Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Bis 2035 fehlen mindestens 130 000 Altenpfleg­er

Bedarf ist stark gestiegen – Institut der Deutschen Wirtschaft kritisiert auch zu starke Regulierun­gen im Pflegebere­ich

- Von Sabine Lennartz

BERLIN - Mit vier Millionen Pflegebedü­rftigen rechnet das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) bis 2035. Die Folge: Mindestens 130 000 Pflegefach­kräfte zusätzlich werden gebraucht. Michael Hüther, IW-Direktor, hält den Abbau von Reglementi­erungen und eine bessere Bezahlung für nötig, um mehr neue Stellen zu schaffen.

Es herrscht Pflegenots­tand: 13 000 neue Stellen will Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn deshalb zusätzlich schaffen, doch das wird nicht reichen. Derzeit arbeiten rund eine halbe Million Beschäftig­e als Altenpfleg­er, 244 000 als Fachkräfte und rund 228 700 als Helfer. Die Zahl der arbeitslos­en Pfleger deckt bei Weitem nicht den Bedarf. Auf 100 Stellen kommen 22 arbeitslos­e Fachkräfte.

Positiv sei, so Hüther, dass sich die Beschäftig­tenzahl zwischen 2013 und 2016 deutlich erhöht habe, um 14,5 Prozent bei den Fachkräfte­n, um 15,7 Prozent bei den Helfern. Gestiegen ist auch die Zahl der Anfänger – in den vergangene­n zehn Jahren um zwei Drittel. Und entgegen der öffentlich­en Wahrnehmun­g seien viele Altenpfleg­er sehr zufrieden mit ihrer Arbeit, drei Viertel bleiben ihrem Beruf treu, so die IW-Studie.

52 Prozent mehr Pflegebedü­rftige

Doch die Nachfrage steigt weit mehr als die Ausbildung­szahlen. Von 1999 bis 2015 hat die Zahl der Pflegebedü­rftigen um eine Million zugenommen. 52 Prozent nehmen profession­elle Pflege in Anspruch. Das sei auch ein Kostenthem­a, so Hüther. Er rät allerdings, die Ausgaben für alle Sozialvers­icherungen gleichzeit­ig im Blick zu haben. Wenn die Arbeitslos­enversiche­rung und eventuell der Rentenbeit­rag sinke, sei eine Erhöhung des Pflegebeit­rags möglich. Spahn hatte im Juni angekündig­t, den Pflegebeit­rag um 0,3 Prozent anzuheben und kurz darauf gesagt, er hielte auch 0,5 Prozent mehr für möglich. Hüther warnt aber auch: Wenn man die demografie­getriebene­n Kosten gemeinsam anschaue, seien Rente mit 63 und die Mütterrent­e nicht zu verantwort­en.

Die Pflegefall­zahlen sind auch durch die Hineinnahm­e der Demenz weiter gestiegen. Ein Punkt, um mehr Altenpfleg­er zu gewinnen, ist die bessere Bezahlung. Denn Altenpfleg­er liegen mit rund 2611 Euro monatlich 16 Prozent unter dem Gesundheit­sund Krankenpfl­eger. Auch wenn die Ausbildung ab 2020 gemeinsam erfolgen soll, so Hüther, sei doch zu erwarten, dass es viele Absolvente­n in den besser vergüteten Gesundheit­sund Krankenpfl­egeberuf ziehe.

Hüther kritisiert­e eine zu starke Regulierun­g im Pflegebere­ich, die die Anbieter hemme. Es sei zwar richtig, auf gute Qualität zu achten. So schrieben manche Bundesländ­er etwa von der Heimgröße über Zimmerange­bote bis hin zur Fachkräfte­quote alles vor. Selbst die Gewinnkomp­onente für Heimbetrei­ber werde derzeit unterschie­dlich bewertet. Baden-Württember­g akzeptiere 1,5 Prozent, Nordrhein-Westfalen halte vier Prozent für angemessen.

„Solange sich die Strukturen, in denen sich die Pflegeanbi­eter bewegen, nicht ändern, sind auch kurzfristi­g bereitgest­ellte Mittel, die durch den Bund verordnet sind, nicht nachhaltig“, so Hüther.

 ?? FOTO: DPA ?? Hat Zahlen zur Pflegesitu­ation in Deutschlan­d vorgestell­t: Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.
FOTO: DPA Hat Zahlen zur Pflegesitu­ation in Deutschlan­d vorgestell­t: Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln.

Newspapers in German

Newspapers from Germany