Schwäbische Zeitung (Riedlingen)
„Frauen sind an manchen Themen näher dran“
Sigrid Arnold will Frauen zu einer Kandidatur in der Kommunalpolitik ermuntern
BIBERACH - Statistiken zeigen, dass der Anteil der Frauen in Bundestag, Landtag und in den Kommunen sehr gering ist. Kann dieser Zustand nur durch eine Frauenquote geändert werden? Und was tut der Landkreis Biberach, um Frauen in die Politik aktiv miteinzubeziehen? Janine Schlachter hat darüber mit Sigrid Arnold, seit Mai 2017 Gleichstellungsbeauftragte im Landratsamt, gesprochen.
Frau Arnold, weshalb engagieren sich weniger Frauen in der Politik?
Fragt man Frauen, weshalb sie sich zum Beispiel nicht für den Gemeinderat aufstellen lassen, kommt man schnell auf den Zeitfaktor zu sprechen. Heute sind Frauen oftmals berufstätig, haben Familie und müssen zu Hause Haushalt und Kinder versorgen oder übernehmen die Pflege eines Angehörigen. Eine zusätzliche ehrenamtliche Tätigkeit nach Feierabend ist zeitlich schwer unterzubringen. Vielleicht fehlt auch der Einblick, welche Aufgaben das Amt tatsächlich mit sich bringt. Deshalb wollen wir die fehlenden Informationen durch eine Veranstaltung (siehe Kasten) vermitteln. Diese soll speziell Frauen ansprechen und ihnen die Angst vor einer Kandidatur nehmen.
Was ist besonders wichtig für Frauen, die eventuell kandidieren möchten oder sich mit der Materie zum ersten Mal beschäftigen?
Wichtig zu sagen ist vor allem, dass wir die Frauen nicht zu einem Amt überreden, sondern ihnen den Weg bereiten möchten. Sie sollen durch die Infoveranstaltung Praxis- und Hintergrundwissen erlangen. Die Veranstaltung ist neutral, unparteiisch und überparteilich. Die Teilnehmerinnen werden einen Gesamtüberblick bekommen und können danach einschätzen, ob sie sich in diesem Bereich ehrenamtlich engagieren möchten.
Warum ist es wichtig, dass sich auch Frauen einen Ruck geben und aktiv in der Politik mitarbeiten?
Grundsätzlich ist zu sagen, dass es in allen Bereichen besser und sehr wichtig ist, ein weites Spektrum an Meinungen zu haben. Innerhalb einer Diskussion kann somit das Thema von allen Seiten beleuchtet werden. Zum Beispiel haben Frauen ein anderes Sicherheitsgefühl als Männer und können zum Thema „Wo muss beleuchtet werden?“, oder „Wo brauchen wir Frauenparkplätze?“andere Meinungen einbringen. Oft sind Frauen auch an Themen wie Kinder und Bildung näher dran und können deshalb explizitere Aussagen treffen und ihre Erfahrungen einbringen. Aber die Themengebiete der Frauen dürfen sich nicht nur auf typische weibliche Themen beschränken oder reduzieren, sondern sollen sich wie bei den Männern auf alle Bereiche erstrecken.
Gab es schon frühere Veranstaltungen, die sich mit dem Thema Frauen in der Politik beschäftigt haben?
Im November 1918 wurde in Deutschland das Wahlrecht für Frauen eingeführt, am 19. Januar 1919 durften Frauen erstmalig in unserem Land wählen. Die Einführung des Wahlrechts für Frauen war für die Frauen für ihre politische Willensbildung und Teilhabe sowie für den demokratischen Gedanken ein äußerst wichtiger und historisch bedeutsamer Schritt. Am 8. März dieses Jahres hat das Landratsamt deshalb anlässlich des Internationalen Frauentags eine historische Ausstellung zum Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“veranstaltet. Dabei fand eine Podiumsdiskussion mit Mandatsträgerinnen aus unterschiedlichen politischen Ebenen statt. Diese berichteten von ihren Erfahrungen aus ihren Mandaten und diskutierten darüber, weshalb wir Frauen in der Politik brauchen. Die kommende Infoveranstaltung soll an dies anknüpfen.
Stimmen die Vorurteile, dass Frauen keine Frauen wählen und politische Themen lieber den Männern überlassen?
Ob Frauen keine Frauen wählen, kann schlecht gesagt werden. Sicher ist es jedoch für eine Frau schwierig, zum ersten Mal zu kandidieren. Gegen einen bekannten und alteingesessenen Kandidaten anzutreten ist nicht leicht. Meiner Meinung nach haben Frauen, die antreten, aber eine gute Chance. Sie haben ein breites Netzwerk im Familien- und Freundeskreis, unter Müttern und den Kolleginnen. Das sind alles potenzielle Wählerinnen. Frauen steht der gleiche Weg offen wie den Männern. Laut Statistik sind Frauen in allen politischen Ebenen unterrepräsentiert, aber ich glaube nicht, dass dies deshalb so ist, weil Frauen unpolitischer sind als Männer. Gerne möchten wir mit der Informationsveranstaltung einen nächsten Schritt gehen und die Politik ausgewogener und bunter gestalten. Deshalb möchten wir mehr Frauen ermutigen und gewinnen, sich in der Kommunalpolitik zu engagieren und für ein Mandat zu kandidieren.