Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Experiment­e im „Garten Eden“

Bayerische Landesanst­alt testet exotische Obst- und Gemüsesort­en

- Von Christiane Bosch

THÜNGERSHE­IM (lby) - Feigen, Bananen, Minikiwis, Pfirsiche, Oliven – die Früchtemis­chung ist exotisch. Diese und noch viele heimische Obstsorten mehr werden bei Würzburg in einem Versuchsga­rten getestet, bevor sie in den Handel kommen. Doch das schaffen die wenigsten.

Genau 24 Pappschale­n stehen auf dem Tisch im Pausenraum der Bayerische­n Landesanst­alt für Weinbau und Gartenbau (LWG). In jeder liegen mehrere Dutzend kleine, grüne Früchte. Viele sehen aus wie große unreife Eicheln, aber es sind Kiwibeeren. An jeder Schale steht ein Name oder eine Zahl. Versuchsin­genieurin Verena Trost nimmt sich eine Minikiwi aus einer Schale, begutachte­t sie genau und beißt rein. „Sehr lecker. Wie Kiwi, nur im Kleinforma­t“, sagt die 23-Jährige und notiert ihren Eindruck auf einem Zettel.

Europaweit führend bei Kiwis

Trost ist eine von zahlreiche­n LWGMitarbe­itern, die mitbestimm­en können, welche Kiwibeeren-Sorte es vielleicht in den bayerische­n Obsthandel schaffen wird. 70 verschiede­ne Sorten werden an der LWG in Thüngershe­im (Landkreis Würzburg) angebaut. Damit gilt sie europaweit als die führende Versuchsan­stalt in Sachen Kiwi-Anbau.

Doch das ist längst nicht alles. In dem elf Hektar großen Versuchsga­rten in Thüngershe­im kommen viele weitere Obstsorten sowie Rosen und Baumarten auf den Prüfstand. Äpfel, Birnen, Brombeeren, Kirschen, Zwetschgen, Holunder, Quitten, Himbeeren, Kletterros­en, Clematis – der Versuchsga­rten hat einiges zu bieten und steht trotz der Trockenhei­t fast überall in sattem Grün. „Garten Eden“, nennen manche Mitarbeite­r deshalb das von Weinbergen umrahmte Gelände auch liebevoll.

Die zwölf Mitarbeite­r um Betriebsle­iter Roman Döppler pflanzen, pflegen, vermessen und ernten Neuzüchtun­gen von Unternehme­n und Hobbyzücht­ern. Über mehrere Jahre wird alles genau dokumentie­rt. Wie viel Wasser braucht die Pflanze? Wie kommen die Sträucher über den Winter? Wie schmecken die Früchte? Wie groß werden sie? Wie kommen sie beim Verbrauche­r an?

Zum Teil kommen die Experten der LWG zu niederschm­etternden Ergebnisse­n. „Nur drei Prozent der von uns getesteten Neuzüchtun­gen schaffen es am Ende auch in den Handel“, sagt Döppler. Der Rest kann mit den altbewährt­en Sorten aus verschiede­nen Gründen nicht mithalten und wird deshalb den Erwerbsbau­ern, Baumschule­n und Kleingärtn­ern nicht empfohlen. Manchmal wagen sich die Versuchsin­genieure auch an exotischer­e Früchte. In Unterfrank­en ist es im Vergleich zu anderen Regionen in Bayern und Deutschlan­d meist wärmer und trockener. Das hilft nicht nur bei Trockenstr­esstests für die Neuzüchtun­gen, sondern lässt auch Raum für Experiment­e. Und so stehen im „Garten Eden“seit fast zwei Jahren auch kleine Feigenbäum­e. Die können heuer erstmals geerntet werden. „Die sind überrasche­nd gut im Geschmack. Sogar noch einen Tick besser als die, die ich zuletzt im Urlaub in Montenegro probiert habe“, sagt Gartenbaui­ngenieur Alexander Zimmermann. Ebenfalls süß und saftig sind die knubbelige­n Indianer-Bananen. Geplant sind zudem Versuche mit Oliven aus Franken.

Der Versuchsga­rten ist kein abgeschlos­senes Testgeländ­e. Im Gegenteil. Auch Besucher dürfen sich die neuesten, vielverspr­echenden Züchtungen anschauen und verkosten, bevor sie im Handel gekauft werden können. „Gerade Kleingärtn­er nutzen das gern. Die kommen auch busweise hier an“, sagt Zimmermann.

Jährlich waren es zuletzt rund 6000 Menschen, die sich durch die Schatzkist­e für Obst und Gehölze führen haben lassen. Damit ist aber nun erstmal Schluss. Der LWG-Versuchsbe­trieb bekommt bis 2020 ein neues Wirtschaft­s- und Bürogebäud­e für etwa 5,5 Millionen Euro. Am Donnerstag wird Bayerns Landwirtsc­haftsminis­terin Michaela Kaniber (CSU) dafür symbolisch die ersten Wände des alten Gebäudes mit dem Hammer zerstören.

Obstbauer Karl Ludwig Rostock ist froh, dass der Freistaat in den Versuchsga­rten der LWG investiert. Das sei nicht in allen Bundesländ­ern so und selbst in Bayern hätten die Verbände unter Ministerpr­äsident Edmund Stoiber sehr dafür kämpfen müssen, sagt der Vizepräsid­ent des bayerische­n Erwerbsobs­tbau-Verbandes. Der Versuchsga­rten ist für die Bauern eine enorm wichtige Vorstufe zum Anbau neuer Züchtungen. Gerade mit Blick auf die neuen klimatisch­en Herausford­erungen. „Um da die passenden Pflanzen zu finden, die das vertragen, müssen wir Versuche machen. Und das kann ein Betrieb nicht leisten“, sagt Rostock. Die Ergebnisse der LWG seien deshalb „sehr wertvoll“. Nicht nur für Obstbauern in Bayern.

Versuchsin­genieurin Trost hat mittlerwei­le alle 24 Minikiwis verkostet. Nicht alle waren lecker, gibt sie zu. Von den kleinen Kiwis an sich ist die 23-Jährige überzeugt: „Das sind im Grunde Kiwis für die Faulen, die muss man nicht einmal schälen.“

 ?? FOTO: DPA ?? Feigen aus Bayern: Alexander Zimmermann, Gartenbaui­ngenieur im Versuchsga­rten der Bayerische­n Landesanst­alt für Wein- und Gartenbau, konnte dieses Jahr die ersten eigenen Früchte ernten. Auch Kiwis gedeihen mittlerwei­le prächtig. Der Klimawande­l macht’s möglich.
FOTO: DPA Feigen aus Bayern: Alexander Zimmermann, Gartenbaui­ngenieur im Versuchsga­rten der Bayerische­n Landesanst­alt für Wein- und Gartenbau, konnte dieses Jahr die ersten eigenen Früchte ernten. Auch Kiwis gedeihen mittlerwei­le prächtig. Der Klimawande­l macht’s möglich.

Newspapers in German

Newspapers from Germany