Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Die Heuchelei des Westens

- Von Susanne Güsten politik@schwaebisc­he.de

Die neue Debatte über eine westliche – und womöglich auch deutsche – Interventi­on im Syrien-Konflikt zeigt vor allem die Heuchelei, mit der Amerikaner und Europäer den Bürgerkrie­g betrachten. Diskutiert wird über westliche Luftangrif­fe im Falle eines Einsatzes von Chemiewaff­en in der Provinz Idlib. Ein Blutbad mit konvention­ellen Waffen wird dagegen seit Jahren schulterzu­ckend hingenomme­n.

Mehr als sieben Jahre lang hat sich der Westen aus dem Krieg in Syrien herausgeha­lten. Als vor drei Jahren die Flüchtling­e aus dem Bürgerkrie­gsland in Europa ankamen, machte die EU mit der Türkei einen Deal, der das Nato-Land zum Torwächter machte, um Hilfesuche­nde aufzuhalte­n. Politische Initiative­n zur Lösung des Grundprobl­ems – des Krieges selbst – blieben aus.

Die USA hatten es noch leichter als die Europäer, Syrien sich selbst sowie den Russen und Iranern zu überlassen. Durch einen breiten Ozean vom Kampfgesch­ehen getrennt, mussten die Amerikaner nicht einmal die Ankunft von Flüchtling­sbooten befürchten. Barack Obama erlaubte dem syrischen Regime sogar den Einsatz von C-Waffen, indem er trotz einer entspreche­nden Warnung tatenlos blieb, als Zivilisten elend erstickten. Donald Trump hat das geändert und bisher zweimal Raketenang­riffe angeordnet, weil die syrischen Truppen erneut Giftgas einsetzten.

Doch weder die USA noch Europa haben eine politische Strategie für das Bürgerkrie­gsland Syrien: Auch wenn überlegene westliche Waffen die Assad-Armee und die russischen Kampfjets in die Schranken weisen sollten, wüssten die Regierunge­n in Washington, London, Paris und Berlin nicht, wie es in Syrien weitergehe­n sollte. Insofern ist der Streit in der Bundesregi­erung über eine mögliche Bundeswehr­beteiligun­g an militärisc­hen Strafmaßna­hmen nach einer möglichen Giftgasatt­acke nicht viel mehr als Wichtigtue­rei. Deutschlan­d – dieser Eindruck hat sich über die Jahre verfestigt – hat nicht die Absicht, in Syrien irgendetwa­s dauerhaft zu verändern.

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