Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Auf zwei Rädern über die Schiene

Radfahrer nehmen gerne auch den Zug – Nicht immer läuft das reibungslo­s

- Von Daria Schamonowa und Stefan Fuchs

RAVENSBURG - Dass sich Radler, Autofahrer und Fußgänger auf den Straßen nicht immer ganz grün sind, ist bekannt. Doch auch auf der Schiene kommt es zu Konflikten. Denn in Zügen geht es um Sitzplätze, Rettungswe­ge, Kinderwage­n und Rollstühle.

„Fahrrad einladen, losfahren und dort aussteigen, wo die Radtour beginnt“, heißt es auf der Webseite der Deutschen Bahn (DB) zum Zugreisen mit dem Fahrrad. So einfach ist es dann aber doch nicht immer. In den Regionalzü­gen ist die Fahrradmit­nahme zwar meist kostenlos möglich, viele Züge haben Mehrzwecka­bteile mit dem großen Fahrradsym­bol an der Seite.

In der Praxis kann es aber durchaus vorkommen, dass Radfahrer am Bahnsteig stehen bleiben. Zur Mitnahme des Drahtesels gibt es nämlich gewisse Einschränk­ungen. „Die Fahrradmit­nahme hängt generell von den zur Verfügung stehenden Kapazitäte­n ab“, heißt es bei der Bahn. Eine Mitnahmega­rantie für Fahrräder gebe es leider nicht.

Der Grund: Bei der Suche nach einem Platz fürs Bike müssen Radfahrer anderen den Vortritt lassen. Kinderwage­n oder Rollstühle haben absolute Priorität. Der Landtagsab­geordnete Erik Schweicker­t (FDP) begrüßt das grundsätzl­ich. „Ich frage mich, wie es in der Realität aussieht, wenn eine mobilitäts­eingeschrä­nkte Person oder jemand mit Kinderwage­n vor dem Zug voller E-Bike-Touristen steht. Am Ende sind die Reisenden weiterhin auf sich allein gestellt. Ich wünsche mir hier Offenheit für neue Konzepte und mehr Flexibilit­ät für die Anbieter, dass auch andere Zugmodelle erprobt und eingesetzt werden können.“

Kinderwage­n hat Vorrang

Das Stuttgarte­r Verkehrsmi­nisterium verweist dagegen auf seine laufenden Anstrengun­gen. Neuerdings kauft das Land die Züge für den Regionalve­rkehr und stellt sie den Betreibern wie der Deutschen Bahn oder Abellio zur Verfügung. „Die vom Land bestellten neuen modernen Züge sind alle mit Mehrzwecka­bteilen ausgestatt­et, sodass die Beförderun­g von Fahrrädern, Kinderwage­n, Rollstühle­n und Gepäck möglich ist“, betont das Ministeriu­m auf eine entspreche­nde Anfrage der FDP. Auf Betreiben des Landes könnten Räder werktags ab 9 Uhr und am Wochenende ganztags kostenlos mitreisen. Dennoch müsse es dabei bleiben: Vorrang für Kinderwage­n und Menschen mit Behinderun­gen. Für betroffene Radfahrer ärgerlich, aus der Sicht anderer Fahrgäste aber verständli­ch. „Es gibt da immer zwei Perspektiv­en“, sagt Karl-Peter Naumann vom Fahrgastve­rband Pro Bahn. Wenn sich im Sommer die Fahrräder in den Zügen stapelten, sei das „schön für die Radfahrer, aber unter Umständen belästigen­d für die Nichtradfa­hrer“. Was Beschwerde­n über die Plätze für Fahrräder angehe, die den Verband erreichen, gebe es deshalb immer wieder unterschie­dliche Argumentat­ionen: „Ein Radler wird sagen: zu wenig. Ein Pendler wird sagen: zu viel.“

Am Ravensburg­er Bahnhof ist die Situation relativ entspannt. „Hier und in Bayern ist es bequem, mit dem Fahrrad im Zug zu fahren“, sagt ein Fahrgast. Gerade in der Urlaubszei­t könne es aber schon vorkommen, dass viele Fahrräder und gleichzeit­ig Pendler im Zug seien. Eine andere Passagieri­n kennt das, aber: „Sie stören mich nicht, auch wenn es im Sommer viele sind.“

Zehn Radexpress-Linien

Die Krux bei dem Angebot von Plätzen für die Drahtesel liege im Timing. „Fahrradaus­flügler, zum Beispiel in Richtung Bodensee, kommen in Kolonnen und sind schwer kalkulierb­ar“, sagt Naumann. Wenn die Kolonnen mit Pendlern zusammentr­äfen, könne es zu Platzschwi­erigkeiten kommen. Deswegen verkehren im Land zehn Radexpress-Linien, unter anderem in Oberschwab­en und von Stuttgart zum Bodensee. Sie bieten Platz für bis zu 100 Fahrräder und führen zu beliebten Ausflugszi­elen für Radler.

Wo Einzelne in den regulären Zügen vielleicht noch ein Plätzchen finden, sind Ausflugsgr­uppen aufgeschmi­ssen. Ihnen empfiehlt die Bahn in jedem Fall eine Reservieru­ng. Bei Gruppen von mehr als fünf Personen ist die Anmeldung Pflicht. Die DB Reisezentr­en, DB Agenturen oder das Servicecen­ter Gruppenrei­sen nehmen diese bis spätestens sieben Tage vor der Reise entgegen. Die Mitnahme ist damit aber nicht garantiert.

Aufgrund der nur eingeschrä­nkt möglichen Planung wünscht sich Karl-Peter Naumann von Pro Bahn alternativ­e Konzepte, an denen sich auch die Politik beteiligen sollte. „Ich denke da an Möglichkei­ten zum Fahrradmie­ten oder auch Abstellen von Rädern an den Bahnhöfen.“Es gebe bereits Fahrradhäu­ser, bei denen Pendler ihr Fahrrad über den Tag abstellen könnten. „Bis zum Abend werden die dann gewartet und gereinigt.“In Holland sei es sehr verbreitet, dass Pendler sich ein zweites Fahrrad zulegen, sodass am Abfahrts- und Zielbahnho­f jeweils eines steht.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Wenn im Sommer viele Fahrräder in den Zügen mitgenomme­n werden, müssen Radfahrer mit Einschränk­ungen rechnen.
FOTO: IMAGO Wenn im Sommer viele Fahrräder in den Zügen mitgenomme­n werden, müssen Radfahrer mit Einschränk­ungen rechnen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany