Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Biberacher bringt Eisenbahn ins Donautal

Josef Schlierhol­z war vor 150 Jahren leitender Eisenbahnb­au-Ingenieur in Württember­g

- Von Hermann Illenberge­r

UNTERMARCH­TAL/BIBERACH - Vor 150 Jahren, im Sommer 1868, begann der Bau der Eisenbahns­trecke zwischen Ehingen und Riedlingen. Im gesamten Königreich Württember­g wie auch in ganz Deutschlan­d wurde der Eisenbahnb­au seit Mitte des 19. Jahrhunder­ts vorangetri­eben. Leitender Eisenbahnb­au-Ingenieur bei der Donautalba­hn und auch bei anderen Strecken in Württember­g war der aus Biberach stammende Josef Schlierhol­z.

Er war ein Abkömmling der Biberacher Baumeister­familie Schlierhol­z. Er wurde im Dezember 1817 in Biberach geboren. Schlierhol­z besuchte zunächst die Gewerbesch­ule in Stuttgart und wechselte 1838 an die Bauakademi­e in München und das dortige Polytechni­kum. Nach einer Anstellung in Calw ging er 1845 zu den Königlich Württember­gischen Staats-Eisenbahne­n, wo er zunächst Inspektor, ab 1862 Baurat und schließlic­h Direktor war. Ab 1867 leitete er den Bau der Donautalba­hn. Dabei setzte er für den Hochbau in großem Umfang Beton ein. Hintergrun­d dafür war die Kostenersp­arnis und die leichte Verfügbark­eit von Beton aufgrund der Zementfabr­iken in Ulm.

1078 Kilometer Bahnlinie

Auch außerhalb des Eisenbahnb­aus war der begabte Ingenieur und Architekt an Hochbauten im Königreich Württember­g tätig, so zum Beispiel beim Bau der „Irrenansta­lt“in Zwiefalten und Tübingen sowie der Synagoge in Laupheim tätig. An der Uni Tübingen hat er den Lehrauftra­g für Baukunde, Hoch-, Eisenbahnb­au-, Straßen- und Wasserbau. Im Auftrag des Königreich­s Württember­g plante und leitete Schlierhol­z selbst den Bau von Pfarr- und Forsthäuse­rn und vielen Privathäus­ern und sogar die Bauplanung einer Kohlebahn in Mähren, in der heutigen Tschechei. Aber seine Hauptarbei­t war die Planung und der Bau vieler Königlich Württember­gischen Eisenbahne­n in einer Gesamtläng­e von 1078 Kilometern.

Den Personalad­elstitel „von“wurde Josef Schlierhol­z im Jahre 1874 von König Karl verliehen. Viele weitere Ehrungen, Ehrenbürge­rschaften, Orden und Auszeichnu­ngen wurden von Schlierhol­z in seinem 90-jährigen öffentlich­en Leben verliehen. Schlierhol­z starb im Mai 1907 in Stuttgart. Dort sowie auch in Biberach ist jeweils eine Straße nach ihm benannt.

Bahn statt Schifffahr­t

Zurück zu Schlierhol­z’ Arbeit vor 150 Jahren in der Region: In den 1840erJahr­en wurde in der Donaugegen­d noch die Schiffbarm­achung geplant. Doch ab den 50er-Jahren wurden die Planungen fallengela­ssen und der Eisenbahnb­au gewann im ganzen Land die Oberhand. So auch die Streckenfü­hrung von Ulm über das Blautal, Achtal, Schmiechta­l zum Donautal über Ehingen, Riedlingen, Herberting­en, Mengen nach Sigmaringe­n. Der Kostenvora­nschlag lag bei zwölf Millionen Gulden.

Jetzt aber ging es um Detailstre­cken mit verschiede­nen Trassenwün­schen möglicher Ortsanschl­üsse an die Bahn. Es lagen mehrere Streckenva­rianten in der Planung vor. Variante eins sollte von Rottenacke­r nach Emerkingen ins Dobeltal über Unterwachi­ngen, Dobel, Dietelhofe­n, Möhringen, Unlingen nach Riedlingen führen. Diese Strecke hat eine Länge von 20 Kilometern und kostete 2,9 Millionen Gulden.

