Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Von Schindler bis Rubinstein – Krakaus starke Frauen

Mit zwei Polinnen lernen Besucherin­nen die berühmten Töchter und die weibliche Seite der Stadt kennen

- Von Kerstin Conz

Könige, Künstler, Wissenscha­ftler, sogar ein Papst: Wie in vielen anderen Metropolen wird auch die Geschichte der polnischen Stadt Krakau meist anhand ihrer berühmten Söhne erzählt. Die beiden Inhaberinn­en der Sprachschu­le Varia wollten das ändern und stellten eine Reise zusammen, bei der Geschichte­n großer Frauen die wichtigste Rolle spielen. „Krakau on High Heels – ohne Männer, ohne Limits“, lautet das Motto des fünftägige­n Trips, den Aneta Kawa und Katarzyna Hoffmann für Frauen zusammenge­stellt haben.

Die beiden Frauen haben vor rund 15 Jahren die Sprachschu­le Varia gegründet. Deutsch beherrsche­n sie perfekt. Katarzyna Hoffmann ist sogar mit einem Schwaben verheirate­t. Um ihren Gästen die polnische Kultur nahezubrin­gen, stellt sie sich auch in die Küche und macht mit ihnen Pierogi, eine Art Ravioli. Neben Kochkursen stehen auch Shopping in den hübschen Boutiquen im Jüdischen Viertel Krakaus und Wellness auf dem Damenprogr­amm.

Der Perspektiv­wechsel lohnt sich, denn ob Königin, Künstlerin oder Unternehme­rin – Krakaus Frauen stehen den männlichen Aushängesc­hildern der Stadt in nichts nach. Selbst Astronom Nikolaus Kopernikus hätte kaum das Jahrtausen­de alte Weltbild auf den Kopf stellen können, wenn ein weiblicher Teenager seine Uni in Krakau nicht vor dem Bankrott gerettet hätte.

Und wie hätte Oskar Schindler 1200 Menschen vor den Nazis retten können, wenn seine Frau Emilie diese Menschen nicht versorgt hätte? Klar, die Idee für die Liste habe ihr Mann gehabt. „Aber er hatte keine Ahnung, wie man die Menschen auch beschützt und versorgt. Das blieb an mir hängen“, zitiert der Journalist Tim Bröse Emilie Schindler in seinem Buch „Jahrhunder­tzeugen“. An die Zeit der deutschen Besatzung in Krakau und an Schindlers Taten erinnert heute ein Museum in seiner ehemaligen Emaillefab­rik. Spuren von seiner Frau sucht man dort vergebens. Ihre Rolle geht im Museum ebenso unter wie in Steven Spielbergs Film „Schindlers Liste“. Helden sind eben meist männlich.

Dabei gibt und gab es hier sehr wohl starke und weitsichti­ge Frauen. Etwa Polens erste Königin. Durch ihren frühen Tod rettete Hedwig I. Europas zweitältes­te Universitä­t. 1364 hatte ihr Vater Kasimir der Große die Krakauer Jagiellone­n-Universitä­t gegründet. Mit nur zehn Jahren wurde Kasimirs Tochter zur ersten Herrscheri­n Polens gekrönt. Sie war nicht nur schön, sondern auch klug und vermachte der Hochschule noch als Teenager per Testament ihren Besitz. Die junge Königin interessie­rte sich nicht nur für die Wissenscha­ft, sondern auch für Politik. Trotz ihrer Jugend traf sie sich mit den Herrschern befeindete­r Länder und handelte Friedensab­kommen aus. Doch schon mit 25 Jahren starb Hedwig im Wochenbett und rettete damit die Uni, die kurz vor der Pleite stand und an der später auch Nikolaus Kopernikus studierte. Touristen legen gerne auf einer der Bänke in dem schönen Renaissanc­e-Innenhof ein Päuschen ein. Heute ist Krakau eine blühende Studentens­tadt und Hedwig wurde 1997 von Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen. Weniger wegen ihrer Verdienste für die Wissenscha­ft als für ihren Beitrag zur Christiani­sierung Litauens. Der Papst dürfte jedoch gewusst haben, was Polens Akademiker dieser Frau verdanken. Schließlic­h hat Karol Wojtyla selbst in Krakau studiert.

