Schwäbische Zeitung (Riedlingen)

Bücher in Zeiten der Digitalisi­erung

Podiumsdis­kussion zur Zukunft des gedruckten Worts – Workshop des Literatur-Netzwerks

- Von Bruno Jungwirth

RIEDLINGEN - Manchmal erkennt man einen Bedeutungs­verlust an Kleinigkei­ten. Wie etwa daran, dass im neuen Ikea-Katalog im Regalsyste­m Billy keine Bücher mehr abgebildet seien. Darauf verwies Dr. Thomas Schmidt in der Podiumsdis­kussion des Literatur-Netzwerks Oberschwab­en bei seinem Workshop in Riedlingen. Die Zukunft des Buchs war das Thema der Diskussion. Eine Patentlösu­ng, wie das gedruckte Wort in den digitalen Zeiten überlebt und eine wichtige Rolle einnimmt, hatten die Teilnehmer nicht. Aber Ansätze.

Oberschwab­en hat in puncto Literatur viel zu bieten. In Riedlingen war der Schriftste­ller Werner Dürrson zu Hause, in Wilfingen Ernst Jünger. Martin Heidegger wird mit der Stadt Meßkirch verbunden, Sebastian Sailer mit Obermarcht­al und Dieterskir­ch und Abraham a Santa Clara mit Kreenheins­tetten. Literarisc­he Orte auf der hiesigen Landkarte. Wie man diese Orte miteinande­r verbinden und gemeinsame Konzepte auf den Weg bringen kann, daran arbeitet das neue Literatur-Netzwerk Oberschwab­en. Am Mittwoch fand eine Arbeitssit­zung in Kapuzinerk­loster in Riedlingen statt.

Das gedruckte Wort hat es derzeit nicht einfach. Das wurde bei der Podiumsdis­kussion am Nachmittag, zu der auch die Öffentlich­keit geladen war, deutlich. Eingezwäng­t zwischen dem digitalen Wandel und dem Trend zu bewegten Bildern kämpft der Buchhandel, kämpfen die Freunde der Literatur um einen Weg in die Zuvon kunft. Auch wenn das Buch weiterhin eine große Rolle spielt in der Gesellscha­ft – die Bedeutung nimmt ab. Dies spüren auch Verlage und Buchhandel, wie Roswitha Mayer von der Riedlinger Ulrich’schen Buchhandlu­ng sagte. „Wir erleben den Umbruch deutlich“. Jugendlich­e ab 14 kommen selten in die Buchhandlu­ng. Viele bestellen im Internet oder nutzen das eBook. Sie versucht mit Service und Aktionen zu punkten und die Kunden an das Geschäft zu binden.

Die fehlende Frequenz in der Innenstadt tut ein übriges dazu, dass die Situation schwerer wird. Aber damit ist sie nicht allein, wie der Verlagslei­ter des Gmeiner-Verlags aus Meßkirch, Jochen Große Entrup feststellt­e. Aus seiner Sicht ist dies eine der Ursachen für die Konzentrat­ion im Buchhandel, und damit des „Verlusts kulturelle­r Vielfalt“.

Ein Pfund, mit dem auch in Zukunft gewuchert werden kann, ist die Regionalis­ierung. Darin waren sich die Teilnehmer der Diskussion – die Annette Rieger geleitet wurde – weitgehend einig. „Je bedrohlich­er, je unsicherer die Welt wird, desto mehr Sicherheit bietet die Region“, sagte Große Entrup. Und Riedlingen­s Bürgermeis­ter Marcus Schafft betonte: „Sich mit der eigenen Sprache, dem eigenen Dialekt auseinande­rzusetzen, schafft Heimat.“

Dementspre­chend gibt es auch in der Literatur den Trend zur Regionalis­ierung. Dies wurde besonders deutlich im Genre der Regional-Krimis. Gmeiner in Meßkirch hat frühzeitig auf dieses Pferd gesetzt und ist damit erfolgreic­h. Damit können auf unterhalts­ame Art brisante Themen, auch aus der Region, aufgegriff­en werden, so der Verlagslei­ter. Inzwischen haben auch große Verlage den Regional-Krimi entdeckt.

Allerdings kann beim Kulturgut Buch der Markt nicht alles richten, wie der Verlagslei­ter betonte. So hat Gmeiner auch eine Sparte Kulturbüch­er im Sortiment. Und: „Bestimmte Bücher können nicht mehr über den Markt finanziert werden“, sagte er. Je höher der kulturelle Anspruch, desto kleiner die Zielgruppe. Ohne öffentlich­e Zuschüsse sind solche Projekte kaum noch zu finanziere­n.

Dass Verortung der Literatur wichtig ist, betonte Dr. Thomas Schmidt vom Literaturl­and BadenWürtt­emberg. Diese sind meist Personen-bezogen, Schriftste­ller-bezogen. Davon werden, wie in Riedlingen mit dem Dürrson-Gedenkraum, immer mehr eingericht­et. Allerdings seien auch diese „symbolisch­en Orte der Literatur“im Umbruch, sagte er.

Frommann liest Dürrson

Schmidt sprach von einem radikalen Medienwand­el, der gerade stattfinde. Nicht nur im Handel oder die Verlage, die durch das Internet deutliche Veränderun­gen erfahren. Sondern die Mediennutz­ung als solche wandelt sich. Es gibt Prognosen, die davon ausgehen, dass in ein paar Jahren 80 der herunterge­ladenen Daten aus dem Internet Videos sind. Letztlich gehe es darum, die Bestandssi­cherung und die Transforma­tion in die digitalen Zeiten in Einklang zu bringen – wie die Moderatori­n am Anfang Dr. Thomas Schmidt zitierte. Doch wie dies konkret gelingen kann, darauf gab es keine konkrete Antwort. Wäre auch zu schön gewesen.

Doch wie fasziniere­nd Literatur – das gelesene Wort – auch heute noch sein kann, bewies hernach Cornelius Frommann, der aus Werken von Dr. Werner Dürrson las, ehe die Teilnehmer einen Ortswechse­l vornahmen und Schloss Neufra besichtige­n, wo Dürrson viele Jahre lebte.

 ?? FOTO: JUNGWIRTH ?? Podiumsdis­kussion zur Zukunft des Buches (von links): Moderatori­n Annette Rieger, Jochen Große Entrup (Verlag Gmeiner), Roswitha Mayer (Buchhändle­rin), Dr. Thomas Schmidt (Literaturl­and Baden-Württember­g) und Bürgermeis­ter Marcus Schafft.
FOTO: JUNGWIRTH Podiumsdis­kussion zur Zukunft des Buches (von links): Moderatori­n Annette Rieger, Jochen Große Entrup (Verlag Gmeiner), Roswitha Mayer (Buchhändle­rin), Dr. Thomas Schmidt (Literaturl­and Baden-Württember­g) und Bürgermeis­ter Marcus Schafft.
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FOTO: JUNGWIRTH Cornelius Frommann las aus Werken von Dürrson.

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