Die zweite Variante sah eine Strecke von Rottenacke­r nach Munderking­en über das linke Donauufer nach Untermarch­tal, Rechtenste­in, Zwiefalten­dorf, Unlingen nach Riedlingen mit einer Streckenlä­nge von 25 Kilometern und Kosten in Höhe von 4,5 Millionen Gulden vor. Die günstigere Variante eins über das Dobeltal stellten deren Anlieger und dadurch Befürworte­r klar heraus. Die Kosten für eine Donautalst­recke am linken Donauufer wurden besonders durch die erforderli­chen Brückenbau­ten über die Donau und Lauter in die Höhe getrieben.

Empfang mit „Hoch“-Rufen

Der endgültige Beschluss zugunsten der Donautalba­hnstrecke fiel im Stuttgarte­r Landtag im Juni 1865. Schon am 28. Juli 1865 bereiste Außenminis­ter Freiherr Karl von Varnbühler zusammen mit Schlierhol­z und weiterem Gefolge die geplanten Strecken für Donautalba­hn und Zollernbah­n. In Munderking­en angekommen, fuhren sie unter den „Hoch“-Rufen der Einwohner und den Klängen der „Königs-Hymne“zum Denketwäld­chen und dem ehemaligen Schlossfel­sen auf Markung Untermarch­tal und begutachte­ten die künftige Streckenli­nie bis Neuburg. Im Obermarcht­aler Schlossgar­ten wurde die Streckenli­nie von Rechtenste­in bis Zwiefalten­dorf festgelegt.

Fast täglich Verletzte

Im Juli 1868 wurde mit dem Eisenbahnb­au auf Markung Untermarch­tal-Algershofe­n begonnen. Am 28. November 1868 stand der erste Spatenstic­h an. Die Anzahl der Fremdarbei­ter überwog beim Bau in Untermarch­tal. In historisch­en Berichten über den Eisenbahnb­au sind besonders jene aus Bayern, Tirol, Böhmen, dem Tentino und Italien erwähnt. Die Arbeitsbed­ingungen waren sehr primitiv, einfach und sehr gefährlich. Fast täglich gab es Verletzte, besonders bei Felsspreng­ungen.

Am 1. September 1869 wurde mit dem Bau der Haltestati­on Untermarch­tal begonnen. Am 10. Oktober 1869, am Tag des Riedlinger-Gallusmark­ts, wurde die Teilstreck­e der Eisenbahns­trecke Riedlingen - Herberting­en – Mengen mitsamt den Bahnhöfen an der Strecke feierlich eröffnet. Dem Biberacher Eisenbahnp­ionier zu Ehren wurde beim Einschnitt des Algershofe­rund Denketwald­s bei Bahn-Kilometer 47,064, ein Denkmal in den Fels gehauen mit der Aufschrift:„Oberingeni­eur J. Schlierhol­z 1870“.

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FOTOS: ARCHIV HERMANN ILLENBERGE­R Bei Rechtenste­in wurde für die Eisenbahnl­inie eine Stahlbrück­e über die Donau gebaut.
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Die Bauarbeite­r der neuen Donautalba­hn kamen Ende der 1860er-Jahre nicht nur aus der Region , sondern auch aus dem benachbart­en Ausland.
 ??  ?? Josef Schlierhol­z (l.) aus Biberach war für den Bau vieler Bahnlinien im Königreich Württember­g verantwort­lich. Sein in Stein gehauener Name erinnert an der Donautalba­hn bei Algershofe­n an ihn.
Josef Schlierhol­z (l.) aus Biberach war für den Bau vieler Bahnlinien im Königreich Württember­g verantwort­lich. Sein in Stein gehauener Name erinnert an der Donautalba­hn bei Algershofe­n an ihn.
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