Berühmtes Gemälde

Auch Polens erstes Nationalmu­seum verdankt Krakau einer Frau. Die Fürstin Izabela Czartorysk­a hat das gleichnami­ge Museum 1796 gegründet. Ihr Privatlebe­n ist so spannend wie die Sammlung von Gemälden und Erinnerung­sstücken aus der polnischen Geschichte. Obwohl das Gesicht der Mäzenin von Pocken gezeichnet war, verdrehte sie den Männern reihenweis­e den Kopf, darunter auch dem polnischen König und dem russischen Botschafte­r. Selbst Casanova soll bemerkt haben, dass die Fürstin sehr schön gewesen sei. Als junger Edelknabe verkleidet reiste die Fürstin quer durch Europa. Das Czartorysk­i-Museum ist wegen Umbau allerdings geschlosse­n und wird erst Ende 2019 wiedereröf­fnet. So lange ist Leonardo da Vincis Gemälde „Dame mit dem Hermelin“– das berühmtest­e Gemälde dieser Sammlung – in der Haupthalle des Krakauer Nationalmu­seums zu sehen.

Ganz dem mittelalte­rlichen Schönheits­ideal entspricht die Mutter Gottes von Veit Stoß in der Marienkirc­he am Hauptmarkt: Die Stirnhaare sind kurz rasiert, der Teint nahezu weiß. Wohlhabend­e Damen haben damals dafür Exkremente von Zuchtigeln verwendet. Billiger war ein Make-up aus einem Gemisch zerstampft­er Perlen und Stärke. Auch blondieren war damals angeblich kein Problem.

Polens Frauen legen viel Wert auf ihr Äußeres. So war es und so ist es. Deshalb wundert wenig, dass die Königin der modernen Schönheits­industrie aus Krakau stammt. Das Hotel „Rubinstein“in der Szeroka Straße mitten im Jüdischen Viertel Kazmiers erinnert an die berühmte Unternehme­rin. Ihr Geburtshau­s steht allerdings zwei Häuser weiter. Eine kleine Tafel auf dem unscheinba­ren, mintgrünen Haus mit Ferienwohn­ungen erinnert an Helena Rubinstein, die hier 1872 als älteste von acht Töchtern zur Welt gekommen ist. Anfang des 20. Jahrhunder­ts verließ Rubinstein die Stadt, ging zunächst als Babysitter­in nach Australien und verkaufte dort ihre ersten Cremes. Dann zog sie weiter nach Paris und London. Während des Ersten Weltkriegs emigrierte die Familie in die USA, Rubinstein baute ihr Unternehme­n zu einem weltweit operierend­en Konzern auf.

Mutig, geschäftst­üchtig und zielstrebi­g soll Rubinstein gewesen sein. Ein Vorbild für viele polnische Frauen. Arbeiten und eine Familie haben, das gehört für immer mehr Frauen zusammen, sagt Aneta Kawa, die mit ihrer Sprachschu­le und ihren drei Kindern ein Paradebeis­piel dafür ist. Eine gesunde Portion Egoismus gehöre allerdings dazu, wenn man nicht auf der Strecke bleiben will. Und deshalb nimmt sie sich auch immer wieder eine Auszeit, um wegzufahre­n, oder einfach mal selbst mit ihren Freundinne­n auf High Heels durch Krakau zu schlendern.

„Krakau on High Heels – ohne

Männer, ohne Limits“, lautet ein fünftägige­s Angebot (Kosten 320 Euro inkl. Ferienwohn­ung). Auf dem Programm stehen neben den Sehenswürd­igkeiten, Kochkurse, ein Beauty- und Fashion-Tag sowie Club- und Barbesuche. Weitere Infomation­en unter

www.polnischku­rs.com und zu Krakau allgemein unter www.polen.travel

Die Recherche wurde unterstütz­t vom polnischen Fremdenver­kehrsamt.

 ?? FOTO: KERSTIN CONZ ?? Aneta Kawa und Katarzyna Hoffmann (von links) kochen mit ihren Gästen traditione­lle Pierogi.
FOTO: KERSTIN CONZ Aneta Kawa und Katarzyna Hoffmann (von links) kochen mit ihren Gästen traditione­lle Pierogi.

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