Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
Hühner gackerten einst im Kapitelsaal
Am Tag des offenen Denkmals gab es Einblicke in das Klosterleben in Heiligkreuztal
HEILIGKREUZTAL – Am Tag des offenen Denkmals hatten Kulturinteressierte die Qual der Wahl. Gut daran getan hatte, wer sich am Sonntag nach Heiligkreuztal begab, um auf den Spuren der Veronika von Rietheim als eine der bedeutendsten Äbtissinnen des einstigen Zisterzienserinnen-Klosters zu wandeln, von seiner Blüte zu hören, aber auch seinem Verfall und seiner Rettung durch die Stefanusgemeinschaft.
Erich Fensterle schenkte im Münster Einblick in die Geschichte des Klosters. Nachdem sich eine 1140 gegründete Beginengemeinschaft wieder aufgelöst hatte, waren jene Frauen erfolgreicher, die sich 1227 in dem anfangs „Wasserschapf “genannten Areal niederließen. 1233 wurden sie in den Zisterzienserinnen-Orden aufgenommen. 1256 feierten sie eine erste Altarweihe und zwar in der Bruderkirche. Das Münster wurde zunächst einschiffig erstellt. Alle Äbtissinnen waren adelig und brachten eine entsprechend hohe Mitgift ein, stellte Fensterle in seiner Führung fest und so konnte sich das Kloster gut entwickeln. Als eine der bedeutendsten wird Veronika von Rietheim genannt, die während ihrer Amtszeit zwischen 1520 und 1551 die Anlage größenmäßig verdoppelte. Diese Äbtissin war es auch, die Sorge dafür trug, dass die Nonnen Einzelzellen erhielten und nicht mehr gemeinsam in einem großen Schlafsaal untergebracht waren, ließ Dr. Stephan Fuchs wissen, seit 2011 Bildungsleiter der Stefanusgemeinschaft in Heiligkreuztal.
Glaubenszeugnis frommer Frauen
Wurde der Blick auf das spätgotische Chorfenster und die Johannesminne, einem berührenden Kunstwerk um 1318, noch gemeinsam getan, so trennten sich danach die Wege. Ein Teil der Gruppe begleitete Fensterle in die Bruderkirche mit ihren Kostbarkeiten, dem Äbtissinnen-Stab oder reich geschmückten Paramenten, Madonnen-Figuren und als Besonderheit die „heiligen Leiber“, Katakomben-Heilige, welche die Nonnen erworben und mit kostbaren Materialien eingekleidet hatten als „Glaubenszeugnis frommer Frauen“. Diese Arbeiten würden vom Denkmalamt als eine der schönsten beurteilt, gab Fensterle seiner Freude Ausdruck. Sie gehörten früher zur Ausstattung der Kirche auch als „Gegenreformation“gedacht. Jetzt ist ihr Anblick den Museumsbesuchern vorbehalten.
Die Gruppe um Dr. Fuchs erklomm derweil über eine Wendeltreppe den Nonnenchor, der seit 1846 den Evangelischen als GottesdienstRaum dient. Ein Dekret von König Wilhelm I. von Württemberg hatte es möglich gemacht. Die Kunstinteressierten nahmen Platz in dem eher unbequemen Chorgestühl von Martin Zey, dem „Schreiner zu Riedlingen 1533“. Es weist 44 Sitze mit Trennwänden und Handknäufen auf: Männerund Tierköpfe in der Symbolik der mittelalterlichen Moraltheologie, Sünden darstellend.
Während Fensterle die Besucher die Ruhe des Kreuzgartens spüren ließ und auf die Sonnenuhr hinwies, schlenderte die Gruppe um Dr. Fuchs
im Kreuzgang an der ÄbtissinnenGalerie vorbei, dem Kapitelsaal zu. Dr. Fuchs erklärte den Besuchern seine Bedeutung: Hier wurden Novizinnen eingekleidet und wichtige Entscheidungen gefällt, auch bei Verfehlungen. Nachdem das Kloster nach der Säkularisation 1805 aufgelöst wurde, blieben die letzten Nonnen noch bis 1843. Danach wurde die Anlage zweckentfremdet und der Kapitelsaal zuletzt als Hühnerstall genutzt neben dem Kreuzgang, der zum Schweinestall geworden war, bis sich 1972 die Stefanusgemeinschaft auf das Wagnis einließ und das Kloster bis auf Münster und Bruderkirche – erwarb, umfassend sanierte und eine Bildungsstätte darin einrichtete.
Dr. Stephan Fuchs wertete diese Rettung vor dem Verfall als „großen Verdienst der Stefanusgemeinschaft“und würdigte dabei vor allem das Engagement von Alfons Bacher, dem langjährigen Ersten Obmann der Gemeinschaft, dem eine Verbindung trockenen Fußes in ein außenliegendes Gebäude wichtig war und so begab man sich mit Fuchs „aus der Epoche der Gotik in jene der Betonik“und erreichte so die Helena-Kapelle, deren Einrichtung auf eine kleine Clarissinnen-Gemeinschaft zurückgeht, die Heiligkreuztal allerdings vor Jahren wieder verlassen hat. Zu bewundern galt es darin außer einem aus altem Holz neu gefertigten Kreuz, das in der Größe jenem entsprechen soll, an dem Jesus starb, die Mondsichelmadonna des Meisters Schmid von Urach aus dem 16. Jahrhundert und den Teppich einer ungarischen Künstlerin mit der aufgehenden Sonne im Osten, 1989 kurz vor dem Fall der Mauer dort aufgehängt.
Das Kornhaus verlassend, stellte Fuchs die Mühle als einziges noch nicht saniertes Gebäude vor. Die Idee, darin ein Pflegeheim für Priester unterzubringen, sei an den errechneten Kosten von zehn Millionen Euro gescheitert, räumte er ein, doch die Hoffnung auf eine Verwendung bleibe bestehen. Im einstigen Bauhof befindet sich heute die Ausbildungsstätte für die Ständigen Diakone und im Haberhaus wurde mit starker Unterstützung der Diözese Rottenburg-Stuttgart eine Pellet-Heizung eingebaut. Sie nämlich hat 2009 als Pächterin den Hotelbetrieb übernommen. 90 Zimmer stehen zur Verfügung, 190 Gäste können beherbergt werden und zwar vor allem dort, wo einst die Nonnen schliefen. Zur Anschauung blieb eine Zelle erhalten und eingerichtet. Gerne warfen die Gäste einen neugierigen Blick hinein.
Der Apotheke mit der einstigen Krankenstation im Obergeschoss – heute Verwaltungsgebäude der Stefanusgemeinschaft –, dem ÄbtissinnenGebäude mit Tagungsräumen, das Bacher nach alten auf dem RosenkranzAltar zu sehenden Ansichten umgestalten ließ, und das Beichtiger-Haus, in dem ein Geistlicher den Nonnen außerhalb der Klausur die Beichte abnahm, gehörte nochmals große Aufmerksamkeit, bevor die Gruppe auseinander ging. Davor nutzte Fuchs die Gelegenheit, auf das tägliche Morgengebet um 7.30 Uhr und die Vesper um 18.30 Uhr im Kapitelsaal hinzuweisen, was dank einer kleinen Gruppe von Ehrenamtlichen in klösterlichem Sinne stattfinden könne.