen, sein Hans Beimer stirbt in der Episode „Die Ruhe nach dem Sturm“(18.50 Uhr, ARD). Martin Weber hat sich mit dem Schauspieler über seine Rolle, die zu seinem zweiten Ich wurde, und über das Leben abseits des Sets unterhalten.
Herr Luger, Sie steigen nach 33 Jahren auf eigenen Wunsch aus der „Lindenstraße“aus. Warum hören Sie auf ?
Ich bin ja eigentlich schon zehn Jahre über mein eigentliches Rentenalter hinaus, und irgendwann wuchs das Gefühl in mir, dass ich mich auch mal in andere Gefilde begeben sollte.
Hat Sie die Rolle als Hans Beimer gelangweilt?
Gelangweilt – nein. Schauspielerisch gab es immer wieder Herausforderungen, aber was meine Rolle betrifft glaube ich, dass eigentlich fast alles erzählt war. Irgendwann wiederhoben len sich die Dinge dann auch mal im Lauf der Jahre.
Was wollen Sie künftig machen?
Mehr Theater spielen, das habe ich schon in den vergangenen Jahren verstärkt getan – vor allem Boulevardtheater, auch weil es so ein schöner Kontrast zur Rolle des Hans Beimer war, die ja häufig sehr problembelastet war. Es macht mir einfach Spaß, den Leuten zu zeigen, dass ich auch komische Rollen spielen kann. Und ich genieße das direkte Feedback des Theaterpublikums.
Haben Sie auch im Fernsehen noch was vor?
Warum nicht? Wobei ich vermutlich nicht gerade mit Angeboten überschüttet werden dürfte, wenn man wie ich so lange eine Serienfigur gespielt hat.
Hat Ihnen das andere Rollen in der Vergangenheit vermasselt?
Schwer zu sagen, aber bei uns in Deutschland ist es schon so, dass man mit einer bestimmten Rolle auch in einer bestimmten Schublade steckt. Klar, es wäre sowieso nicht gegangen, neben der „Lindenstraße“auch eine andere Serienfigur zu spielen. In den frühen 90ern habe ich noch einige Episodenfiguren in anderen Produktionen gespielt, sogar eine größere Rolle in einem „Tatort“mit Manfred Krug. Aber solche Angebote blieben später aus.
Wie scheidet Hans Beimer eigentlich aus der Serie?
Er stirbt, aber Genaueres darf ich nicht verraten, da wollen wir die Zuschauer überraschen. Besonders wird auf jeden Fall sein, dass das WDR-Funkhausorchester die Musik zur letzten Folge mit Hans Beimer live vor Publikum am Ausstrahlungsabend einspielt.
Wird es ein spektakulärer Tod, den Hans Beimer erleidet?
Darf ich leider nicht sagen, nur so viel: Wir haben eine außergewöhnliche Folge gemacht (lacht).
Gab es viele Reaktionen von „Lindenstraße“-Fans, nachdem der Tod von Hans Beimer angekündigt worden war?
Unglaublich viele. Ich war total überrascht und gerührt, dass so viele Zuschauer traurig darüber sind, dass meine Figur sterben wird.
Was hat denn der Erfinder und langjährige Produzent Hans W. Geißendörfer dazu gesagt?
Hans und seine Tochter Hana, die ja jetzt die Produktion weiterführt, ha- es sehr bedauert, dass ich aufhöre. Andererseits hat mir Hans Geißendörfer auch Respekt gezollt für den Mut, nach so vielen Jahren meine Rolle an den Nagel zu hängen. Er hatte Verständnis dafür, dass man auch im fortgeschrittenen Alter noch mal was Neues wagt – in dieser Beziehung ticken wir ähnlich.
Gehört denn Mut zu der Entscheidung?
In gewisser Weise schon, denn das, was jetzt kommt, ist ja auch ein völlig unbekanntes Terrain für mich, ich habe die Rolle schließlich 33 Jahre lang gespielt. Wer weiß, vielleicht passiert künftig ja gar nichts und ich sitze dann rum und ärgere mich, dass die Rolle weg ist – das kann auch sein. Aber ich fühle mich eigentlich noch ganz fit und traue mir noch so einiges zu, deshalb bin ich überzeugt, dass ich mich nicht langweilen werde. Außerdem habe ich für dieses und das kommende Jahr schon Engagements an fünf verschiedenen Theatern.
Was hat Mutter Beimer, gespielt von Marie-Luise Marjan, zu Ihrem Ausstieg gesagt?
Sie war sehr überrascht, und Irene Fischer war auch sehr traurig. Immerhin waren die von Irene Fischer gespielte Anna Ziegler und Hans Beimer fast 30 Jahre ein Paar in guten und häufig auch in schlechten Zeiten. Der Abschied fiel uns beiden nicht leicht.
Sind denn einige der „Lindenstraßen“-Kollegen im Lauf der Jahre echte Freunde geworden?
Freundschaften sind in unserem Beruf eher selten. Wir arbeiten sehr eng zusammen, sind sehr vertraut miteinander, besonders wir, die wir von Anfang an dabei waren. Das erzeugt doch eine große Nähe. Wir wissen viel voneinander, auch Privates. Wir teilen unsere Sorgen und Nöte, aber auch unsere Freuden. Aber nach der Arbeit gehen wir auseinander und jeder lebt sein eigenes Leben. An meinem letzten Drehtag hat mir Hans W. Geißendörfer eine sehr berührende Rede gehalten und ich habe nicht minder gerührt reagiert. Marie-Luise Marjan umarmte mich heftig und Irene Fischer hat mir ein wunderbares Abschiedsgeschenk gemacht. Sie hat ja über viele Jahre Drehbücher für die „Lindenstraße“geschrieben, und irgendwann habe ich zu ihr gesagt: „Schreib doch mal ein Theaterstück.“Das hat sie dann tatsächlich gemacht und mir zum Abschied persönlich gewidmet. Das hat mich dann doch ein paar Tränen der Rührung gekostet.
Wird das Stück irgendwann auch aufgeführt?
Das hoffe ich doch – es ist ein sehr scharfzüngiges und witziges Stück, und Irene hat auch eine Rolle für mich reingeschrieben (lacht).
Und wie geht es mit der „Lindenstraße“ohne Hans Beimer weiter?
Sehr gut, hoffe ich, und möglichst noch viele Jahre.
Werden Sie ab und zu noch am Set auftauchen?
Nee, eher nicht. Wenn man raus ist, ist man raus – und das ist dann auch gut so.